Benedikt Binder-Krieglstein ist seit rund zwei Monaten CEO der Reed Exhibitions. Mit der Vienna Autoshow und der Ferienmesse steht ab 11. Jänner Österreichs größter Messevent vor der Tür. LEADERSNET hat sich deshalb mit Binder-Krieglstein zu einem Gespräch getroffen und sich mit ihm über seine Pläne für Reed Exhibitions, was die Digitalisierung für die Branche bedeutet, Leidenschaft als Triebfeder für Messen, die Vienna Autoshow 2018 und seine Affinität zu den vier Rädern unterhalten.
LEADERSNET: Sie sind seit rund zwei Monaten CEO der Reed Exhibitions. Was ist Ihr erstes Resümee nach dieser kurzen Zeit an der Spitze des Unternehmens?
Binder-Krieglstein: Es macht unendlich viel Spaß und ist noch schöner, als ich es mir erwartet habe. Die ersten Wochen waren eine bunte Mischung aus Terminen bei Kunden, Stakeholdern, Politik und Medien. Das Ganze garniert mit vielen internen Themen, wo es sehr stark um die Weiterentwicklung des Unternehmens geht.
LEADERSNET: Wie wird diese Weiterentwicklung aussehen?
Binder-Krieglstein: Für uns geht es sehr stark darum, innovative, neue Formate zu kreieren und schneller als bisher im Markt zu positionieren. Wir wollen im Veranstaltungsbereich unserer Rolle als Markführer und Trendsetter noch stärker gerecht werden. Dazu gehören etwa die B2B-Messe BTA – Building Technology Austria, die wir im Herbst (12. bis 13. September) das erste Mal veranstalten werden, und kleinere Formate im Table Top Bereich. Darüber hinaus werden wir uns auch auf der digitalen Seite noch stärker positionieren. Wir investieren allein in Österreich jedes Jahr einen sechsstelligen Betrag in Innovationen im digitalen Bereich, im globalen Umfeld sind es sogar 25 Millionen Euro.
LEADERSNET: Welche Herausforderungen birgt die Digitalisierung für die Event- und Messebranche?
Binder-Krieglstein: Viele sehen in Digitalisierung eine Gefahr oder ein Risiko. Ich bin hingegen vom Gegenteil überzeugt. Für mich ist Digitalisierung eine große Chance um Standardprozesse abzubilden, die bis dato Ressourcen gebunden haben ohne eine Mehrwert zu liefern. Die freigewordenen Ressourcen kann man dazu verwenden die Angebote für den Kunden noch stärker zu individualisieren. Das ist die Stoßrichtung, in die wir uns bewegen. Wir analysieren, wo wir im Rahmen unserer Customer Journey durch Standardisierung Ressourcen sparen können und gleichzeitig Mehrwert für unsere Kunden stiften. Unser Anmeldeprozess für Aussteller wäre so ein Beispiel. Ebenso das Messenetzwerk, wo wir viele Themen, die früher in den klassischen Ausstellerkatalogen zu finden waren, im digitalen Bereich abbilden. Der zweite wichtige Punkt sind Lösungen um die Effizienz für Aussteller zu steigern und die wir mit digitalen Produkten abbilden. Dazu gehört etwa unser Lead-Erfassungssystem "Reed to Lead", das unseren Ausstellern die Möglichkeit bietet, Kontakte in einfachster Form zu erfassen und dann in ihr eigenes CRM-System zu übertragen. Bei den Besuchern geht es darum, mehr über sie zu erfahren, um ihre Bedürfnisse bestmöglich abzudecken. In diesem Zusammenhang arbeiten wir auf Konzernebene an einem sogenannten Matchmaking-Tool. Das ist im Prinzip ähnlich wie bei Amazon: Wenn Sie ein Paar Sportschuhe kaufen, kriegen Sie die passenden Socken dazu vorgeschlagen. Dadurch können wir dem Besucher, basierend auf seinen Leidenschaften und Interessen optimal mit dem für ihn passenden Aussteller verbinden und somit perfekt über die Messe führen.
LEADERSNET: Können Sie sich vorstellen, dass beispielsweise die Aufgaben von Messehostessen und -hosts in absehbarer Zeit von Robotern übernommen werden?
