LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Jäger. Sie sind der Vorstand vom Flughafen Wien. Verraten Sie uns, worauf dürfen wir beim Wiener Flughafen besonders stolz sein - was ist das Markenversprechen vom Vienna Airport?
Julian Jäger: Unser Versprechen ist es, all unseren Gästen am Flughafen sowohl eine hohe Servicequalität als auch Kundenorientierung und Zuverlässigkeit zu bieten. Schließlich wollen wir zu den Flughäfen in Europa gehören, bei denen Pünktlichkeit garantiert ist, es die wenigsten Flugausfälle gibt und eine hohe Aufenthaltsqualität geboten wird. Und das haben wir dieses Jahr auch geschafft. Von Jänner bis April waren wir der pünktlichste Flughafen Europas und das bei 25 Millionen Passagier:innen.
LEADERSNET: Wem gehört der Wiener Flughafen und was macht ihn für den Wirtschaftsstandort Österreich so essenziell?
Jäger: Der Flughafen Wien hat eine sehr interessante Eigentümerstruktur. Wien und Niederösterreich, denen jeweils 20 Prozent gehören, agieren hier in einem Syndikatsvertrag sozusagen gemeinsam. Zehn Prozent gehören den Mitarbeiter:innen, d.h. sie sind direkt am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Außerdem gehören 44 Prozent dem australischen Pensionsfonds IFM und weitere sechs Prozent sind an der Börse.
Zum Thema Wirtschaftsstandort: Ich glaube, ein großer Flughafen mit vielen Flugverbindungen ist immer essenziell für einen Wirtschaftsstandort. Wir haben noch viele Headquarters, Pharmakonzerne sowie produzierende Unternehmen in Wien und der Region, die möglichst viele Direktverbindungen wollen. Das können wir mit unserem Netzwerk bieten. Zusätzlich spielt der Frachtentransport eine Rolle. Also zusammenfassend kann man sagen, die Kombination aus Netzwerk der Austrian Airlines am Standort, viele Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, vermehrte Langstreckenverbindungen auch von anderen Airlines und die Frachthalle macht den Flughafen Wien essenziell für Österreich als Wirtschaftsstandort.
LEADERSNET: Internationaler Logistikumschlagplatz versus touristischen Hub für Endkunden – wie passt das zusammen?
Jäger: Die Schnittmenge heißt Langstreckenflüge. Diese rechnen sich nicht nur mit Passager:innen, sondern auch mit der Fracht, die im sogenannten "Belly" transportiert wird. Diesbezüglich haben wir eine exzellente Kooperation mit den koreanischen Frachtenfliegern Korea Air und Asiana. Sie fliegen insgesamt mehr als zweimal täglich an den Standort. Aktuell sind wir bei der Luftfracht über dem Vorkrisenniveau. An dieser Stelle möchte ich aber betonen, es geht nicht um die Menge bei der Luftfracht, sondern um den Wert. Je wertiger die Güter sind, desto eher werden sie über Luftfracht angeliefert.
LEADERSNET: Der Flughafen Wien hat sich zur Vienna Airport City entwickelt – welche Geschäftsfelder werden heute bedient und wer findet alles am Flughafen seinen Arbeitsplatz?
Jäger: Wir versuchen über abseits des eigentlichen Kerngeschäfts, wo wir das meiste Geld verdienen, den Flughafen als echte Stadt zu entwickeln. Über das reine Fluggeschäft hinaus bringen wir also Menschen an den Standort, weil wir unter anderem attraktive Büroflächen und ein Konferenzzentrum anbieten, aber auch anderen Service. Insgesamt haben wir 5.500 Mitarbeiter:innen hier als Flughafen Wien AG und mehr als 20.000 am Standort.
LEADERSNET: Mit 170 Destinationen, die man momentan von Wien aus anfliegen kann, hat man internationale Relevanz erreicht. Welche Zukunftsvisionen stehen am Programm?
Jäger: Ich bin sehr optimistisch, dass es uns in den nächsten fünf Jahren gelingen wird, noch weitere Logistikfirmen an den Standort zu bringen, sodass dieser als Bürostandort weiterwachsen wird. Auch mit Blick auf die Passagier:innen wollen wir weiterwachsen. Derzeit rechnen wir mit rund 30 Millionen Passagieren für 2024, es könnten aus heutiger Sicht aber auch mehr werden. Insgesamt ist der Ausblick sehr positiv.
Was mir aber in der europäischen und österreichischen Debatte abgeht, ist die Wertschätzung der Luftfahrt als Entwicklungsmotor für die Wirtschaft einer Region. Weltweit sagen alle Prognosen, dass die Nachfrage nach Flügen deutlich steigen wird. Besonders in Ländern wie Indien oder Südamerika ist die Luftfahrt ein wichtiger Faktor zur Steigerung des Wohlstands. Dort werden auch noch Flughäfen gebaut und viele Flugzeuge bestellt.
