Immer komplexere gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, technologischer Fortschritt, internationale Konflikte – die Aufsichtsräte heimischer Unternehmen sehen sich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Der gesetzliche Auftrag und die Verantwortung von Aufsichtsräten haben sich in den letzten zehn Jahren entscheidend gewandelt.
Neben der Kontrollfunktion sind Aufsichtsräte auch in strategische Entscheidungsprozesse von Unternehmen eingebunden. Gleichzeitig haben auch die Haftungsrisiken zugenommen. Infolgedessen sind auch die Anforderungen an die fachliche Qualifikation und der Zeitaufwand für Aufsichtsräte gestiegen.
Vergütung in Deutschland deutlich höher
Der "Corporate Goverance Monitor 2019", ein Forschungsprojekt der Johannes Kepler Universität Linz in Kooperation mit dem Board Service Center unterstützt von der B&C Privatstiftung, hat einen quantitativen Einblick in die Führungssysteme deutscher und österreichischer Unternehmen unternommen. Ein Teil der Studie befasst sich auch mit den Ausgaben für Corporate Governance und der Arbeit im Aufsichtsrat.
Aus dem Corporate Governance Monitor 2019 geht hervor, dass in Österreich die durchschnittliche Vergütung für eine Person im Aufsichtsrat zwischen 14.000 und 23.000 Euro im Jahr beträgt – im Vergleich dazu liegt der Wert in Deutschland um ein Vielfaches höher: zwischen 68.000 und 171.000 Euro. Erhebliche Unterschiede bestehen auch in der Vergütung des Aufsichtsrats im Verhältnis zu jener des Vorstands: Ein Vorstand verdient in Österreich im Durchschnitt das 24- bis 26-fache im Vergleich zur durchschnittlichen Aufsichtsratsvergütung, in Deutschland liegt dieser Wert beim 18-Fachen.
© JKU/B&C
Für Studienleiter Ewald Aschauer ist eine Erhöhung der Aufsichtsratsentgelte in Österreich unumgänglich: "Nach unserer Ansicht sollte sich die Gesamtvergütung für den Aufsichtsrat an der durchschnittlichen Vergütung eines Vorstandsmitglieds orientieren. Am österreichischen Aktienmarkt wird aktuell nur 31,4 Prozent einer durchschnittlichen Vorstandsmitgliedsvergütung für den gesamen Aufsichtsrat ausgegeben."
Aufsichtsräte tagen mehr als das gesetzliche Mindestmaß vorsieht
Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Aufsichtsrat mindestens vier Mal im Geschäftsjahr eine Sitzung abhalten muss – diese haben vierteljährlich stattzufinden. Die Praxis zeigt, dass Aufsichtsräte in Österreich durchschnittlich mehr tagen, als es das gesetzliche Mindestmaß vorsieht: Der Durchschnitt liegt sowohl in Österreich als auch in Deutschland bei fünf Sitzungen pro Jahr, bei höherer Marktkapitalisierung steigt der Wert auf sechs Sitzungen pro Geschäftsjahr.
Zusätzlich zeigt sich, dass etwa 79 Prozent aller analysierten Unternehmen in Ergänzung zum Prüfungsausschuss mindestens einen zusätzlichen Ausschuss eingerichtet haben. Insbesondere in den größten Unternehmen wird die umfangreiche Arbeit des Aufsichtsrats in Ausschüssen vorbereitet und erledigt. In Deutschlands größten börsennotierten Unternehmen (DAX30) finden im Durchschnitt etwa 16 Ausschusssitzungen pro Geschäftsjahr statt, in Österreichs Unternehmen mit der größten Marktkapitalisierung sogar 21 Sitzungen.
Dazu Wolfgang Hofer, Vorstandsmitglied der B&C Privatstiftung: "Wir setzen uns sehr für die Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit in Österreich ein, weil ein Aufsichtsrat mit einem insgesamt breiten Qualifikationsspektrum die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen steigert. Dafür ist mittlerweile eine höhere Vergütung im Wettbewerb um die besten Köpfe unerlässlich. Denn für ein Unternehmen kann eine unattraktive Vergütung auch zu einem Risiko werden, wenn es den Aufsichtsrat nicht mit entsprechend kompetenten Fachleuten besetzen kann."
Kein Ehrenamt mehr möglich
"Die Studie ist ein weiterer Baustein, der zeigt, dass es ohne Professionalität im Aufsichtsrat nicht mehr geht. Sowohl die Aufgabenerweiterung, als auch die persönliche Haftung lassen kein Ehrenamt mehr zu", erklärt Josef Fritz, Managing Director von Board Search, ein Unternehmen, das sich auf die Suche nach Aufsichtsrats-Profis spezialisiert hat und den AREX Award, die Auszeichnung für Exzellenz in der Gremienarbeit vergibt, im Gespräch mit LEADERSNET.
Der eklatante Unterschied in der Aufsichtsrats-Tantieme zwischen Österreich und Deutschland sei auch historisch bedingt, so Fritz. Als Gründe dafür nennt er die Verstaatlichung nach dem 2. Weltkrieg, erhebliche Beteiligung von Banken und Versicherungen an Industrieunternehmen, Dominanz von Personen im Aufsichtsrat, die ohnehin ein bedeutendes Einkommen aus ihrer Haupttätigkeit haben und denen man nicht noch zusätzliche Entgelte verschaffen wollte sowie häufig Doppel- und sogar Vielfach-Aufsichtsrats-Mandatsinhaber.
Josef Fritz © LEADERSNET/Mikes
Fritz: "Je mehr man – völlig zu Recht – Leistung und Effizienz im Aufsichtsrat fordert, desto mehr wird man auch in Österreich die Tantieme anheben müssen. Dies auch um wirklich beste Köpfe und internationales Know- How ins Gremium zu bringen." (as)
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