Droht einer Vielzahl an Lebensmitteln ein Werbeverbot "durch die Hintertüre"? Diese Befürchtung äußert die heimische Lebensmittelbranche jedenfalls, nachdem die Nationale Ernährungskommission (NEK) am vergangenen Montag das lange diskutierte Nährwertprofil für Lebensmittel beschlossen hat.
Schutz vor Käpt'n Iglo
Der Vorschlag für Nährwertprofile sehe etwa vor, dass Werbung für Heumilch-Milch und Bio-Butter, Süßes, Käse wie Emmentaler oder Fleischprodukte, Fischstäbchen, Fruchtsäfte und Smoothies, Knabbereien, Müsliriegel, Konfitüren und vieles mehr verboten werde, warnt die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Auch österreichische Spezialitäten, wie das Steirische Kürbiskernöl, Handsemmeln oder Back- und Mehlspeisen, wären betroffen. Werbung wäre nur noch für wenige Lebensmittel, etwa Haferdrinks, Wasser und ähnliche Produkte, erlaubt, fürchtet die WKÖ
"Muss man Kinder vor Werbung für Käpt'n Iglo oder Bio-Heumilch-Käse schützen? Echt jetzt? Dieses Vorhaben kommt nicht nur zur Unzeit, mitten im vorsichtigen Aufschwung nach der schwersten Wirtschaftskrise seit 1945. Die geplanten Werbeverbote sind auch vollkommen überzogen, wissenschaftlich nicht fundiert und handwerklich mangelhaft. Ganz davon abgesehen, dass sie nicht im Regierungsprogramm stehen und auch nicht vom jüngst novellierten Medienrecht gedeckt sind", kritisiert Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbandes Lebensmittelindustrie der WKÖ.
So schlimm wie Nikotin?
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Markenartikelverband (MAV). Sollte die NEK in ihrem neuen Entwurf keine klare Altersobergrenze vorsehen, würde das einem generellen Werbeverbot gleichkommen, da in der Praxis eine inhaltliche Abgrenzung des Medienkonsums an der Grenze zum Erwachsenen (18 Jahre) nicht durchführbar sei, gibt MAV-Geschäftsführer Günter Thumser zu bedenken. Dieses abgeleitete Werbeverbot würde dann für sämtliche Medien und Kanäle gelten – Zeitungen, Plakate, TV und Hörfunk sowie soziale Medien. Thumser: "Eine solche Einschränkung gäbe es sonst nur für Nikotin."
Michael Straberger, Präsident des Österreichischen Werberats, kann die Entscheidung der NEK ebenfalls nicht nachvollziehen: "Dieser Beschluss ist mehr als verwunderlich, denn vor fünf Monaten ist die Novellierung der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie in Österreich umgesetzt worden. Diese wurde im Schulterschluss mit der Lebensmittelbranche, den Medien und allen öffentlichen Stellen – auch dem Gesundheitsministerium – erarbeitet und sieht strenge Vorlagen für Lebensmittelwerbung im Umfeld von Kindersendungen vor. Diese werden im Wege der Selbstregulierung effizient überwacht. Nunmehr erfolgt ein weiterer Vorstoß, der auf keinerlei wissenschaftlicher Evidenz beruht und gewissermaßen über die Hintertüre weitreichende Werbeverbote – ohne rechtliche Basis – erwirken soll."
Nur Empfehlungscharakter
Das Gesundheitsministerium versucht indes zu kalmieren: Die Nationale Ernährungskommission könne "weder Verordnungen verabschieden noch Werbeverbote verhängen". Die Nährwertprofile hätten nur Empfehlungscharakter. "Die im Begutachtungsverfahren stark umstrittenen verpflichtenden Nährwertprofile wurden gesetzlich nicht verankert und stattdessen auf allgemeine Ernährungsleitlinien abgestellt", so Gerald Fleischmann (ÖVP), in einer Stellungnahme von vergangenem November. (as)
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