Die Zeit der Expansion scheint vorüber zu sein: Die Gesamtheit der City-Shopflächen ist heuer zum zweiten Mal in Folge (seit Beginn der Erhebungen 2013) nicht mehr gewachsen, sondern hat sich gegenüber dem Vorjahresbestand um 0,1 Prozent reduziert, lautet es in der aktuellen Studie zur handelstechnischen Verfassung heimischer Städte, die von Standort + Markt in Kooperation mit dem Handelsverband durchgeführt wurde.
"Die rückläufige Flächenentwicklung ist stiller Zeuge der veränderten Konsumgewohnheiten. Der Modehandel verliert an den eCommerce, während die Gastronomie zulegt. Wachstumskaiser ist der Leerstand. Wir beobachten dabei ein Auseinanderdriften der Städte. Die gesunde Mitte geht mehr und mehr verloren, während die Konzentration an den Rändern zunimmt", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. "Es entstehen zwar in Prima-Lagen nach wie vor Flächen, die durchaus ihre Abnehmer finden, gleichzeitig werden aber mancherorts ehemalige Shopflächen, die nicht mehr am Markt für Shops vermietet werden können, vom Markt genommen. Entweder bleiben diese ungenutzt oder sie werden anderweitig verwendet. Diesbezüglich im Trend liegt die Umwandlung in Büros, Arztpraxen, Betreuungsreinrichtungen und sonstige Dienstleistungen fernab des Handels", ergänzt Standort + Markt Geschäftsführer Hannes Lindner.
Flächenzugewinne in Landstraßer Hauptstraße und Leoben
Die größten Flächenzugewinne der letzten Jahre sind in der Wiener Landstraßer Hauptstraße (+7,2 Prozent), in Leoben (+4,9 Prozent) und in der Wiener Mariahilfer Straße (+4,1 Prozent) zu verzeichnen. Villach (-9,7 Prozent), Wiener Neustadt (-6,1 Prozent) und Wels (-3,8 Prozent) haben die stärkste Gesamtverkaufsflächenreduktion erfahren.
Betrachtet man den Branchenmix im Zeitablauf ergibt sich folgendes Bild: So ist zuletzt etwa der Modeeinzelhandel stärker unter Druck geraten. Die Flächenanteile für Fashion haben sich von 33,1 Prozent (2014) auf mittlerweile 29,4 Prozent reduziert. Im Bekleidungshandel liegt die Onlinequote in Österreich bei 22 Prozent, ein absoluter Top-Wert. Modegeschäfte sind die angestammte Bastion der Innenstädte, aber sie kommen durch den eCommerce unter Beschuss. Selbiges gilt für den Buchhandel. Von einer Krise könne den Experten zufolge allerdings keine Rede sein.
Wachstumskaiser ist indes der Leerstand, hier lag der Anteil 2014 noch bei 4,5 Prozent, 2019 bereits bei 7,3 Prozent. Der Anteil der Gastronomie stieg zwar stetig, dafür aber sehr langsam von 12,7 Prozent (2014) auf 13,2 Prozent (2019) an.
Erfolgsfaktor Tourismus
"Insgesamt hat sich die Leerstandsrate im Vergleich zum Vorjahr um 0,8 Prozentpunkte erhöht, in den A-Lagen kam es sogar zu einer Verschlechterung von beinahe 2 Prozentpunkten. Der jahrelange Abwärtstrend mit steigenden Leerstandsraten in der Gesamtbetrachtung setzt sich damit weiterhin fort", erläutert Standort + Markt Gesellschafter Roman Schwarzenecker.
Zudem wird der Tourismus zu einem immer wichtigeren Erfolgsfaktor für den stationären Einzelhandel. Mit Salzburg (1,5 Prozent), Innsbruck (2,8 Prozent) und der Wiener City (3,3 Prozent) finden sich drei Tourismus-Hochburgen mit entsprechend hoher Passantenfrequenz auf den vorderen Plätzen mit einer Leerstandsrate unter 4 Prozent. Herausforderungen haben überwiegend Sekundarstädte wie Wiener Neustadt, Steyr, Krems und Eisenstadt – mit hohem Verkaufsflächenaufkommen respektive dezentralen Einzelhandelsentwicklungen an der Peripherie. Aber auch die Wiener Favoritenstraße verfügt nach wie vor über eine hohe Leerstandsrate von 17 Prozent.
Salzburg top, Krems flop
Zu den gesunden Geschäftsbereichen zählen in Österreich insbesondere die Wiener Mariahilfer Straße sowie die Landstraßer Hauptstraße, St. Pölten, Linz und Innsbruck. Auch Salzburg und insbesondere Feldkirch und Villach konnten im Vergleich zum Vorjahr ihre jeweilige Leerstandsrate erfolgreich reduzieren und haben sich somit deutlich besser positioniert. Einbußen gibt es vor allem für die Innenstädte von Krems und Steyr, die eine Zunahme von Leerständen zu verzeichnen haben.
Spannend sei in diesem Zusammenhang der sogenannte Halo-Effekt: So führt eine starke stationäre Präsenz im Handel dazu, dass die Kunden in derselben Region auch online vermehrt bei diesem Händler einkaufen. "Handel findet immer dort statt, wo die Menschen sind. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Steuern dort eingehoben werden, wo auch die Konsumenten sitzen. Weg mit Gebühren aus dem Jahre Schnee, die für den beschäftigungsintensiven Mittelstand ein Klotz am Bein sind. Nur so kann man sich Innovationen leisten und sich am Markt behaupten. Es geht um nichts weniger als unsere digital sichtbaren Juwele der Stadt- und Ortskerne, die Nahversorgung sicherstellen und Arbeitsplätze stiften", so das Fazit von Rainer Will.
Seit sieben Jahren erfasst Standort + Markt in den 20 größten Städten Österreichs einmal jährlich sämtliche Shopflächen und verfügt mit dem "S+M City-Retail Health Check" über ein unabhängiges Monitoring zum Zustand und den Veränderungen der österreichischen Cities. (jw)
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