Die United Internet Media ist der exklusive Media-Vermarkter und Dialog-Spezialist für die United Internet Portale GMX, Web.de, mail.com sowie 1&1. LEADERSNET hat sich mit United Internet Media-CEO Rasmus Giese und United Internet Media Austria-Chef Christopher Sima zum Interview getroffen und sich mit den beiden Managern darüber unterhalten, wie sich ihr Unternehmen auf die anstehende Datenschutzverordnung vorbereitet, wie sie es mit der Datenweitergabe an Dritte halten, "krasse Unterschiede" zu Google und die Orientierungsphase von Mediaagenturen unterhalten.
LEADERSNET: Schafft die EU mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der geplanten ePrivacy-Verordnung einen enormen Wettbewerbsnachteil für Europa?
Giese: Wir sehen erhebliche Gefahren für die Internetwirtschaft, daher stellen wir uns eigentlich auf ein Szenario ein, das in etwa dem entspricht, was zum jetzigen Zeitpunkt im aktuellen Entwurf der ePrivacy-Verordnung kommuniziert wird. Das könnte dazu führen, dass bestimmte geschäftliche Entwicklungen, die es in den vergangenen Jahren in der Branche gegeben hat, wieder rückläufig sein werden. Aus diesem Grund gibt es in Deutschland übergreifende Initiativen, um auf die neuen Anforderungen zu reagieren. Gemeinsame Standards schaffen die Basis für neue Geschäftsmodelle, die den Webnutzern gleichzeitig mehr Sicherheit und Hoheit über ihre Daten geben wird. Für den deutschen Markt haben wir hierzu mit der Mediengruppe RTL Deutschland, ProSiebenSat.1 und Zalando eine gemeinsame Log-in-Allianz angekündigt.
Sima: Die meisten Vorteile bietet ein offenes System. Bei unserer Log-in-Allianz können nicht nur einzelne Unternehmen, sondern auch andere Plattformen diese Standards verwenden. Für Nutzer und Wirtschaft ist ein gemeinsamer technischer Standard besser als zahlreiche Insellösungen. Uns sind alle Partner willkommen, die die Initiative stärken.
LEADERSNET: Erwarten Sie sich durch die neuen Regelungen Geschäftseinbußen oder ist es sogar so, dass Sie bestimmte Produkte gar nicht mehr anbieten können?
Giese: Alles was da an Auflagen kommt, wird es sicherlich nicht einfacher machen. Aber wir werden unsere Hausaufgaben gemacht haben, sobald die neuen Spielregeln in Kraft treten.
Sima: Das Zauberwort der Zukunft heißt Permission. Derjenige, der die Einwilligung der Nutzer zur Verwendung der Daten bekommt, kann diese später für wirklich zielgerichtete Werbung einsetzen. Wir als Login-basierter Dienst haben hier sicher einen Vorteil. Wir werden den Usern transparent darstellen, für welchen Use Case wir welche Daten zu welchem Zweck verwenden.
Giese: Mit der Bekanntgabe unserer Allianz haben wir Unternehmen und auch Nutzern die Möglichkeit gegeben, sich frühzeitig mit den möglichen Auswirkungen der DSGVO und der E-Privacy-Verordnung zu beschäftigen. Mit unserem offenen Ansatz wollen wir möglichst viele Akteure zum Mitmachen bewegen. Der Zeitpunkt des Produktstarts lässt sich mit dem Anflug auf eine Landebahn vergleichen: Man darf nicht zu früh und nicht zu spät aufsetzen.
LEADERSNET: Sie sind im Besitz von sehr vielen Daten. Wie heikel ist das Thema Weitergabe der Daten an Dritte für Sie?
Sima: Unsere Daten bleiben bei uns. Unser Targeting-System spielt die Werbung in unserem Universum aus. Dass wir unsere Daten weitergeben, steht nicht zur Diskussion. Es würde unsere Philosophie de facto konterkarieren – gerade in Deutschland, wo wir mit Internet Made in Germany und E-Mail Made in Germany damit werben, dass Daten sicher sind und Mails nicht gelesen und gehackt werden. Auch bei der geplanten Log-in-Allianz verbleiben die Daten immer beim jeweiligen Partner.
LEADERSNET: Das steht also im krassen Gegenteil zu dem, was Google mit Gmail bisher gemacht hat.
Sima: Wenn man liest, dass Google kürzlich gesagt hat, dass die E-Mails vorerst nicht mehr gelesen werden, um Werbung auszuspielen, dann kann man sich ungefähr ausmalen, was die letzten zehn Jahre passiert ist. Aus diesem Grund spielt das Thema Vertrauen bei uns eine zentrale Rolle. Deshalb haben wir auch mit trustedDialog einen Qualitätsstandard für digitale Massenkommunikation, der einen gesicherten, vertrauenswürdigen Dialog zwischen Absender und Empfänger garantiert.
LEADERSNET: Schwenken wir zum Thema Programmatic Advertising um. Wie viel Prozent sind bei Ihnen schon programmatisch und was erwarten Sie sich für eine Entwicklung?
