Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Das Ende der Ampel in Deutschland – ein Glück!

| Redaktion 
| 17.11.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Geneigte Leser:innen, heute widme ich mich einem Thema, das Deutschland betrifft: das Ende der Ampelregierung, bestehend aus SPD (Rot), FDP (Gelb) und Bündnis 90/Die Grünen (Grün), und der Frage, wie es nun weitergehen könnte. Ich denke, daraus ließe sich auch einiges für Österreich ableiten, doch überlasse ich diese Einschätzung gerne Ihnen, geschätzte Leser:innen.

"Drei unterschiedliche Welten" 

Die Ampel in Deutschland ist zu Ende und ich kann nur sagen: Gott sei Dank. Sie merken schon, das hier wird ein sehr persönlicher und emotionaler Gastkommentar. Deutschland ist in den letzten Jahren in fast allen wirtschaftlichen, aber auch (gesellschafts-)politischen oder sonstigen Rankings abgerutscht und hat damit viele Staaten in der EU, aber vor allem auch Österreich, mitgerissen. Woran lag es nun aber, dass die Ampelkoalition gescheitert ist?

Bei den bisherigen Partnern handelt es sich um drei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Die SPD: Bis zum Ukraine Krieg – oder vielleicht sogar bis heute –, eine Partei von Putin-Freund:innen und Sozialromantiker:innen, die mit der Einführung des Bürgergeldes (bisher jährliche Aufwendungen in der Höhe von circa 30 Milliarden Euro) eine Sozialversorgung geschaffen hat, die nicht nur kaum finanzierbar, sondern besonders für jene Bürger:innen, die für einen ähnlich geringen Lohn arbeiten gehen, ein Schlag ins Gesicht ist. Die SPD ist eine Partei, die Leistung nicht wirklich wertschätzt. Eine Partei, die negiert, dass man in Zukunft mehr statt weniger arbeiten müssen wird. Eine Partei, die nicht versteht, dass Wohlstand und Sozialleistungen nur dann bezahlbar sind, wenn die Wirtschaft sie erwirtschaftet, weshalb jedoch beispielsweise Mindestlöhne drastisch nach oben geschraubt werden müssten. Eine Partei, die krampfhaft am Renteneinstiegsalter festhält. Eine Partei, die nicht erkennen will, dass man in der Lage sein muss, sich – unabhängig von den USA – selbst zu verteidigen. Eine Partei, die gegen jegliche Dienst- und/oder Wehrpflicht ist. Eine Partei, die möchte, dass der Staat alles regelt, und die keine Schuldengrenze kennt.

Mit all diesen Vorstellungen trifft sie auf die FDP, die vor allem in Wirtschaftsfragen einen gänzlich konträren, liberalen Ansatz verfolgt, und die die Sozialleistungen so gestaffelt sehen möchte, dass ein Abstand zu den arbeitenden Bürger:innen erkennbar ist. Die FDP will die Einkommensteuern senken. Die FDP möchte die Unternehmen entlasten, um mehr Investitionen zu kreieren. Die FDP stemmt sich gegen zunehmende und weitere Regulierungen und hält – meines Erachtens richtigerweise – an einer Schuldenbremse fest.

Diese schon schwer zu vereinbarende Melange wird geradezu verunmöglicht durch die Realität der Grünen, die nach einer Wirtschaftswende mit Alternativen rufen, ohne zu beachten, wie viele Arbeitsplätze dies kosten würde. Die Grünen vertreten eine Energiepolitik, die zu den höchsten Strompreisen der Welt für die Industrie führt, und sie rufen eine vollkommen undurchdachte "Heizungswende" aus, die nur Unsicherheit stiftet. Nicht zuletzt vertreten sie eine Pro-Ukraine-Politik, die im krassen Gegensatz zu jener der SPD steht.

