Der mittlerweile dritte im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie verordnete Lockdown stellt die Wirtschaft einmal mehr auf die Zerreißprobe – viele haben auf die ein oder andere Art und Weise "genug", und andere "können nicht mehr", vor allem nicht mehr geschlossen halten. Nicht mehr geschlossen hatten am Montag den 11. Jänner 2021 tatsächlich zwei Lokalitäten im Land: Auf der einen Seite der Italo-Modemacher Gino Venturini in der Wiener Innenstadt, und auf der anderen die Linzer Gastronomin Alexandra Pervulesko, die ein kleines Café in der Badgasse betreibt. Eine der beiden Lockdown-Öffnungen endete am Montagnachmittag allerdings in einem Polizeieinsatz.
Schneider dürfen offen haben
Mit einem Facebook-Posting das mit den Zeilen "Wir haben ab Montag offen" titelte, sorgte Gino Venturini am Sonntagabend für Verwunderung: "Wir haben ab Montag, 11. Jänner 2021 wieder für Sie geöffnet! Als Mitglied im Bekleidungsgewerbe dürfen wir lt. geltender Verordnung – unter Einhaltung aller Maßnahmen – unser Geschäft in der Spiegelgasse 9 geöffnet halten. Auch Anproben werden wieder möglich sein."
Wir haben ab morgen Montag, 11. Jänner 2021 wieder für Sie geöffnet! Als Mitglied im Bekleidungsgewerbe dürfen wir lt....
Gepostet von Gino Venturini am Sonntag, 10. Januar 2021
Tatsächlich gibt seine Profession dem Maßschneider Recht: Wie die Bundesinnungsmeisterin Christine Schnöll gegenüber oe24.at bestätigte, ist es Schneidern erlaubt, auch während des Lockdowns offen zu halten. Wenige Menschen blicken im dritten Lockdown durch, wer tatsächlich geöffnet haben darf und wer nicht, so Schnöll, die in einer Aussendung im Dezember erklärte: "Dadurch entsteht der Eindruck, dass nur Lebensmittelgeschäfte, Apotheken usw. offen haben, produzierende Handwerksbetriebe oder nicht körpernahe Dienstleister aber nicht. Das entspricht jedoch nicht der Rechtslage." Bei weitem nicht allen körpernahen Dienstleister und produzierenden Handwerke, zu denen die Bekleidungsgewerbe wie Damen/Herrenkleidermacher, Änderungsschneider, Wäschewarenerzeuger, Stricker, Kürschner, Säckler zählen, ist es erlaubt, offenzuhalten. Doch im Falle Venturinis schien die Möglichkeit rechtlich abgesichert gegeben.
"Mutiger" Protest gegen Lockdown
Im Gegensatz zu Venturini hatte die in mehreren Medienberichten (wie bei linza.at oder oe24.at, Anm.) als "Wut-Wirtin" betitelte Pervulesko allerdings keine rechtliche Grundlage, um am Montag aufzusperren. Für die Gastronomie besteht nach wie vor eine strikte Sperre, und die avisierte Wiedereröffnung am 18. beziehungsweise 24. Jänner scheint aktuell auch auf wackligen Beinen zu stehen. So lange kann und will die Linzer Wirtin aber nicht mehr warten, wie sie gegenüber dem Standard erklärte: "Ich bin sicher keine Corona-Leugnerin. Ich bin einfach Mama. Und es geht einfach finanziell jetzt nicht mehr." Darum kündigte die Caféinhaberin an, ihr Lokal um 16 Uhr aufsperren zu wollen und bis 20 Uhr geöffnet zu halten, da sie sich "gezwungen" fühle, die Verordnungen der Bundesregierung zu brechen. "Ich stehe mit meinem Badcafe vor dem Aus. Und mein pubertierender Sohn frisst mir die Haare vom Kopf. Nur gibt es jetzt nichts mehr zu fressen", so die Gastronomin, die angibt, bislang "so gut wie keine" Entschädigungszahlungen seitens der Regierung erhalten zu haben.
