Neulich auf der (Daten-)Autobahn

In ihrer monatlichen Kolumne, wirft Valerie Höllinger, GF BFI Wien, einen unerwarteten Blick auf aktuelle Fragen der Digitalisierung. Heute: Warum auf der digitalen Autobahn andere Regeln gelten als auf der analogen.

Waren Sie in letzter Zeit auf einer Autobahn unterwegs? Ich ja – übrigens mit einem Elektroauto – aber das ist eine andere Geschichte. Ich bin morgens los gefahren, zuerst noch durch die Stadt, dann die Auffahrt. Anders als die Tage davor sehe ich plötzlich eine Art Mauthäuschen und einen Schranken. Das ist neu. Verwundert bremse ich ab, bleibe vor dem Schranken stehen. Aus dem Mauthäuschen tritt eine uniformierte junge Dame – sie kommt freundlich lächelnd an mein Wagenfenster, das ich mittlerweile geöffnet habe. „Grüß Gott, darf ich Sie um einen amtlichen Lichtbildausweis ersuchen?“ – und da fällt es mir ein: Es war ja sogar in den Medien: Der EuGH hat aufgrund des Risikos von Straftaten bei der Benutzung von Autobahnen – aktuell insbesondere Schlepperei – dem Straßenbetreiber empfohlen, dass jeder Nutzer der Autobahn bei jeder Fahrt zuerst seine Identität nachweisen muss. Darin soll ein sinnvoller Ausgleich zwischen den Interessen der Kriminalitätsbekämpfung und der „freien Fahrt“ liegen. Außerdem kann so der Autobahnbetreiber auch rechtlich völlig sichergehen, im Falle des Falles nicht mitverantwortlich gemacht zu werden.

Endlich wache ich auf. Die gute Nachricht: Die Geschichte war nur ein Traum, zum Glück.

 Man stelle sich vor, er wäre Wirklichkeit. Die Medien wären voll und die entsprechenden Interessenvertretungen würden ihre Mitglieder mobilisieren: Freie Fahrt, Eingriff in die Privatsphäre, Datenschutz, Behinderung des Rechts auf Mobilität, etc. etc. All das würde tage- und wochenlang die Schlagzeilen beherrschen.

 Die schlechte Nachricht: Der Traum fußt auf einem „Tagesrest“, wie es die Psychologen nennen. Es ging in Wirklichkeit nicht um die Autobahn, sondern um die „Datenautobahn“. Um Netzzugang via Gratis-WLANs. Ich möchte es hier nicht juristisch exakt beleuchten, aber es ging um Folgendes: Der EuGH sollte klären, ob ein Betreiber eines kostenlosen WLANs für illegale Downloads mitverantwortlich gemacht werden kann. Das wurde verneint. Aber der EuGH regte an, dass der Zugang zu Gratis-WLANs immer durch ein Passwort abgesichert sein muss, das man nur gegen Identifikation erhält. So soll ein Interessenausgleich zwischen Urheberrechtsinhabern und Netznutzern gewährleistet werden.

Die seltsame Idee stieß in den Medien kurz auf Kritik. Sehr kurz. Und oft an wenig sichtbarer und daher gering beachteter Stelle.
Ich finde aber, das Thema verdient Aufmerksamkeit. Es geht dabei in keiner Weise darum, in das moderne populistische EU-Bashing einzustimmen. Es geht unter anderem um die Frage, warum – wie in meinem Beispiel – in der digitalen Welt offenbar andere Regeln gelten sollen als in vergleichbaren Vorgängen in der „analogen“. Beispiele wie das von mir erzählte zeigen, wie schwer sich die Gesetzgebung damit tut, mit den vielen neuen Themen und Herausforderungen Schritt zu halten und wie dringend notwendig es wäre, frühzeitig und vorausschauend rechtliche Vorkehrungen für das digitale Zeitalter zu treffen.

Haben Gesetzgeber eine digitale Agenda?

 Wir sehen in vielen Studien, dass viele Unternehmen noch keine „digitale Agenda“ haben. Ich möchte die Frage ausweiten: Haben die Gesetzgeber eine „digitale Agenda“? Wird auf der Gesetzgebungsebene schon verstanden, was auf uns zukommt? Wie sieht es aus mit Disruption und Wettbewerb? Wie soll Wissen künftig unbürokratisch verteilt werden und gleichzeitig die Rechte von Urhebern entsprechend gewahrt bleiben? Etc.

 Ich kann das Thema hier nur oberflächlich streifen. Es verdient jedenfalls mehr öffentliche Aufmerksamkeit und eben, eine „digitale Agenda“ auf Gesetzgebungsebene. Unsere Position im internationalen Wettbewerb wird sich auch daran entscheiden.

 Sie haben spannende Themen zum Spannungsfeld der Digitalisierung, die Sie mit uns teilen möchten? Lassen Sie uns darüber diskutieren. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften unter geschaeftsfuehrung@bfi.wien


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