Der Countdown zur Vienna Autoshow 2017 läuft. Am 12. Jänner geht es los und Zero Emissions, Connected Apps, E-Mobilität, Plug-In, Hybridantrieb, On-Board Infotainment, innovative und intelligente Assistenzsysteme sowie autonomes oder teilautonomes Fahren sind die Begriffe und Technologien, die heuer auf der Agenda der dreitägigen Schau in der Messe Wien stehen werden. leadersnet.at hat Günther Kerle, Vorsitzender und Sprecher der österreichischen Automobilimporteure, getroffen und sich mit ihm über die Zukunft der Fortbewegung, IT-Konzerne die auf den Automarkt drängen, das Problem mit den Tageszulassungen und wie das Internet den Autohandel verändert hat, unterhalten.
leadersnet.at: Befinden wir uns derzeit in der aufregendsten Zeit der Automobilgeschichte?
Kerle: Ich denke schon. Vielleicht war es noch etwas interessanter, als die ersten Autos erfunden wurden, aber in den vergangenen Jahren sind sehr viel Veränderungen auf den Weg gebracht worden und wir können uns in den nächsten 10 Jahren auf sehr spannende Zeiten einstellen. Für mich ist der spannendste Aspekt sicherlich das autonome und das teilautonome Fahren. Auch die Vernetzung der einzelnen Fahrzeuge birgt hochinteressantes Potential.
leadersnet.at: Wann denken Sie, werden selbstfahrende Autos eine Selbstverständlichkeit auf Österreichs Straßen sein?
Kerle: Die ersten Testfahrzeuge werden ja bald schon in Österreich unterwegs sein. Ich denke jedoch nicht, dass in den nächsten zehn bis 15 Jahren das komplett autonome Fahren Einzug halten wird. Aber diese Assistenzsysteme, die es bereits gibt, werden Jahr für Jahr verbessert. Ich könnte mir auch vorstellen, dass das teilautonome Fahren – beispielsweise auf Autobahnen – schon in zwei bis drei Jahren an der Tagesordnung stehen könnte. Das Notwendigste ist es auf jeden Fall, die Sicherheit der Fahrzeuge und auf den Straßen weiter zu erhöhen, indem etwa Fehler – die vom Fahrer begangen werden – dank der ausgeklügelten Technik vom Auto ausgemerzt werden, in dem es aktiv eingreift, wenn es erkennt, dass der Fahrer einen Fehler macht.
leadersnet.at: Aber birgt es nicht ein gewisses Risiko, sich einfach auf die Technik zu verlassen?
Kerle: Ja, natürlich. Wie schwierig diese Dinge sind, hat man kurz vor Weihnachten in San Francisco gesehen, wo ein selbstfahrendes Auto des Taxiunternehmens Uber bei Rot über eine Kreuzung gefahren ist und der Fahrer nicht einmal eingegriffen hat. Daran sieht man, dass wir hier noch einen weiten Weg vor uns haben, bis wir der Technik in diesem Bereich blind vertrauen können.
leadersnet.at: Zurück zur Vienna Autoshow: Was dürfen sich die Besucher heuer erwarten?
Kerle: Es werden 40 Autohersteller dabei sein, die rund 400 Fahrzeuge präsentieren werden. Neben dem autonomen Fahren werden die unterschiedlichen Antriebskonzepte eine große Rolle spielen. Es werden beispielsweise Autos mit Wasserstoffantrieb und diverse Konzeptautos zu sehen sein. Es wird auf jeden Fall wieder eine sehr emotionale Ausstellung, weil das Auto als Fortbewegungsmittel Emotionen hervorruft und nicht nur ein Gegenstand ist, der einen von A nach B bringt.
leadersnet.at: Welche Antriebskonzepte werden sich Ihrer Meinung nach mittel- bis langfristig durchsetzen und wird es in absehbarer Zukunft eine komplette Abkehr von fossilen Brennstoffen geben?
Kerle: Die Vereinbarungen sehen vor, dass im Grunde genommen 2050 der gesamte Verkehr vom Erdöl weg ist. Ob das wirklich durchführbar ist, kann ich nicht beurteilen. Es ist auf jeden Fall so, dass sich nicht nur die Politik, sondern die ganze Automobilindustrie, von Diesel und Benzin wegbewegt. Mittelfristig denke ich, dass der Elektromotor die weitverbreitetste Alternative wird. Längerfristig glaube ich aber, dass wir wahrscheinlich eher auf die Wasserstoffschiene kommen werden. Das Problem beim Elektromotor ist ja – und das wird meistens vergessen – dass auch der Strom irgendwo erzeugt werden muss. Es kann ja nicht sein, dass wir die Autos mit Atomstrom antreiben müssen. Deshalb glaube ich einfach, dass Wasserstoff die bessere Variante ist.
leadersnet.at: Denken Sie, dass die klassischen Autobauer diesen Trend ein wenig verschlafen haben und erst seit dem Auftreten von Tesla begonnen haben, in alternative Antriebstechnologien zu investieren?
