Text von Alexandra Bolena und Friedrich Ruhm Perdomo
LEADERSNET veröffentlicht nun regelmäßig Interviews, Porträts und Servicegeschichten von aehre. Dabei befasst sich das Nachhaltigkeits-Businessmagazin stets mit einem der zentralen Themen der Gegenwart: Nachhaltigkeit, in allen ihren Facetten von Environment über Social bis Governance.
Nachdem es beim ersten Teil bereits um verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD gegangen war, geben nun Expert:innen wertvolle Tipps. Außerdem spricht Daniela Knieling, Geschäftsführerin von respACT, im Interview über den Nachhaltigkeitsbericht Leitfaden für KMUs und Amira Zauchner, Expertin für ESG-Strategien, Sustainable-Supply-Chain-Management und CSRD bei der Nachhaltigkeitsberatung EY denkstatt, verrät, worauf es beim Reporting wirklich ankommt.
Fünfzehn Expert:innen hat aehre befragt. Ihre hilfreichen Tipps lesen Sie hier:
Florian Moritz (Manging Director, 3π – Enabling Sustainability):
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"Über die Compliance hinaus sollten Unternehmen die strategischen Potenziale von Nachhaltigkeitsinitiativen ausloten und konkrete Maßnahmen planen und umsetzen, denn nur was umgesetzt wird, kann auch berichtet werden. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte dabei nicht nur bestehende Standards abdecken, sondern integraler Bestandteil des Performance-Managements sein, um echte Fortschritte authentisch zu kommunizieren. Ein guter Nachhaltigkeitsbericht spiegelt die authentische Integration von Nachhaltigkeit in das Kerngeschäft wider."
Tamara Kapeller (Managing Partner, Board Consulting):
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"Die neuen European Sustainability Reporting Standards geben die Struktur des Berichts vor, der Umfang hängt jedoch von einer Wesentlichkeitsanalyse ab, die vom Unternehmen unter Einbeziehung von Stakeholder:innen durchzuführen ist. Auf Basis dieser Wesentlichkeitsanalyse wird sich das Unternehmen messbare, ergebnisorientierte und terminierte Ziele geben, über die in der Folge jährlich zu berichten ist. Ein guter Nachhaltigkeitsbericht enthält ambitionierte und für die Geschäftsstrategie relevante Zielsetzungen."
Brigitte Frey (Wirtschaftsprüferin und Fachexpertin für Nachhaltigkeitsberichterstattung):
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"Ein guter Nachhaltigkeitsbericht sollte den Eindruck vermitteln, dass die Inhalte nicht beliebig ausgewählt wurden, sondern eine fundierte Wesentlichkeitsanalyse zugrunde liegt. Weiters gibt es Themen, welche in jedem Fall anzusprechen sind. Die Berücksichtigung von klimabezogenen Informationen ist ein Beispiel dafür. Unabhängig von der Größe der Organisation können diese Angaben sowohl innerhalb der unternehmerischen Wertschöpfungskette als auch gegenüber finanzierenden Stellen von ausschlaggebender Wichtigkeit sein."
Boris Recsey (Geschäftsführer CRIF Austria):
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"Nachhaltigkeitsinformationen werden in Zukunft bestimmen, mit wem Geschäfte gemacht werden, wo Menschen einkaufen werden, wo sie arbeiten wollen, wer Finanzierung bekommt und wer versichert wird. Ein qualitativ guter Nachhaltigkeitsbericht basiert auf schlüssigen Key Performance Indicators (KPI). Das macht die Nachhaltigkeit eines Unternehmens messbar und fundiert. Mit unserer ESG-Plattform SYNESGY ist es Unternehmen einfach möglich, sich in ihrer Nachhaltigkeit zu evaluieren und auch die Evaluierung der Lieferkette über die Plattform zu managen."
Christoph Obermair (Partner und Sustainability Lead bei Deloitte, Österreich):
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"Für die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts bedarf es zahlreicher Analysen, Auswertungen und Dokumentationen. Diese nur für Reportingzwecke zu verwenden, wäre eine vergebene Chance. Den Unternehmen bietet sich in diesem Rahmen die Möglichkeit, sich umfassend mit ihrem bestehenden Geschäftsmodell auseinanderzusetzen und neue strategische Stoßrichtungen zu identifizieren. Gerade durch das Einbeziehen vormals nicht oder nur eingeschränkt berücksichtigter Aspekte können völlig neue Geschäftsfelder identifiziert werden."
Amira Zauchner (International Service Lead CSRD, Associate Manager ESG Strategy & Supply Chain, EY denkstatt):
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"Tatsächlich sieht ein moderner Nachhaltigkeitsbericht mehr wie ein Jahresabschluss aus und ist deutlich datenlastiger. Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit Zahlen veröffentlicht, ohne sie an quantitative Ziele zu koppeln. Ein Qualitätskriterium ist es, den Verbesserungsprozess zu zeigen, egal, ob er sich positiv oder negativ entwickelt. Wichtig ist es, nur relevante Informationen zu kommunizieren. Die CSRD erlaubt nur das Reporting zu den gesetzlich geforderten Informationen."
