Die Zahlungsmoral in Westeuropa verschlechtert sich. Insgesamt ist die Zahl verspäteter Zahlungen durch B2B-Kunden innerhalb der vergangenen zwölf Monate in Westeuropa durchschnittlich um 20 Prozent gestiegen – das besagt eine neue Studie von Atradius.
44 Prozent betroffen
Zahlungsverzögerungen betreffen im Durchschnitt fast die Hälfte aller B2B-Verkäufe. In Österreich sind durchschnittlich 44 Prozent aller fakturierten B2B-Umsätze von Zahlungsverzögerungen betroffen.
"Die Lieferant:innen reagieren mit verschärften Kreditkontrollprozessen und kürzere Zahlungsfristen", sagt Franz Maier, Generaldirektor Österreich, Ungarn und Südosteuropa von Atradius. "Das führt zu einer Verbesserung der Außenstandsdauer (Days Sales Outstanding, DSO), insbesondere im Stahl- und Metallsektor. Eine deutliche Verbesserung gab es auch bei den als uneinbringlich abgeschriebenen Forderungen, die sich im Chemiesektor halbierten und nun insgesamt vier Prozent aller B2B-Umsätze ausmachen."
Inflation erschwert Zugang zu Liquidität
Allerdings: "Inflation und hohe Zinsen erschweren den Zugang zu Liquidität über den Kapitalmarkt", sagt Franz Maier. "Bankdarlehen werden generell teurer und auch für Unternehmensanleihen sind die Zinsen deutlich gestiegen. Hinzu kommen verschärfte Kreditauflagen, da die Banken selbst sich ebenfalls gegen Zahlungsausfälle absichern wollen."
Viele Firmen würden deshalb im Einkauf vermehrt auf die Beantragung von Handelskrediten setzen, da diese deutlich günstigere Konditionen bieten.
"Die Katze beißt sich in den Schwanz"
"Wenn jedoch die Lieferanten im gleiche Zuge ihre Konditionen zur Gewährung solcher Kredite verschärfen, beißt sich die Katze gewissermaßen in den Schwanz", sagt Franz Maier. "Zahlungsverzögerungen bei den Abnehmern führen zu Liquiditätsengpässen bei den Lieferanten und die Sorge vor Zahlungsverzögerungen führt dazu, dass die Möglichkeit des Warenkredits zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen auf der Abnehmerseite eingeschränkt wird. Insgesamt führt dies letztlich zu erhöhten Insolvenzrisiken."
Um der mangelnden Liquidität entgegenzuwirken, greifen die österreichischen Unternehmen laut Atradius-Studie auf verschiedene Maßnahmen zurück. Dazu gehören neben der Beantragung von Handelskredite die Beschaffung von Geld bei Investoren, die Suche nach externen Finanzierungsmöglichkeiten und die Verschiebung von Investitionsplänen.
Rückgang der Investitionen führt zu Wettbewerbsnachteil
"Insbesondere letzteres kann sich schnell negativ auf das Unternehmenswachstum und auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen auswirken", sagt Franz Maier. Der Investitionsaufschub der Unternehmen sei nicht nur Anzeichen einer finanziellen Notlage, sondern könne auch zur Ursache weitreichender wirtschaftlicher Probleme innerhalb ganzer Branchen führen. Langfristige Maßnahmen, die für das Wirtschaftswachstum der Unternehmen von entscheidender Bedeutung seien – insbesondere Investitionen in erneuerbare Energien, Cybersicherheit und hoch qualifizierte Arbeitskräfte – blieben vorläufig aus.
Österreichische Firmen dennoch optimistisch
Dennoch: Der Blick der österreichischen Firmen in die Zukunft ist nicht nur negativ. 64 Prozent der befragten Unternehmen gaben laut Atradius-Studie an, dass sie in den kommenden Monaten mit einem Anstieg der Nachfrage rechnen, wobei die großen Hersteller:innen im Stahl-Metall-Sektor ein besonders positives Umsatzwachstum erwarten. 54 Prozent der Unternehmen in Österreich rechnen mit höheren Gewinnspannen im kommenden Jahr. Auch hier zeigte sich besonders die Stahl- und Metallindustrie sehr zuversichtlich.
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