"Wir alle sind Wirtschaft und sitzen in einem Boot: Unternehmerinnen und Unternehmer genauso wie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Familien. Wer die Unternehmen schlägt, trifft daher immer auch deren Mitarbeiter und das ganze Land. In Wahrheit hat die Wirtschaftskammer acht Millionen Mitglieder", betonte der neue Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Harald Mahrer, in seiner Antrittsrede vor den Delegierten des Wirtschaftsparlaments und forderte dazu auf, "Wirtschaft neu zu denken".
Scharfe Kritik von Gewerkschaft vida
Um Herausforderungen wie den immer härteren internationalen Wettbewerbs, die Verschiebung des wirtschaftlichen Gewichts in Richtung Asien, vor allem China, sowie die Digitalisierung bewältigen zu können, müsse es ein "neues, viel breiteres Verständnis von Wirtschaft" geben. "Wir brauchen einen neuen Konsens über die Bedeutung der Wirtschaft für unseren gesellschaftlichen Erfolg. Wir brauchen mehr Freiräume für die Unternehmen", so Mahrer. Wirtschaftliche Freiheit sei die wichtigste Antriebskraft für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung.
Eine klare Abfuhr erteilte Mahrer "Gräuelpropaganda", wie sie etwa zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung betrieben werde: "Die Zeit der Gräuelpropaganda muss ein Ende haben. Niemand muss in diesem Land täglich zwölf Stunden oder jede Woche 60 Stunden arbeiten. Und Überstunden werden natürlich abgegolten. Alles andere stimmt nicht."
Die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida reagierte auf diese Aussage mit scharfer Kritik. vida-Chef Roman Hebenstreit bezeichnete Mahrers Aussagen "realitätsfremd und zynisch". Hebenstreit: "Mit einer noch nie dagewesenen Unverschämtheit gegenüber dem Sozialpartner und den Arbeitnehmern fordert die Wirtschaftskammer auch Alibisanktionen im Fall von gewerblichen Betrügereien."
Kein Unterschied zwischen Groß und Klein
Ein neues Verständnis von Wirtschaft erfordere auch ein "neues Verständnis unserer Rolle als Wirtschaftskammer", so Mahrer. Drei Punkte stellte er dabei in den Vordergrund: Die Wirtschaftskammer müsse und werde auch in Zukunft die ganze Breite der Wirtschaft repräsentieren: "Wir unterscheiden nicht zwischen Groß und Klein, regional und international, analog und digital, zwischen kleinem Gewerbebetrieb oder internationalem Exportunternehmen. Die Wirtschaft ist unteilbar." Die Wirtschaftskammer müsse zudem auf allen Ebenen vertreten sein – von der Bezirk-, Landes- und Bundesebene bis hin zum EU-Büro in Brüssel und einem starken Netz im Ausland.
Zweitens müsse die Wirtschaftskammer mehr denn je bei eigenen Dienstleistungen einen "Exzellenzanspruch" stellen. Bestehende Services müssten daher fortgesetzt und ausgebaut werden. Und last not least seien Innovation und Kreativität der Schlüsselfaktor schlechthin für den Erfolg der Unternehmen. Mahrer: "Es geht um Innovation, Forschung, Entwicklung und Bildung, Bildung, Bildung."
Berufliche Bildung in Österreich nach vorne bringen
Vor diesem Hintergrund werde die WKÖ einen dreistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen, um durch ein "Bildungs-Investitionspaket" die berufliche Bildung in Österreich nach vorne zu bringen. Bis Herbst wird ein Plan ausgearbeitet, um die duale Ausbildung – ergänzt um einen Digitalfaktor – zu einer "trialen Ausbildung weiterzuentwickeln, kündigte Mahrer an.
Im Hinblick auf die Sozialpartnerschaft erklärte Mahrer, dass diese zu einer "Zukunftspartnerschaft" weiterentwickelt werden müsse, und zwar "ohne Unternehmer-Bashing, ohne Bazarhandel, dafür mit einem Blick über den Tellerrand hinaus und dem Ziel, die großen Fragen zu lösen. Ich lade alle zu einer solchen Zukunftspartnerschaft ein." (as)
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