Daniela Knieling (Geschäftsführerin, respACT):
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"Ein guter Nachhaltigkeitsbericht sollte transparent, umfassend und präzise sein. Zudem sollte der Bericht klare Ziele, messbare Indikatoren und den Fortschritt bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen aufzeigen. Die Einbeziehung von Stakeholder:innen während des Berichtsprozesses und klare Kommunikation sind ebenfalls entscheidend. Und: Ein guter Bericht sollte nicht nur vergangene Leistungen dokumentieren, sondern auch einen umfassenden Ausblick auf zukünftige Nachhaltigkeitsziele und -strategien bieten."
Christian Richter-Schöller (Co-Head der DORDA Sustainability Group):
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"Die Corporate Sustainability Reporting Directive ist ja grundsätzlich agnostisch, was die ESG-Eigenschaften angeht. Ob ein Unternehmen viel oder wenig CO₂ ausstößt, ist der CSRD praktisch egal, solange das Unternehmen transparent darüber berichtet. Es liegt an den Unternehmen, die Auseinandersetzung mit den neuen ESG-Regeln als Chance zu sehen und sich selbst Ziele zu setzen. Die können gerne ambitioniert sein, sollten aber immer auch pragmatisch bleiben. Der Bericht wird zwar auf Papier erstellt, soll aber keine reine Papierübung sein."
Katharina Schönauer (Head of ESG und Partnerin bei KPMG Austria):
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"An erster Stelle steht die Frage, welche Daten wie erfasst werden müssen und wie man diese kontrolliert, damit sie korrekt, belastbar und prüfbar sind. Das zweite große Thema sind die strategischen Überlegungen – sich beispielsweise damit auseinanderzusetzen, wie das eigene Geschäftsmodell ausgerichtet werden kann, um CO₂-Emissionen zu reduzieren. Der Aufwand hängt stark vom Ambitionsniveau ab. Die CSRD gibt lediglich vor, welche Daten man offenzulegen hat. Im Bereich von Strategien, Maßnahmen und Zielen ist dem Unternehmen der Umfang der Offenlegung selbst überlassen."
Stephan Pachinger (Partner und Kapitalmarktexperte bei Freshfields Bruckhaus Deringer):
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"Nachhaltigkeitsberichte werden integraler Bestandteil der Unternehmensberichterstattung und müssen somit allem voran inhaltlich korrekt, transparent und schlüssig sein. Wenn sie darüber hinaus auch noch gut lesbar, digital und leicht verfügbar sind, dann erfüllen sie sicherlich schon viele Erwartungen. Eine gute Nachhaltigkeitsberichterstattung zeichnet sich dadurch aus, dass diese nicht Selbstzweck, sondern Teil der strategischen Ausrichtung des Unternehmens ist."
Dora Rendessy (Counsel und ESG-Expertin bei Freshfields Bruckhaus Deringer):
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"Ohne intensive Befassung mit dem Thema Nachhaltigkeit kann auch keine effektive Berichterstattung dazu erfolgen. Und diese Conditio sine qua non ist es, die letztlich den Wert von Nachhaltigkeitsberichterstattung ausmacht. Insofern ist die Anforderung darüber zu berichten auch ein wenig Katalysator und Motivator etwas im Sinne der Nachhaltigkeit zu tun. Und das ist gut so."
Philipp Gaggl (Director Sustainability Consulting, PwC Österreich):
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"Ein guter Nachhaltigkeitsbericht ist vor allem konform mit den relevanten Berichtsregularien und Standards wie CSRD, Taxonomie oder ESRS. Zudem ist er prüfungssicher. Das heißt, er hat belastbare Informationen und Kennzahlen – genau, wie wir es aus der Finanzberichterstattung kennen. Wir gehen weg von "Tue Gutes und schreibe darüber" hin zu dem, was im Kerngeschäft des Unternehmens zu ESG wesentlich ist. Der Mehrwert liegt neben der Compliance vor allem darin, mit ESG auf dem Markt zukunftsfähig zu bleiben und den wachsenden Anforderungen von Finanzmarkt, Kund:innen oder Prüfung gerecht zu werden."
Susanna Gross (Senior Managerin im Bereich Climate Change and Sustainability Services, EY Österreich):
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"Die größere Herausforderung ist oft nicht die Erstellung der Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange selber, sondern der Aufbau und die Implementierung eines vorgelagerten Nachhaltigkeitsmanagements, welches erforderlich ist, um am Ende überhaupt über geforderte ESG-Belange berichten zu können. Dazu zählen zum Beispiel die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse, die Identifizierung und Bewertung von ESG-Risiken und Chancen, die Festlegung der strategischen Stoßrichtung des Unternehmens und das Setzen von smarten Nachhaltigkeitszielen."
