Digital(k) – Warum die „digitale Schadenfreude“ unangebracht ist

In ihrer monatlichen Kolumne, wirft Höllinger, GF BFI Wien, einen unerwarteten Blick auf Fragen der Digitalisierung. Heute: Warum der Nationalrat mit einer unscheinbaren Entscheidung das Innovationsklima nachhaltig verändern kann.

Was vor wenigen Wochen angekündigt wurde hat vergangenen Donnerstag durch den Nationalrat grünes Licht bekommen: Testfahrten von selbstfahrenden Autos werden in Österreich ermöglicht. Seit vielen Monaten berichten die Medien über die bahnbrechende Entwicklung selbstfahrender Autos. Tesla und Google sind die Vorreiter einer Entwicklung, die in Teilen längst Einzug in die automobile Praxis gefunden hat. Seit Jahren sind Modelle auf dem Markt, die Tempo und Abstand selbstständig regeln und die Fahrspur selbstständig halten können, genau wie Modelle, die bestimmte Fahrmanöver autonom durchführen können, wie z.B. das Einparken. Automobilhersteller arbeiten unter anderem an automatischem Kolonnenfahren, bei dem nur noch das Führungsfahrzeug lenkergesteuert ist.

Teilweise unauffällig – in Form von Assistenzsystemen – teilweise spektakulär – als „Roboterautos ohne Lenkrad“ – hält eine digitale Technologie unaufhaltsam Einzug in unsere Wirklichkeit, verbunden mit vielen Fragen, wie z.B. jenen rechtlicher Natur. Die Potenziale dieser Entwicklung sind enorm, es lassen sich ganze Verkehrskonzepte neu denken, sowohl im Personenverkehr als auch in der Güterlogistik. In letzterer sind autonome Fahrzeuge übrigens z.B. in Containerhäfen längst erfolgreich unterwegs.

Nagelprobe hinsichtlich „Innovationsklima“

Bei näherer Betrachtung also eine gar nicht so junge Idee, die sogar längst in Teilen umgesetzt ist.

Damit steht die Gesellschaft aber auch vor einer Nagelprobe hinsichtlich „Innovationsklima“: Die Technologie kann chancenorientiert betrachtet werden, der Komfort und die Sicherheit erhöht werden, neue Geschäftsmodelle entstehen – die auch Bestehendes in Frage stellen, wie z.B. die Notwendigkeit des eigenen Fahrzeuges, in einer Ausprägung, die über aktuelle Carsharingmodelle weit hinaus geht.

Gleichzeitig wecken teilweise tragische Zwischenfälle, wie der Tesla-Unfall vor kurzem so etwas wie „digitale Schadenfreude“ nach dem Motto: „Da sieht man es wieder, kaum gibt man etwas in die Hand von Maschinen, passieren Unfälle.“ Der gelernte Skeptiker und Technologiefeind übersieht dabei, wie die statistischen Wirklichkeiten aussehen – noch immer sind es menschliche Fehlverhalten, gerade im Straßenverkehr, die Hauptursache für Unfälle, Schäden und menschliches Leid sind.

Es wird wahr bleiben: auch die neuen Technologien werden nicht völlig fehlerfrei funktionieren, aber der vordergründig spektakuläre Charakter von „Roboterunfällen“ darf den Blick auf die enormen Potenziale dieser Innovation nicht verstellen und schon gar nicht den auf die statistischen Realitäten bezüglich Risiken.

Wir haben also die Wahl: Fokus auf Problemberichte und „digitale Schadenfreude“ oder Fokus auf Chancen und Potenziale, teilhaben an den Möglichkeiten der neuen Technologie und Beispiele für sinnvolle Innovation fördern.

Ich denke, der Nationalrat hat eine wesentliche Einzelentscheidung getroffen, die hohen Symbolcharakter hat für das Innovationsklima in unserem Land.

Sie haben spannende Themen zum Spannungsfeld der Digitalisierung, die Sie mit uns teilen möchten? Lassen Sie uns darüber diskutieren. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften unter geschaeftsfuehrung@bfi.wien

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