Kerle: Ich denke das Problem liegt darin, dass es noch nicht ganz klar ist, wo sich die Automobilindustrie langfristig hinbewegen wird. Wenn man sich in der Branche ein wenig umhört, dann glaubt die Mehrheit der Ingenieure, dass das Elektroauto – so wie wir es jetzt kennen – nicht der Weisheit letzter Schluss sein wird. Aus diesem Grund hüten sich die Konzerne auch davor, blind in eine Technologie zu investieren, die mit größter Wahrscheinlichkeit nicht langfristig den klassischen Verbrennungsmotor verdrängen und ersetzen wird. Aber es wurde sicherlich unterschätzt, dass eine Nische für ein Unternehmen wie Tesla besteht. De Facto ist es aber so, dass ein Tesla nur für eine geringe Bevölkerungsschicht erschwinglich ist. Zudem ist der Elektromotor nur dann wirklich sinnvoll, wenn ich grünen Strom tanken kann und das ist derzeit nicht überall möglich. Das wird auch nicht einfacher werden, wenn plötzlich alle Autos mit Strom laufen würden – ganz im Gegenteil. Es kommt dann vielleicht weniger CO2 aus dem Auspuff der Autos raus, aber insgesamt wird der CO2-Ausstoß nicht reduziert, da bei der Stromproduktion entsprechend mehr produziert werden würde.
leadersnet.at: Es drängen immer mehr IT-Konzerne wie Google oder Apple in den Automarkt. Welche Auswirkungen wird diese Entwicklung haben?
Kerle: Es gibt eine sehr interessante Studie über das autonome Fahren, die sagt, dass die Softwarehersteller am meisten davon profitieren werden. Aber nicht weil sie ein komplettes Auto bauen, sondern weil sie ihr Know-How in den Gebieten haben, die für das autonome und teilautonome Fahren wichtig sind.
leadersnet.at: Was denken Sie, werden in den kommenden zehn Jahren die größten Herausforderungen für die Automobilbranche sein?
Kerle: Die größte Herausforderung ist sicherlich der Wechsel zu alternativen Antrieben. Da geht es aber nicht nur darum, dass ich einen anderen Motor ins Auto einbaue, sondern auch um die Veränderungen im After-Sales-Bereich. Diese werden ebenfalls gravierend sein. Der Service wird ein ganz ein anderer sein. Es wird beispielsweise keinen Ölwechsel mehr geben.
leadersnet.at: Der Individualverkehr hat in den vergangenen 100 Jahren eigentlich stetig zugenommen und war eine wichtige Säule des Fortschritts in der westlichen Welt – sowohl wirtschaftlich wie auch sozial. Der jüngste Trend geht aber – vor allem im urbanen Raum – dahin, diesen Individualverkehr wieder zu reduzieren. Ich nehmen an, dass Sie als Vertreter der Automobilindustrie, nicht besonders glücklich darüber sind.
Kerle: Ich glaube, dass es in Zukunft in den Städten sicher Konzepte geben muss, dass sowohl der öffentliche, als auch der Individualverkehr funktionieren und sich ergänzen müssen. Aber die Art und Weise, wie beispielsweise derzeit in Wien Verkehrspolitik gemacht wird, das finde ich nicht ok. Ich kann nicht einfach sagen, die Pendler dürfen nirgends mehr parken. Die müssen auch irgendwie in die Arbeit kommen, deshalb brauche ich Konzepte, um die Pendler aufzufangen. Wenn die öffentlichen Verkehrsmittel extrem ausgebaut werden, dann kann auch der Individualverkehr reduziert werden. Das wird sicherlich auch die Zukunft sein. Dennoch ist es aber so, dass beispielsweise Familien immer auf ein eigenes Auto zurückgreifen wollen, wenn sie etwa einen Wochenendausflug oder große Einkäufe machen wollen.
leadersnet.at: Wie hat sich die Neuregelung der NoVa und der Dienstwagenbesteuerung ausgewirkt?
Kerle: Die NoVa hat keinerlei Auswirkungen gehabt. Sie verteuert zwar alles, aber es ist nicht so, dass dadurch nur noch kleine Autos und Elektrofahrzeuge verkauft werden. Was aber sehr wohl funktioniert, ist die Regelung für Dienstfahrzeuge als auch die Unterstützung für Elektroantriebsfahrzeuge. Beides zusammen hat es für Firmen lukrativ gemacht auf Elektrofahrzeuge zu setzen.
leadersnet.at: Wie bewerten Sie den Trend zu immer mehr Tageszulassungen?
Kerle: Ich sehe das total negativ, aber glücklicherweise hat sich der Trend in 2016 bereits wieder zurückentwickelt. Die Tagesanmeldungen sind nicht nur in prozentual sondern auch in Stück weniger als im Vorjahr. Ich würde es begrüßen, wenn diese strategischen Anmeldungen auch in Zukunft weniger werden würden. Dann hätte man auch einen etwas objektiveren Blick auf den Markt. Derzeit ist er aufgrund dieser Tageszulassungen doch stark verfälscht.
leadersnet.at: Wie hat sich die Position der Autohändler durch das das Internet geändert?
Kerle: Eigentlich würde man glauben, dass sich der Kunde ein neues Auto übers Internet kauft. Aber tatsächlich ist es so, dass vor allem der Gebrauchtwagenhandel online boomt. Dennoch gibt es auch Auswirkungen auf den Neuwagenhandel. Selbst in so einem kleinen Land wie Österreich hat es immer sehr große Unterschiede in der Preisgestaltung gegeben. Früher waren die Rabatte in Wien immer höher als etwa in Vorarlberg. Das Internet hat dazu geführt, dass auch der Vorarlberger weiß, zu welchem Preis er das gleiche Fahrzeug in Wien kaufen könnte. Dadurch hat sich mehr Druck auf den Autohandel aufgebaut. Für die Zukunft wird es wichtig sein, dass der Autohandel erkennt, dass er noch stärker beraten muss. Das wird auch wichtig im Hinblick auf die nächste Generation an Fahrzeugen, mit den vielen elektronischen Chips, dem teilautonomen Fahren und den verschiedenen Antriebskonzepten. Es kann nicht sein, dass der Kunde, so wie es derzeit oft der Fall ist, mehr über das Auto weiß, als der Verkäufer.
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