In Europa und den USA ist dieser Trend schwächer, weil hier schon sehr viel geflogen wird. Dennoch wird der Flugverkehr auch bei uns steigen, weshalb es wichtig ist, hier auf CO₂-neutrale Kraftstoffe zu setzen. Der große Vorteil ist, dass weder die Infrastruktur noch die Flugzeuge verändert werden müssen, sondern genauso weiter genutzt werden können. Wir brauchen nur viel CO₂-neutralen Strom, um hier Sustainable Aviation Fuels zu produzieren.
LEADERSNET: Stichwort: Innovationen und Nachhaltigkeit! Was müssen wir tun, um auch in Zukunft Lebenslust und Wohlstand genießen zu können?
Jäger: Unser Flughafenbetrieb ist seit 2023 CO₂-neutral. Das ist aber nur ein Schritt. Wir wollen bis 2033 Net Zero erreichen, d.h. dass wir sozusagen überhaupt kein CO₂ mehr produzieren. Als Flughafen muss man natürlich unterscheiden – wir wissen, dass wir ein Teil des Problems sind. Aber wir vom Wiener Flughafen sind stolz darauf, dass wir zum einen mehr als 50 Prozent des Stroms, den wir am ganzen Standort verbrauchen, selbst über die inzwischen zweitgrößte Photovoltaik-Anlage in Österreich erzeugen. Und zum anderen haben wir den CO₂-Ausstoß in den letzten zehn Jahren drastisch reduziert. Das Letzte, was wir noch verändern müssen, sind die Spezialgeräte, die wir am Vorfeld verwenden, da es zum Teil einfach noch keine Elektrofahrzeuge gibt, die konkurrenzfähig sind. In der gesamten Luftfahrt gibt es die Ambition, bis 2050 CO₂-neutral zu sein. Die gute Nachricht ist, dass die technischen Möglichkeiten vorhanden sind – Stichwort Sustainable Aviation Fuels. Auf EU-Ebene gibt es eine Verpflichtung in den nächsten Jahren immer mehr CO₂-neutrale Kraftstoffe beizumengen. Die Herausforderung ist dabei die Produktion dieser Kraftstoffe. Aber technisch ist es möglich. Es wird in den nächsten Jahren nur viel Investment geben müssen. Ich blicke da aber optimistisch in die Zukunft, dass es gelingen wird.
LEADERSNET: Was wünschen Sie sich von der Branche, von Ihren Kund:innen, von Ihren Mitarbeiter:innen, aber auch von der Politik?
Jäger: Von der Politik wünschen wir uns stabile Rahmenbedingungen. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass der Kurs nicht laufend geändert wird. Wir wollen keine zusätzlichen Belastungen, brauchen dafür aber auch keine Unterstützung. Mit unseren Mitarbeiter:innen bin ich ausgesprochen zufrieden. Da wünsche ich mir nur, dass dieser Elan und Ehrgeiz sowie die Freundlichkeit im Umgang mit den Kund:innen so bleibt, wie er ist. Von den Gästen wünschen wir uns natürlich, dass sie weiterhin so zahlreich den Flugverkehr frequentieren wie bisher. Wir haben aktuell mehr als 100.000 Passagier:innen jeden Tag und rechnen mit mehr als drei Millionen im Juli, August und September.
LEADERSNET: In Anbetracht der vielen Herausforderungen und wirtschaftlichen Veränderungen stellt sich die Frage: Dürfen wir uns auf die Zukunft freuen oder müssen wir diese mit großem Respekt erwarten?
Jäger: Ich glaube, in Europa und in Österreich müssen wir wieder lernen, dass wir uns vor der Zukunft nicht fürchten müssen. Wir müssen nur gemeinsam daran arbeiten, dass sie besser wird als die Gegenwart und die Vergangenheit. Natürlich dürfen wir die Augen nicht vor geopolitischen Gefahren verschließen. Wir haben aktuell Krieg in der Ukraine und in Gaza. Ich denke oft an die vielen Passagier:innen, die wir aus Russland, der Ukraine, Weißrussland, Israel oder Amman hatten. Die sind aktuell nicht da. Wir müssen die Situation ernst nehmen. Aber letztendlich geht es darum, dass wir gemeinsam daran arbeiten, unseren Kindern eine bessere Welt zu hinterlassen. Und wir sollten weniger Angst davor haben, dass alles furchtbar wird. Denn Angst lähmt. Im Endeffekt kommen wir nur voran, wenn wir alle gemeinsam Einfluss nehmen und unsere Umgebung sowie Arbeitsplatz so positiv wie möglich gestalten.
Das gesamte Interview mit Julian Jäger hören Sie im LEADERSNET-Podcast.
www.viennaairport.com
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