Der österreichische Bildhauer Markus Hofer verwandelt Alltagsgegenstände in Kunstwerke

| Gerhard Krispl / LEADERSNET-ART Herausgeber 
| 21.11.2023

Der Bildhauer demonstriert die Absurdität von Alltagsgegenständen. Sie werden neu gedacht und lustvoll verfremdet.

Für Hermès gestaltete Markus Hofer unter dem Titel "Thinking About Things" im Maison Hermès Shanghai Schaufenster, in Australien zeigte er großformatige Skulpturen im Rahmen von „Sculpture by the Sea" und 2018 aus Anlass des österreichischen EU-Ratsvorsitzes gemeinsam mit Brigitte Kowanz und Lois Weinberger Installationen im Brüsseler Tournay-Solvaypark. Seine prägnanten Objekte waren darüber hinaus Teil der Ausstellung "A.E.I.O.U., L'arte austriaca nella Collezione Würth" in Capena, Italien und 2018 in der Ausstellung zum 250. Jubiläum der Londoner Royal Academy. Markus Hofer ist international gefragt. Sein Atelier befindet sich im dritten Wiener Gemeindebezirk. Ebendort haben wir ihn für ein Gespräch besucht.

Markus HoferMarkus Hofer, A perfect way to waste time, 2023 ©Foto: Markus Hofer

Ort, Zeit und Material sind zentrale Themen im Werk des österreichischen Bildhauers Markus Hofer. Der 1977 in Haslach geborene Künstler studierte bei Erwin Reiter an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz, bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien sowie an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee bei Berndt Wilde. "Seit jeher stand die Skulptur im Fokus meiner Arbeit", so Markus Hofer. "Die räumliche und körperliche Begegnung mit dem Kunstwerk ist für mich ein wesentlicher Aspekt. Es besteht stets die Möglichkeit, sich um das Objekt herumzubewegen. Wenn man nur leicht den Standpunkt ändert, ergibt sich ein völlig anderer Blick." Form- und Sinnanalogien spielen in seinen Werken konsequent eine zentrale Rolle. Ausgangspunkt sind dabei oft Gegenstände, die uns aus dem Alltag vertraut sind. "Vieles, das die Zeit überdauert oder uns ein Wissen über die Vergangenheit vermittelt, sind Objekte. Sie sind geprägt durch den jeweiligen sozialen und kulturellen Hintergrund und sagen daher etwas über die Zeit aus, in der sie entstanden sind." Die Gegenstände, die Markus Hofer als Ausgangsbasis für seine Objekte verwendet, sind Dinge, die wir im Alltag benutzen, die uns eine Art Infrastruktur für das Dasein liefern. Wir nehmen sie jedoch nicht mehr bewusst wahr und betrachten sie schon gar nicht von einem formal-ästhetischen Gesichtspunkt aus. Hier setzt Markus Hofer mit seiner künstlerischen Arbeit an und konfrontiert den Betrachter mit banalen Dingen wie Gartenschläuchen, Sesseln, Tellern oder Ofenrohren. Im Spannungsfeld zwischen individueller und allgemeiner Wahrnehmung werden die Gebrauchsgegenstände von Markus Hofer neu gedacht und lustvoll verfremdet. An der Grenze zwischen Kunst und Alltäglichkeit evoziert er stets einen kurzen Augenblick des Innehaltens, weil wir irritiert sind, den uns bekannten Gegenstand in einem veränderten Kontext zu begegnen. Einmal lässt er Farbe aus einem Wasserhahn in ein Becken rinnen und betitelt dies mit "Wasserfarbe" oder setzt das Wort "Farbfotografie" mittels einer Kamera um, aus der ebenfalls Farbe rinnt. Durch Wort- und Begriffsfindungen und durch ein Zusammenfügen mehrerer Materialien interpretiert Hofer die Dinge unseres Lebens völlig neu – zuweilen auch wortwörtlich.

Markus HoferMarkus Hofer, Die Bassena (türkis), 2021 und Kaskade (gelbgrün), 2023 ©Fotos: Markus Hofer