Binder-Krieglstein: Ich denke, dass wir bereits die ersten Schritte in diese Richtung machen. Das sind jetzt zwar keine Roboter, aber es gibt beispielsweise digitale Schalttafeln, mit denen die Besucher sehr interaktiv, in nonverbaler Form, kommunizieren können. Wir werden bei der Intertool/Smart Automation/C4I (15. bis 18. Mai) schon relativ viel sehen, was Messe im Bereich Digitalisierung bereits kann. Roboter sind für die nächsten paar Jahre zwar noch kein Thema, aber es gibt viele Möglichkeiten, wie man Digitalisierung und Messe verknüpfen kann. Bei der VIECC Vienna Comic Con haben wir beispielsweise einen Chatbot eingerichtet. Ich glaube, das war österreichweit das erste Mal, dass ein Messeveranstalter dies getan hat. Dieser Chatbot kann bestimmte Standardfragen ganz einfach beantworten. Das sind die Dinge, die wir anbieten müssen und das ist auch der Bereich in dem wir federführend sind. Wenn es darum geht, ganz individualisiert Fragestellungen eines Einzelnen abzudecken, dann kann dies aber auch weiterhin nur Face-to-face passieren. Unser Motto lautet Enrichment über Digitalisierung, aber nicht Substitution.
LEADERSNET: Vom 11. bis 14. Jänner finden gleichzeitig die Vienna Autoshow und die Ferienmesse statt. Dabei handelt es sich um den größten Messeevent Österreichs, der alleine im vergangenen Jahr von 160.000 Menschen besucht wurde. Warum erfreuen sich Messen Ihrer Meinung nach immer noch so großer Beliebtheit?
Binder-Krieglstein: Es ist relativ einfach: Der Mensch sitzt seit tausenden von Jahren ums Lagerfeuer versammelt. Er braucht eine Gemeinschaft. Im Idealfall hat er eine Gemeinschaft, die eine gemeinsame Leidenschaft teilt. Das ist ein großer Teil von dem, was eine Messe ausmacht. Wir als Messeveranstalter bauen Marktplätze und Plattformen für Menschen mit einer gemeinsamen Leidenschaft – ähnlich wie bei einem Rockkonzert. Das Musikbusiness und wie wir Musik konsumieren hat sich durch die Digitalisierung, iTunes, Amazon Music, Spotify etc. komplett verändert. Dennoch hat es noch nie so viele Konzerte und Liveauftritte von Musikern gegeben wie heutzutage. Das liegt daran, dass dieses Liveerlebnis notwendiger ist denn je. Natürlich kann ich mir einen Auftritt von Robbie Williams oder Ed Sheeran in der Royal Albert Hall auch auf YouTube ansehen, aber dieses Erlebnis, dass ich habe, wenn ich tatsächlich vor Ort bin, ist durch nichts zu substituieren und das wird sich auch nie ändern. Ich habe AC/DC 2010 in Wels bei strömendem Regen, Gewitter, im Dreck stehend mit fast 100.000 Menschen gesehen – soviel Wasser kann ich mir gar nicht über den Kopf leeren, wenn ich daheim die CD höre, um auch nur annähernd dieses Erlebnis zu haben. Wir generieren mit Messen Erlebnisse.
LEADERSNET: Aber ist das Thema Messe für junge Menschen überhaupt noch interessant?
Binder-Krieglstein: Ich glaube, dass der Begriff Messe den Jungen wenig sagt. Aber sie strömen in Massen zu Conventions und Festivals. Am Ende ist es also nur eine Frage, welchen Titel ich dem Ganzen gebe. Bei der VIECC ist es so, dass wir von allen Altersklassen umgeben sind. Bei der Vienna Autoshow haben wir eine ganz starke Präsenz von 18- bis 24-Jährigen. Das liegt daran, dass das Auto ein sehr emotionales Thema ist. Überall dort, wo es uns gelingt, Menschen emotional abzuholen, ist die Altersstruktur nebensächlich.
LEADERSNET: Wie schwer ist es, zwei Veranstaltungen in der Größe der Autoshow und der Ferienmesse parallel zu organisieren?