Von Anfang an zum Scheitern verurteilt

Was will ich mit dieser nur beispielhaften und sicherlich auch provokanten Aufzählung zeigen? Bei diesen vollkommen unterschiedlichen Positionen ist es kaum möglich, Kompromisse zu finden, geschweige denn eine Regierung "mit dem Besten aus drei Welten" zu formen. Dies ist selbst dann nicht möglich, wenn man ausnahmslos allen den besten Willen unterstellt. Vor 20 Jahren hätte man sich, wie auch bei großen Koalitionen, vielleicht zusammenraufen können, da zu dieser Zeit eben genug finanzielle Mittel vorhanden waren bzw. es möglich war, mehr Schulden zu machen, um zumindest einige dieser Grundvorstellungen oder Leuchtturmprojekte aller Parteien zu verwirklichen. Nun ist aber die Welt heute eine ganz andere, nicht nur angesichts eines zukünftigen US-Präsidenten Trump, der uns wirtschaftlich stressen wird. Wir finden insgesamt sehr viel schlechtere grundsätzliche Rahmenbedingungen vor, als noch vor 20 Jahren.

Vor diesen Hintergründen war die Ampel eigentlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt, was – wenn auch spät – nun passiert ist. Ich wiederhole: Gott sei Dank! Selbstverständlich möchte ich auch nicht verhehlen, dass der jetzige Ausstieg aus der Ampel wahrscheinlich die einzige Möglichkeit der FDP ist, wieder in den Bundestag gewählt zu werden.

Analyse und Wunschvorstellung 

Was nun? Gestatten Sie mir, geneigte Leser:innen, an dieser Stelle meine höchstpersönliche Analyse oder Wunschvorstellung zum Ausdruck zu bringen. Ein "weiter wie bisher" oder "more of the same" wird nicht möglich sein. Man muss – wie auch in Österreich – den Bürger:innen ganz klar vermitteln, dass schwere Zeiten auf uns zukommen werden. Wir werden ALLE (!) auf die eine oder andere Weise unseren Beitrag leisten müssen. Die CDU/CSU hat dies zum Teil – aber leider nicht bei allen Punkten – ganz klar angesprochen. Das Bürgergeld bzw. alle Sozialleistungen müssen auf den Prüfstand, und es wird Kürzungen geben müssen. Der Subventionsdschungel muss gelichtet, Bürokratie reduziert werden und Leistung muss sich wieder lohnen – auch durch Senkung der Einkommenssteuer. Unternehmen müssen entlastet und die Einführung einer Dienst-/Wehrpflicht von 12 Monaten realisiert werden.

Tragfähige politische und wirtschaftliche Wende

Nach den jetzigen Umfragen – und das ist nun wirklich Glaskugellesen – wird die CDU/CSU ganz klar Erster, wobei sie mit einem/einer anderen (jüngeren?) Kanzlerkandidaten oder -kandidatin vielleicht sogar noch mehr Zuspruch erzielen könnte (ein Thema, dem ich mich eventuell demnächst intensiver widmen werde.). Als klare Nr. 1 könnte die CDU/CSU diese Punkte aber auch nur mit der FDP wirklich umsetzen, wobei noch nicht sicher ist, ob sie überhaupt in den Bundestag kommt. Aber selbst wenn, wird es wohl – aus meiner persönlichen Sicht leider – nicht für eine Mehrheit reichen. Eine Koalition mit der SPD – wieder eine Große Koalition (GroKo), wenn sie denn rechnerisch möglich wäre – würde keinen Fortschritt bringen. Dazu sind die Ansätze zu diametral, wie auch die Erfahrungen aus der Ampel zeigen. Eine Kompromissbasis, die es für dringend benötigte echte Reformen braucht, sehe ich hier nicht. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als linksextreme Partei oder die Alternative für Deutschland (AfD) als rechtsextreme Partei scheiden grundsätzlich als mögliche Koalitionspartner aus. Wenn also CDU und FDP alleine nicht reichen, wäre nur eine sogenannte Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und den Grünen möglich – immerhin besser als jegliche GroKo. Vielleicht kommt es ja doch noch ganz anders – wir werden sehen. Aber immerhin findet die Wahl an meinem Geburtstag, dem 23. Februar, statt, und man darf sich da ja etwas wünschen.

In diesem Sinne, und auch zum Wohle Österreichs, kann man nur hoffen, dass Deutschland den richtigen und schnellen Weg zu einer tragfähigen politischen und wirtschaftlichen Wende findet. Und vielleicht auch, dass Österreich aus den Entwicklungen in Deutschland hoffentlich die richtigen Schlüsse für die eigene Regierungsbildung zieht.

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