Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Das Wesen der NGOs

| Redaktion 
| 02.06.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Sehr geehrte Leser:innen, fällt Ihnen auch auf, dass sich sowohl bei lokalen Themen, aber auch aktuell bei großen Wahlkämpfen, immer wieder einzelne Menschen zu Wort melden und ihre Meinung (mehr oder weniger friedlich) kundtun, die wir aber nicht unmittelbar zuordnen können? Meist lautet der Hinweis, dass es sich um eine:n Vertreter:in einer NGO, also einer "Non-Governmental Organisation" ("Nichtregierungsorganisation") handelt. Ergänzt wird diese Aussage durch die Information, dass viele NGOs wertvolle Arbeit bei der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit, von Menschenrechten und der Demokratie leisten. Das würde ich zu einem Gutteil sogar mitunterschreiben, und halte NGOs mit den genannten Schwerpunkten auch für wichtig. Worauf ich jedoch – wie aber leider viele gutgläubige Menschen – nicht verfalle ist, dass jemand, der behauptet, Teil einer NGO zu sein, damit automatisch zu den "Guten" gehöre und in allem recht habe. Davon losgelöst ist für mich allerdings noch immer nicht beantwortet, was eine NGO eigentlich ist und welche NGOs zu den vorhin genannten Schwerpunkten beitragen.

Auch eine längere Suche hat hier leider keine zufriedenstellende Definition hervorgebracht, ebenso wenig gibt es irgendwo eine Liste aller NGOs in Österreich, die man einfach abrufen könnte. Zurück zur eigentlichen Frage. Die vielfach verwendete Definition beschreibt NGOs als "prinzipiell alle Verbände oder Gruppen, die gemeinsame Interessen vertreten, nicht gewinnorientiert und nicht von Regierungen und staatlichen Stellen beeinflusst sind." Das, meine geneigten Leser:innen, kann nun aber wirklich alles sein… Meines Erachtens gehören nach dieser Definition vor allem eigentlich die "klassischen Interessenverbände" wie die IV, BDI oder auch Unternehmensinteressenvertretungen dazu, die klar und transparent handeln und auch zu finden sind. Die meisten Menschen würden diese aber eben – leider – nicht zu den NGOs zählen. Nun aber zurück zu meiner Suche. Zum Thema Umweltorganisationen konnte ich dann doch eine Liste von Organisationen in Österreich finden, die durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie veröffentlicht wurde. Diese dort aufgeführten Organisationen dürfen nach § 19 Abs 7 UVP-G 2000 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben, wenn für ein Vorhaben eine Behörde keine Umweltverträglichkeitsprüfung feststellt.

Klarheit bei Spendenverwendung

Nun sind aber Umweltorganisationen nicht die einzigen NGOs, es gibt noch eine Reihe anderer Themenfelder, die bearbeitet werden – Menschenrechte, Kinder und Jugendliche, ältere Personen, Frauenrechte, Armutsbekämpfung, Bildung, Gesundheit, Tierwohl/-schutz, globale Wirtschaft, internationale Entwicklung und viele, viele mehr. Die NGO-Datenbank der Seite spendeninfo.at umfasst allein für Österreich 208 Einträge aus den unterschiedlichsten Bereichen. Vergessen wir, wie ich eingangs schon aufgeführt habe, aber auch nicht, dass klassische (transparente) Verbände und Unternehmen per definitionem auch unter NGO fallen können, welche aber nicht den oben beschriebenen Vertrauensvorschuss genießen, auch wenn sie in einem Transparenzregister geführt werden. Apropos Transparenz, das Spendengütesiegel kann auch dabei helfen, zumindest in Hinblick auf die Spendenverwendung Klarheit zu erlangen – wer dieses tragen will, muss sich einer strengen Kriterienüberprüfung unterziehen.