Binder-Krieglstein: Wir haben mittlerweile mehrere Veranstaltungen, die in diese Richtung gehen – auch größenmäßig. Wir haben gesehen, dass die Parallelität von zwei unterschiedlichen Themen die entsprechenden Zielgruppen gleichermaßen abholt und unglaublich befruchtend ist. Eine Ferienmesse ohne Autoshow und eine Autoshow ohne Ferienmesse würde lange nicht so gut gehen. Bei der Modellbaumesse und der Ideenmesse ist es ganz ähnlich. Das Wichtigste ist es, jedes Jahr so spannend und attraktiv zu sein, dass die Besucher gerne wiederkommen. Es ist nicht selbstverständlich, dass 160.000 Leute auf eine Veranstaltung pilgern. Wir arbeiten sehr stark an der inhaltlichen Weiterentwicklung. Das ist wie bei einem Logo. Sie dürfen es nicht zu schnell und zu radikal verändern. Wir unterziehen die Veranstaltungen jedes Jahr einer subkutanen Weiterentwicklung mit vielen kleinen Adaptierungen, damit das Erlebnis für die Besucher noch spannender wird. Eine Ferienmesse heute sieht wahrscheinlich ganz anders aus als die Ferienmesse vor zehn Jahren, weil wir andere Elemente abbilden. Aber für den Besucher hat sich in der Wahrnehmung nur sehr wenig verändert, da wir diese Veränderungen jedes Jahr sehr behutsam vorgenommen haben. Wenn wir uns die Vienna Autoshow ansehen, dann ist es eine der größten und erfolgreichsten Auto-Veranstaltungen im Messebereich in Europa. Wir haben heuer die größte Autoshow aller Zeiten, während bei anderen großen Automessen, wie etwa Frankfurt oder Genf, viele Aussteller storniert haben. Darauf sind wir natürlich stolz.
LEADERSNET: Welche Rolle spielen die Sideevents in diesem Zusammenhang?
Binder-Krieglstein: Ich glaube bei den Publikumsmessen sind wir immer noch sehr stark am eigentlichen Event, da gibt es wenige Sideevents. Aber das wird in Zukunft sicherlich verstärkt kommen, weil es zur Emotionalisierung beiträgt. Bei den Fachmessen ist das bereits jetzt deutlich ausgeprägter. Da gibt es etwa Branchenabende. Wir tendieren dazu, immer mehr in ergänzende Formate zu investieren.
LEADERSNET: Die Autoindustrie befindet sich in eine ihrer spannendsten Phase. Selbstfahrende Autos, alternative Antriebskonzepte oder Carsharing sind nur einige der Schlagworte, die die Diskussion gerade prägen. Welches Thema interessiert Sie in diesem Zusammenhang am meisten?
Binder-Krieglstein: Für mich ist das Zusammenspiel von all diesen Themen das Spannendste. Ich glaube es wird in Zukunft eine Kombination von unterschiedlichen Ansätzen und Technologien geben. Gerade im Bereich Mobilität im innerstädtischen Bereich wird es interessant, was auf uns zu kommt. Die Park & Ride-Angebote nehmen zu – wir haben bei uns in der Messe Wien auch 4.500 Parkplätze, die wir vermieten – weil die Leute vermehrt in den Randgebieten parken. Deshalb wird ein Zusammenspiel aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Carsharing, E-Bikes, E-Scooter usw. immer wichtiger.
LEADERSNET: Wie Sie vorhin richtig erwähnt haben, birgt das Thema Auto einen großen emotionalen Faktor. Was haben Sie persönlich für eine Affinität zum Auto?
Binder-Krieglstein: Ich glaube, da geht es mir so, wie vielen anderen Männern. Man hat eine hohe Affinität zu dem Thema. Es ist bei mir aber auch so, dass diese hohe Emotionalität mit zunehmendem Alter etwas abgenommen hat. Vor 20 Jahren habe ich sicherlich mehr Zeit dafür aufgebracht, mich mit dem Thema Auto zu beschäftigen. Aber die Leidenschaft ist noch immer da – auch wegen Ästhetik, der Technik und dem Design. Aber ich sehe es auch immer mehr in Verbindung mit alternativen Fortbewegungsmitteln. Es gibt Situationen, wo es einfach besser und angenehmer ist, sich zum Beispiel mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen. Wir als Messe sehen ja wieviele Leute beispielsweise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, einfach, weil die Infrastruktur in der Stadt mittlerweile so gut ist. Ich habe eine Leidenschaft für Fortbewegung in jeder erdenklichen Form.
LEADERSNET: Was wird – abgesehen von der Vienna Autoshow – Ihr persönliches Messehighlight 2018?
Binder-Krieglstein: Die Intertool/Smart Automation/C4I im Mai 2018 – die größte Industriemesse Österreichs – wo wir das erste Mal einen messeübergreifenden Showcase präsentieren mit vielen Partnern und wo es für die Besucher viel zu erleben gibt. Es haben uns sowohl Fachmedien als auch Aussteller bestätigt, dass es etwas in der Form bisher noch nie gegeben hat – nicht einmal auf den großen Weltleitmessen.
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