Zugegeben, ein wenig sperrig und schwierig zu entziffern, diese Art eine Jahreszahl zu schreiben. Aber schließlich plaudere ich hier ja regelmäßig über Themen rund um die Digitalisierung, die unser Leben zunehmend mitbestimmt. Im Jahr 11111100001 bedeutet das einige Neuerungen, wie ich gesehen habe. Da ist zuerst einmal der Gürtel mit Sensor und Bluetooth, der dem Handy meldet, wenn der Umfang wächst. Oder auch der Schuh mit Heizung, der selbsttätig öffnet und schließt – natürlich auch mit Bluetooth. Die Tragik für die weiblichen Schuhfans unter uns: Der Schuh ist vorerst nur in einer Herrenvariante erhältlich. Bei beiden Gadgets ist die Frage, wessen Handy mit dem Ding verbunden ist: „Gürtelalarm" an die Partnerin? Oder von der Partnerin? Selbstverständlich mit automatischem Angebot des neuesten Fitnessprogrammes. Der fernsteuerbare Schuh, Erleichterung für Manche – oder eben auch zum Remote-Strippen. Vorausgesetzt, die Bauform gibt da etwas her.
Nun ja. Ich möchte mir nicht anmaßen, die Erfolgschancen und Potenziale all der schnuckeligen und teilweise witzigen Kleinigkeiten final einzuschätzen. Es sind aber jedenfalls diese Dinge, die primär über viele Medien bei den Menschen landen und so ihr Bild über das digitale Leben stark mitprägen. Was dabei auf der Strecke bleiben könnte, ist eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf uns alle – auf unsere Leben.
So ließ sich etwa zwischen den vielen technophilen Berichten letztens auch eine ernsthaftere Auseinandersetzung finden, in der ein Arbeitsmediziner zu Wort kam. Der Tenor seiner Statements war „Schönreden alleine ist nicht genug, denn das verhindert die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema". Ich teile diese Auffassung, übrigens genauso wie jene, die man etwa so formulieren könnte „Nörgeln alleine ist nicht genug, denn das verhindert die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema". Ein Teilaspekt seiner Gedanken betraf den Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft und lebensbegleitende Bildung bzw. Ausbildung. Der Wandel ist längst Realität: Das deutsche „Jobwunder" fußt zum Großteil auf Zuwächsen in Dienstleistungsbranchen – selbst die hochfahrende Industrieproduktion generiert keine rasanten Arbeitsplatzzuwächse. Es lässt sich lediglich einfacher über die Errichtung eines neuen Werkes oder einen Ausbau berichten, wo punktuell Mengen an Jobs entstehen. Auf der Sozialberufsseite wird eher von „Notstand" gesprochen, wie in der Pflege, anstatt vom „Jobwunder". Woran das liegt? Meiner Meinung nach daran, dass wir wohl dazu tendieren, die großen Themen nicht angreifen zu wollen, wie etwa die Verteilungsfrage.
Bezüglich der „lebensbegleitenden Bildung" gilt aus meiner Sicht, dass sie aus vielen Gründen sinnvoll und notwendig ist. Einer davon ist die Erhöhung der Chancen, auf dem jeweils real existierenden Arbeitsmarkt unter zu kommen. Die Grenzen liegen – da neige ich dazu dem Arbeitsmediziner beizupflichten – wohl aber unter anderem darin, dass nicht alle Menschen plötzlich von der Persönlichkeitsstruktur her entweder „Technologen" oder „Dienstleister am Menschen" sein werden, also das, was am Arbeitsmarkt vermutlich die besten Chancen aufweisen wird. Gleichzeitig lässt sich aus dieser „kritischen Grenze" für mich aber keinesfalls ableiten, dass die lebensbegleitende (Weiter)Bildung ein falscher Weg wäre.
Warum beschäftigen mich diese Gedanken? Nun: wenn die digitale Transformation zum Nutzen der Menschheit beitragen soll, werden kleine nette Konsumartikel alleine nicht genügen. Die vermutlich produktivste Wirtschaft in der Menschheitsgeschichte muss Nutzen für alle Menschen stiften, sonst wird der Sensorgürtel zum zynischen Symbol des Engerschnallens und der Automatikschuh zum Schlag ins Gesicht derer, die nicht einmal konventionelle Schuhe an den Füßen haben. Die großen Begleitfragen müssen diskutiert und Lösungsansätze ausprobiert werden – auf individueller, wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene.
In diesem Sinne wünsche ich nochmals ein Prosit 11111100001!
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