Giese: In Deutschland liegen wir bei etwa 45 Prozent – ein sehr hoher Wert. Davon sind wir hier in Österreich noch etwas entfernt. Wir liegen bei etwa 25 Prozent. Ich erwarte, dass sich dieser Anteil aber in Zukunft erhöhen wird, getrieben durch bessere Technik und zusätzliches mobiles Inventar. Zudem entdecken die Agenturen das Programmatic-Geschäft jetzt sehr stark für sich und deshalb gehe ich davon aus, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft den Anteil von derzeit 25 Prozent auf 50 Prozent steigern werden.
Sima: Ein 50-prozentiger Programmatic-Share in zwei bis drei Jahren ist absolut realistisch. Einer der großen Vorteile von Onlinemarketing liegt darin, dass es sich unmittelbar steuern lässt. Programmatic erhöht diese Möglichkeiten zusätzlich. Zudem können Kampagnen, die durch starke Daten gestützt sind, noch effektiver ausgespielt werden. Das spricht dafür, dass sich das Inventar aus Vermarkter-Perspektive zu einem höheren Preis veräußern lässt.
LEADERSNET: Klassische Mediaagenturen scheinen sich derzeit in einer Phase der Orientierungslosigkeit zu befinden. Können Sie das aus Ihrer Warte bestätigen?
Sima: Teilweise. Der Markt verändert sich weiterhin mit hoher Geschwindigkeit. Am Ende ist es eine Vertrauensfrage, und da schneiden wir sowohl in Deutschland als auch in Österreich bei diversen anerkannten Tests und Checks immer hervorragend ab. Das können auch unsere Kunden bestätigen. Wenn einer aber nicht bereit ist, einen angemessenen TKP zu bezahlen, muss er sich auch nicht wundern, wenn seine Werbung plötzlich auf äußerst fragwürdigen Seiten erscheint. Themen wie Brand Safety waren bei uns schon immer im Fokus. Agenturen schreiben uns plötzlich, dass wir sicherstellen müssen, dass die Werbung nicht auf Seiten wie Breitbart erscheint. Wenn jemand bei uns bucht, muss er das nicht befürchten. Die Werbung erscheint nur auf hochqualitativen Platzierungen auf GMX oder Web.de.
LEADERSNET: Eine Besonderheit des österreichischen Werbemarktes ist die immer noch vorhandene Dominanz von Print. Was in dieser Form einzigartig in Europa ist. Im Gegenzug ist der mobile Bereich noch untermonetarisiert. Wird sich das in naher Zukunft ändern?
Sima: Dass Print in Österreich so stark ist, hat mehrere Gründe. Die private TV-Landschaft hat sich hier nie so heraus geprägt wie in Deutschland. Das liegt auch daran, dass es eben nur acht Millionen Österreicher gibt. Zudem haben die digitalen Angebote die Spielregeln verändert, und die vermehrte mobile Internetnutzung hat diesen Trend nochmals verstärkt.
Giese: In den vergangenen Jahren wurden gelernte Formate vom Big Screen auf den Small Screen gezogen, was mal besser und mal schlechter funktioniert hat. Nur ein relevantes US-Unternehmen hat den Trend zur mobilen Vermarktung bisher so erfolgreich geschafft, den Großteil der Einnahmen auf den Smartphones zu generieren. Auch wir haben in diese Richtung Tests mit unterschiedlichen Formaten vorgenommen. Daraus haben wir die Inbox Ad entwickelt. Das native Format funktioniert auf dem Big Screen und auch auf dem Small Screen. Wir messen die Performance der Anzeigen und haben mittlerweile Kampagnen, die mobil genauso gute Ergebnisse liefern wie am Desktop. Mobile macht mittlerweile mehr als die Hälfte unseres gesamten Inventars aus. Die Vermarktungserlöse sind zwar erst im zweistelligen Bereich, aber wir sind auf einem guten Weg.
LEADERSNET: Ein zentrales Element Ihres Dienstes sind E-Mails. In den letzten Jahren haben aber Messaging-Apps wie WhatsApp stark an Bedeutung gewonnen. Wirkt sich das auf Ihr Geschäft aus?
Giese: Tatsächlich ist es so, dass das E-Mail-Volumen nach wie vor steigt. Unsere Studie „E-Mail für Dich“ hat zudem die große Relevanz der E-Mail für die Nutzer in Deutschland, Österreich und der Schweiz bestätigt. Im Ländervergleich sind die österreichischen E-Mailer auch in Sachen privater Kommunikation im Internet am anspruchvollsten. Davon profitieren wir als Qualitätsanbieter.
Sima: Deshalb funktioniert unser Geschäft auch so gut. Die Abrufe sind da und dadurch haben wir die Chance, die Werbung auszuspielen und die richtigen Zielgruppen damit zu erreichen. Als ich vor mittlerweile acht Jahren bei UIM angefangen habe, war ich der Meinung, dass Messaging-Services der E-Mail schaden könnten. In der Tat ist es aber so, dass sich eben diese Messaging-Services selbst gegenseitig kannibalisieren, die E-Mail als Basisdienst aber einfach bleibt.
www.united-internet-media.de