Pervulesko erklärt ihre Situation dem Standard gegenüber als eine Art Sonderfall: "Ich führe das Lokal erst seit gut einem Jahr. Und es gab eine Änderung bei der Eigentümerstruktur. Damit bin ich dann überall hinausgefallen." Gegenüber dem Standard gab Pervulesko an, auf einen "leisen Start" zu hoffen, war sich aber genauso im Klaren darüber, dass es "sein (kann), dass die Polizei die Badgasse sperrt und so gar keine Gäste kommen können. Oder ich eine Strafe von bis zu 30.000 Euro kassiere oder meine Konzession verliere." Dennoch hielt sie an ihrem Plan fest, und öffnete: "Ganz egal, was passiert – ich werde jetzt Mut beweisen", so die Gastronomin.
Freundliche Polizisten, Lokalräumung und zahlreiche Anzeigen
Und die Cafébesitzerin hielt ihr Wort: Pervulesko öffnete die Tore ihres "Badcafé", in der sich laut Augenzeugenberichten viele Unterstützer versammelt haben dürften. Auch vor dem Lokal kam es zu Menschenansammlungen: Einerseits durch schaulustige und neugierige Anrainer, andererseits traf nach rund 30 Minuten die Polizei ein. Im Gespräch mit der Heute berichtet eine Zeugin: "Ich schätze es waren rund 20 Beamte, die vor dem Cafe auftauchten." Die Polizei sei von beiden Seiten in die Gasse gekommen, damit niemand wegkönne, doch hätten sich die Beamten "sehr freundlich" verhalten. "Sie haben von allen Gästen die Daten aufgenommen", so die Zeugin weiter. Ersten Informationen zufolge sei es auch zu keinen Verhaftungen gekommen.
Dennoch wurde das Lokal in der Badgasse von der Exekutive geräumt. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger erklärte in einem Statement, dass "die Stadt Linz großes Verständnis für die wirtschaftlichen Sorgen von Gastronomen, die ebenso wie Handel und viele Dienstleistungen vom Lockdown schwer getroffen sind" habe. "Es gibt jedoch keine Toleranz gegenüber einzelnen Betreiberinnen und Betreibern, die sich medial inszenierend über geltende Gesetze hinwegsetzen und somit das gemeinsame Ziel einer Eindämmung der Covid-19-Pandemie gefährden. Dieses Verhalten ist unverantwortlich und höchst unsolidarisch gegenüber all jenen Menschen, die auf vieles verzichten und sich wie die allermeisten Gastronomen an geltende Bestimmungen halten", so der Bürgermeister und Bezirkshauptmann weiter.
Betretungsverbot für das Badcafé, hohe Strafen drohen
Wie die oberösterreichische Tips am Montagabend in einem Update berichtete, wurden zum Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei rund 45 Gäste, viele davon ohne Mund-Nasenschutz, von den Beamten kontrolliert und angezeigt. Den Gästen drohen nun bis zu 1.450 Euro Strafe pro Person, die Wirtin selbst könnten bis zu 30.000 Euro Strafe erwarten. Der ORF OÖ verwies auf Angaben der Stadt Linz, deren nach ein Erhebungsdienst des Magistrats in den kommenden Tagen kontrollieren wolle, ob das Lokal auch geschlossen sei.
Die Stadt Linz sprach durch den Bürgermeister Klaus Luger ein behördliches Betretungsverbot gegen das Altstadtlokal "Badcafé" aus.
Vermehrte Aufrufe zum Protest gegen Lockdowns
Pervulesko ist bei weitem nicht die einzige, die sich gegen den Lockdown wehrt. Seit einiger Zeit mobilisiert eine Initiative im Netz Gewerbetreibende im gesamten DACH-Raum zum Protest: "Wir machen auf – Lockdown beenden", so der Slogan, unter dem Händler und Gastronomen in Deutschland, Österreich und der Schweiz dazu angehalten wurden, am 11. Jänner ihre Läden zu öffnen und so absichtlich gegen die Corona-Beschränkungen zu verstoßen. (red)
www.venturini.at
www.badcafe.at
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