Die um sich greifende Coronavirus-Epidemie rüttelt gerade an wichtigen Säulen der Weltwirtschaft. Das tatsächliche Ausmaß der Folgen ist bis dato kaum realistisch abschätzbar, dennoch prophezeit man in Deutschland allein durch die Verluste infolge der Ausfälle großer Messen Einbußen in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro. Allein durch die Zuspitzung der Lage in der Nacht von Montag auf Dienstag mit der Schließung der italienischen Grenzen und die Krisenmaßnahmen der heimischen Regierung ist klar: jetzt wird's ernst, auch und vor allem für die österreichische Wirtschaft. Aber wie kam es eigentlich dazu und warum ist Italien aktuell am stärksten von allen EU-Ländern betroffen? Ein kleiner Exkurs.
Wildtierhandel und mangelnde Hygiene in China als Virusherd
Schon vor einigen Jahren hatte eine Epidemie, die im Reich der Mitte ihren Anfang genommen hatte, die Welt in Atem gehalten: Sars. Und genau wie diese Krankheit scheint nun auch Covid-19 auf Chinas Märkten mit Wildtieren ihren Ursprung zu haben. Ausgehend von einem Markt in der chinesichen Stadt Wuhan, in der auch unzählige Unternehmen ansässig sind, konnte sich das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 ausbreiten und der weltweite Dominoeffekt mit Auswirkungen auf das öffentliche Leben, Weltwirtschaft und Industrielieferketten wird uns von Tag zu Tag bewusster.
Wie viele Medienberichte, darunter auch ein Artikel des Industriemagazins, beleuchten und belegen, scheinen die – hierzulande oftmals als äußerst befremdlich empfundenen – Essgewohnheiten der Chinesen ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Kette der Ereignisse rund um die rasante Ausbreitung von Covid-19 zu sein. Die mehr als unhygienischen Zustände auf den Märkten, auf denen mit Tieren und Lebensmitteln gehandelt wird, bilden hier einen idealen Nährboden für das Virus. Chinas Regierung hatte den Handel mit Wildtieren Ende Jänner zwar vorübergehend verboten, doch laut der Umweltorganisation "Environmental Investigation Agency" scheint der Appetit der Chinesen auf wilde und oft illegal gefangene Tiere weiterhin ungebrochen zu sein. Ein großer Treiber der Nachfrage nach Wildtieren ist auch die "Traditionelle chinesische Medizin" (TCM).
In Italien tauchen neue Fragen zur Ausbreitung auf
Aber warum ist in Europa gerade Norditalien so außergewöhnlich stark von der Ausbreitung betroffen? Auch hier führen die Spuren nach China – so vor allem die Schlussfolgerung zahlreicher italienischer Medien. In Italien hat die Ausbreitung des Coronavirus in der Provinz Lodi ihren Anfang genommen, nur wenige Kilometer von der Modemetropole Mailand entfernt. Derzeit sind im Land mehr als 6300 Menschen infiziert und ganze Regionen abgeriegelt. Warum ist ausgerechnet Norditalien so massiv betroffen? Für viele italienischen Medien gibt es dazu einen Grund, und der heißt "Pronto Moda" - ein Schlagwort, das die Produktion von vermeintlich italienischen Produkten meint, die in Italien von Chinesen und unter chinesischen Bedingungen hergestellt sind.
"Pronto Moda" hat sein Zentrum in den ehemals italienischen Fabriken in der norditalienischen Stadt Prato in der Toskana. Die Geschichte von "Pronto Moda" ist gut 20 Jahre in die Vergangenheit zurückzuführen: im Jahr 2000 kamen sehr viele chinesische Unternehmer in traditionsreiche Regionen der Textilindustrie – so auch nach Prato, wo zuvor jahrzehntelang Zulieferbetriebe in Familienhand noble Stoffe für Luxusmarken wie Versace oder Armani fertigten. Doch seit den 1990er Jahren gerieten die Preise am Weltmarkt plötzlich massiv unter Druck - in der Folgezeit musste ein alteigesessener italienischer Hersteller nach dem anderen zusperren. Und die Neuankömmlinge aus China konnten die leer stehenden Werkhallen zu günstigen Preisen übernehmen.
Chinesische Textilien haben Italiens Märkte infiltriert – und infiziert?
Als dann schließlich China im Jahr 2001 der Welthandelsorganisation WTO beitreten durfte hat auch der Import von Billig-Textilien aus Asien stark zugenommen. In den Folgejahren entstand in dieser norditalienischen Region eine riesige Industrie für Bekleidung, die stets mit dem Label "Made in Italy" operiert – aufbauend auf der Arbeit von tausenden Billigkräften aus China, die mitten in Italien unter unwürdigen Bedingungen leben und arbeiten müssen.
Als vor enigen Jahren bei einem Brand einer Fabrik sieben chinesische Arbeiter ums Leben kamen, machte der Standort weltweit Schlagzeilen. Die Stadt Prato hat etwa 180.000 Einwohner. Davon stammen offiziell rund 25.000 aus China, allerdings ist auch von einer Dunkelziffer von vielen zehntausend illegalen Einwanderern die Rede. Im Industriedistrikt von Prato sei jedenfalls kein italienischer Betrieb mehr zu sehen, wie der deutsche Tagesspiegel in einem Artikel berichtet.
Handelsabnehmer in ganz Europa
Die Zahl von Textilbetrieben in chinesischer Hand wächst wahnsinnig schnell. Nach aktuellen Zahlen sind in Prato offiziell mehr als 2.500 chinesische Textilunternehmen gemeldet – fast doppelt so viele wie vor drei Jahren. Diese produzieren Billigstware unter dem Label "Made in Italy", der Vertrieb passiert gleich vor Ort auf riesigen Großmärkten. Ihre Abnehmer sind Händler aus Italien, Deutschland, Spanien und Frankreich, die sich nicht nur einen guten Teil des Kaufpreises sparen, sondern auch die Lieferzeit per Schiff oder die Einfuhrzölle an Europas Außengrenzen, schreibt das deutsche Handelsblatt.
In den vergangenen Tagen hatte die rechte Partei Fratelli d'Italia heftige Kritik an den Zuständen geübt, als bekannt wurde, dass Ende Jänner tausende Arbeiter aus Norditalien zum chinesischen Neujahrsfest nach China gereist waren. Die Sprecherin des Bürgermeisters von Prato widersprach gegenüber der Presse am Sonntag dieser Kritik: Wer sich ohne Papiere in Italien aufhalte, der könne nicht einfach so nach China reisen und dann wieder zurück. (red)