Die Grenzziehung zwischen Kunst und Alltagsgegenstand ist dabei vielfältig. "Es gibt auch Objekte," so der Künstler,"aus denen ich ursprünglich ein Kunstwerk machen wollte, sie jedoch dann doch nicht verwende, weil sie in der heutigen Zeit nicht mehr allgemein lesbar sind. Beispiele sind etwa das Standtelefon oder auch die Telefonzelle, aus der ich vor einigen Jahren noch die Arbeit "Nasszelle" entwickelt habe. Das sind jedoch Dinge, die in ein bis zwei Generationen nur mehr schwer dechiffrierbar sind. Auch der Flaschentrockner von Marcel Duchamp ist heute ein Gegenstand, der nicht mehr verwendet wird und daher als abstraktes Kunstwerk gelesen wird. Der damals bahnbrechende Akt des Künstlers, einen Alltagsgegenstand zum Kunstwerk zu erheben, funktioniert nicht mehr. Für meine Arbeit ist es jedoch entscheidend, mit Gegenständen zu arbeiten, die man nicht erklären muss, die man kennt, und dann daraus etwas Neues zu machen. Mich interessiert die Verschiebung der Wahrnehmung. Gleichzeitig hinterfrage ich damit, wie Realität gemacht wird und welche Assoziationen wir mit Begriffen verbinden. Denn auch wenn wir uns auf Begrifflichkeiten in unserer Sprache geeinigt haben, um Realität greifbar zu machen, so wird jeder von uns mit manchen Gegenständen auch ganz persönliche Gedanken verbinden. Ich nenne diese Dualität „Common Reality" und "Private Reality".

Markus HoferMarkus Hofer, Siebzehn ©Foto: Alexander Chitsazan

Doch auch wenn Markus Hofer mit Fundgegenständen arbeitet, verlässt er nicht die skulpturalen Parameter wie Raum, Zeit und Material. Die sich in den Raum ergießenden Farben, die angehaltenen Tropfen suggerieren einen Augenblick des Stillstands zwischen einem Davor und Danach und verbinden Hofers Skulpturen auch mit der Malerei. "Dieses Zusammenführen verschiedener Gattungen ist mir wichtig. In den Interventionen in der Wiener Albertina ging es mir auch um die Einbeziehung der Architektur. Ich versuche, meine künstlerische Arbeit immer ganzheitlich zu denken." So wird die Farbe zum Objekt und das Objekt zu einer skulpturalen Zeichnung. Auch die Schrift spielt im Werk des Künstlers eine große Rolle. So sieht er Worte und Begriffe ebenso als Dinge des Alltags, mit denen er experimentiert – und das in einer verblüffenden Benennung des Tatsächlichen. Aktuell macht er sich das Phänomen zunutze, dass es neun Buchstaben im Alphabet gibt, die oben und unten gleich aussehen und sich daher spiegeln lassen. Das Wort Spiegelei bekommt so eine völlig neue Bedeutung. In "Elements of time" zeigt Hofer Bestandteile der Zeit – Zahlen und Zeiger – in einer völlig neuen visuellen Anordnung. Vertrautes wird aus einem neuen Blickwinkel betrachtet.

Markus HoferMarkus Hofer, Elements of Time, 2019 ©Foto: Sculpture by the Sea

Hofer gehört damit auch zu einer Gruppe von Bildhauern, die seit den 1990er-Jahren das Material ihrer Objekte in Alltagsgegenständen und industriellen Halbfertigprodukten fanden – nicht zuletzt geprägt durch die Meisterklasse von Bruno Gironcoli an der Wiener Akademie "Es war eine Zeit, als die Kunst vom elitären Sockel hinunter und direkt auf den Betrachter zugehen wollte. So stand auch der öffentliche Raum verstärkt im Fokus. Aber auch ökonomische Überlegungen spielten eine Rolle: Welche Materialien sind bereits vorhanden, mit denen ich künstlerisch arbeiten kann? Interessant ist, dass nun wieder verstärkt hochtechnische Verfahren wie der Bronzeguss oder der Stein wiederentdeckt werden oder komplexe Produktionsmethoden wie Email und Keramik – davor musste jedoch 20 Jahre PU-Schaum herhalten. Das ist eine stetige Wellenbewegung. Meine Skulpturen sind stets aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt und entsprechen nicht dem klassischen skulpturalen Verfahren, eine Form aus einem Steinblock herauszuarbeiten. Aber natürlich überlegt man sich, wie man Skulpturen für den Außenraum gestalten kann, welche Materialien dafür geeignet sind, und hier ist der Guss natürlich ein adäquates Verfahren. Kunst ist ja stets ein Experimentieren mit Neuem. Das macht diesen Beruf auch so interessant und abwechslungsreich. Man arbeitet handwerklich ebenso wie konzeptuell. Ausstellungen, die der Besucher sieht, sind dabei stets ein Blick auf das, was zuvor im Atelier entstanden ist – der Künstler selbst ist dann schon wieder bei ganz neuen Überlegungen. In der Kunst ist es wichtig, bestimmte formale Konzepte auszuloten, jedoch gleichzeitig eingeschlagene Wege auch wieder zu verlassen und Neues zu wagen."

www.markushofer.at

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