Jela Mohr (ESG-Managerin von Wolf Theiss Rechtsanwälte):
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"Unternehmen werden ihr Geschäftsgebaren sehr detailliert analysieren müssen – und das über das eigene Betriebstor hinaus! Sie müssen mögliche Impacts, die sie auf Umwelt und Menschen haben, nicht nur ermitteln, sondern auch offenlegen, wie sie planen, diese zu minimieren. Das heißt, Nachhaltigkeit muss im Unternehmen erst einmal über alle Ebenen implementiert werden, bevor sie überhaupt gemessen und darüber berichtet werden kann. Das bedarf großen Veränderungen in Mindset, Prozessen und Datenmanagement."
Birgit Haberl (ESG-Expertin und Co-Gründerin von susform):
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"Die CSRD-Umsetzung kann zu einer ressourcenintensiven Compliance-Übung verkommen oder für das Unternehmen einen tatsächlichen Wert stiften. Für Zweiteres spielen Bewusstseinsbildung und hausinterner Kompetenzaufbau eine wichtige Rolle. Nur so kommen die neuen Anforderungen im Tagesgeschäft und bei den entsprechenden Personen an. Unternehmen, in denen von Anfang an eigene Mitarbeiter:innen einen guten Teil der CSRD-Umsetzung übernehmen, haben dabei oft die Nase vorn. Hier kann das Wissen organisch wachsen – zumindest beobachten wir das bei den Teilnehmer:innen unserer Workshops für Umsetzer:innen."
"Nachhaltigkeitsberichte stellen nur die Spitze des Eisbergs dar": "In 7 Schritten zum Nachhaltigkeitsbericht“ verspricht ein Leitfaden für KMUs, herausgegeben von respACT. Daniela Knieling, Geschäftsführerin von respACT, hat noch weitere Tipps. Die sieben Schritte können Sie hier nachlesen.
æhre: Warum einen Leitfaden für KMUs? Diese sind doch von der CSRD noch nicht betroffen?
Knieling: Das ist richtig. Nicht börsennotierte KMUs sind im Zuge der CSRD nicht verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Dennoch erwarten Geschäftspartner:innen, Förderstellen, Banken und Aufsichtsbehörden bereits gezielte Informationen. In der Realität können KMUs daher indirekt von der Regulatorik betroffen sein und bereits heute davon profitieren, einen freiwilligen Bericht zu veröffentlichen.
æhre: Hilft der Leitfaden auch den schon jetzt verpflichteten Unternehmen?
Knieling: Die Tipps und sieben Schritte im Leitfaden sind für alle Unternehmen relevant und anwendbar, besonders für jene, die am Anfang der Berichterstattung stehen. Er soll als Orientierungshilfe dienen und kann Unternehmen auf dem Weg unterstützen.
æhre: Wie gelingt der Einstieg in die Berichterstattung?
Knieling: Zunächst einmal ist eine ausführliche Selbstreflexion empfehlenswert, um den Ist-Stand zu analysieren. Wo stehen wir mit unseren aktuellen Nachhaltigkeitsaktivitäten und wo sind Verbesserungen möglich? Sobald dieses Fundament gelegt ist, kann durch eine aktive Einbindung der Stakeholder:innen und eine Ermittlung der wesentlichen Themen darauf aufgebaut werden.
æhre: Wer sollte diese Aufgabe im Unternehmen übernehmen?
Knieling: Für die Berichterstattung empfehlen wir die Wahl eines interdisziplinären Teams, damit diverse Kompetenzen gebündelt sind. In unserem Leitfaden schreiben wir: „Nachhaltigkeitsberichte stellen nur die Spitze des Eisbergs dar.“ Denn es braucht zuverlässige und faktische Informationen auf Basis von Nachhaltigkeitsdaten und einer entsprechenden Vorbereitung.
æhre: Welche Anfängerfehler sollte man vermeiden?
Knieling: Indem sich Unternehmen frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen und die jeweiligen Prozesse implementieren, können Fehler von Anfang an vermieden werden. Dafür ist es wichtig, dass die Notwendigkeit für einen Nachhaltigkeitsbericht vom gesamten Unternehmen anerkannt wird und die erforderlichen Ressourcen dafür eingeplant werden. Es lohnt sich auch, einen Blick in ausgezeichnete Berichte von großen Unternehmen zu werfen, die bereits mit dem Thema vertraut sind.
Daniela Knieling ist Geschäftsführerin von respACT. Das austrian business council for sustainable development ist mit mehr als 430 Mitgliedsunternehmen eine der führenden Plattformen für nachhaltiges Wirtschaften in Österreich. Neben dem Leitfaden für KMUs "In 7 Schritten zum Nachhaltigkeitsbericht" organisiert respACT laufend Veranstaltungen zu relevanten Nachhaltigkeitsthemen.
Das Flagship-Event ist der csrTAG, welcher sich in diesem Jahr mit den Themen Biodiversität und Diversität beschäftigen wird. Weitere Infos gibt es unter respact.at.
"In 7 Schritten zum Nachhaltigkeitsbericht" unter: respact.at/themen/csr-reporting
Außerdem: Mehr zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie im neuen Nachhaltigkeits-Businessmagazin aehre auf www.aehre.media und in der neuen Ausgabe ab 12.12. am Kiosk.
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