Auch meine weiteren Anstrengungen führten zu keiner klareren Definition oder klaren Übersicht. Vielleicht bin ich als Rechtsanwalt an dieser Stelle ein wenig paranoid, aber mich würde schon auch interessieren, wie eine NGO organisiert ist (auch rechtlich), wer die Verantwortlichen sind, gegen wen u. U. Klage erhoben werden kann, was mit den eingenommenen Geldern geschieht und wofür jede einzelne Organisation eigentlich steht. Meine Recherchen waren zwar nicht ausufernd, aber ich konnte jedenfalls in Erfahrung bringen, dass zumindest bei den Landesorganisationen z. B. von Global 2000 oder Greenpeace auffindbare Informationen zu Ansprechpartner:innen, Jahresabschlüssen und weiteren Themen existieren. Diese entsprechend zwar nicht unbedingt den Anforderungen, wie sie an Unternehmen gestellt werden, aber es geht in die richtige Richtung. Greenpeace International etwa ist als Stiftung organisiert, mit Hauptsitz in Amsterdam, wohingegen es bei der Greenpeace Foundation auf Hawaii schon etwas diffuser wird. Und es gibt sicherlich noch einige mehr dieser Gruppen, die sich NGOs oder Organisationen nennen, die diesen – wenn auch limitierten – Anforderungen ganz gut entsprechen. So soll es auch sein.

Undurchsichtige Vorgehensweise 

Es entsteht aber wegen dieser vielmals undurchsichtigen Vorgehensweise der Eindruck, dass NGO als Bezeichnung vielfach als Buzzword benutzt wird, um den Eindruck des Rechthabens und Rechtschaffens zu erwecken. Dabei spielt solchen Organisationen oftmals in die Hände, dass die allgemeine Politik- und Institutionsverdrossenheit dazu führen, lieber jemandem zu glauben, der das Wort "Nichtregierung" in seiner Bezeichnung führt, selbst wenn unklar und intransparent gehandelt wird. Das ist nur leider schlichtweg falsch, schadet aber mittel- bzw. langfristig vor allem den transparent und ernsthaft arbeitenden NGOs.

Um Transparenz herzustellen, bedarf es meiner Ansicht nach, wie oben schon angeschnitten, zumindest den Zugang zu folgenden Informationen:

  • Wie ist die NGO (auch rechtlich) organisiert?
  • Wer ist haftbar/verantwortlich?
  • Wer steckt hinter der NGO?
  • Welche konkreten Projekte verfolgt die Organisation?
  • Wie finanziert sich die Organisation (Buchhaltung/Abschlüsse)?
  • Gibt es einen Kodex, nach welchem gearbeitet wird?

Dies sind weit weniger Ansprüche an Informationen, die von den meisten NGOs an Unternehmen oder Regierungen gestellt werden, die aber meiner Ansicht nach notwendig sind, um die Glaubwürdigkeit einer NGOs herzustellen, sodass sie ihre Rolle in der Demokratie erfüllen können. Ob es einem nun gefällt oder nicht, die können nur einheitliche Definitionen und rechtlich festgelegte Rahmenbedingungen herstellen.

Eine solche Handhabung würde es Unternehmen auch erleichtern, NGOs zu unterstützen, was manche zwar kategorisch ablehnen, andere wiederum jedoch gerne annehmen und dies auch transparent kommunizieren. Bei JTI Austria hat soziale Verantwortung und damit die Unterstützung von NGOs eine lange Tradition. Das ist schon seit der Gründung der Austria Tabak vor 240 Jahren durch Kaiser Joseph II. so, dem vor allem die Armenfürsorge und die damit verbundene Errichtung von Armenhäusern und -spitälern ein großes Anliegen war. Eine klarere Reglementierung und Offenlegung könnte demnach viele Türen für mehr wohltätige Arbeit, aber vor allem zur Unterstützung von Demokratiebestrebungen öffnen, allein deshalb sollte es zumindest eine Überlegung wert sein.

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