Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Ich bin krank!

| Redaktion 
| 15.09.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Bitte nicht erschrecken, beim Lesen des dieswöchigen Kommentartitels. Ja, es geht ums Kranksein, wie man in unserer Gesellschaft und nach einer Pandemie damit umgeht und was man lernen kann, wenn man einmal so richtig "auf der Matte liegt".

Kranksein bedeutet nach einer allgemeinen Definition "eine Störung der normalen physischen oder psychischen Funktionen, die einen Grad erreicht, der die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden eines Lebenswesens subjektiv oder objektiv wahrnehmbar negativ beeinflusst". Als Sportler und Soldat kenne ich Verletzungen, habe diese aber für mich nie als wirkliche Krankheit verstanden und bin entsprechend schnell und kompromisslos immer wieder losgestartet. Ich war auch über 40 Jahre lang nie wirklich krank, konnte "kleine Unpässlichkeiten" immer mit Mitteln aus der "Bordapotheke" behandeln und war entsprechend immer schnell wieder voll im Beruf. Man fühlt sich dabei so "invincible" und das ist auch lange Zeit gut gegangen.

Schwächen werden schwer akzeptiert

Nun, vor drei Wochen hat es mich dann innerhalb von 20 Minuten vollkommen umgehaut. Fieber, Schüttelfrost, vollkommenes Blackout. Nicht zum Arzt gehend habe ich beschlossen, in gelernter Weise einfach die hauseigene Medikamentenlade zu plündern und danach meinen Kalender weiter abzuarbeiten. Diesmal verlief die Sache aber völlig anders. Ich war fix und fertig, konnte keine fünf Schritte machen. Die Lunge völlig zu – wie sich herausstellte, seit locker zwei Jahren verschleppt. Und dann als Kombination aus Covid plus Viren und Bakterien ein Schlag, der mich auf die Bretter schickte. So brutal, dass ich ehrlich dachte, ich würde das nicht überleben. Es nimmt einem völlig den Atem, wenn man realisiert, was da mit einem passiert und wie schnell es gehen kann, dass man sich nicht einfach wieder aufrappelt und weitermacht. Da lag ich nun mehrere Tage lang, mit fast unveränderten Beschwerden, immer schwächer werdend; trotzdem immer noch beharrlich den Arztbesuch verweigernd. Ohne Appetit habe ich tagelang nichts gegessen und musste mich zu jedem Bissen zwingen. Die Hilfe kam dann in Person eines Menschen, dessen Identität hier geheim bleiben soll und erst dann ging es langsam wieder bergauf mit mir. Inzwischen fühle ich mich besser, kann wieder arbeiten und meine Termine wahrnehmen, auch wenn ich noch merke, wie viel Energie mich diese Krankheit gekostet hat.

Sie werden jetzt vielleicht sagen: Jo eh, das hatte ich auch schon, oder das habe ich im Familienkreis auch schon miterlebt. Trotzdem möchte ich dieses Podium nutzen, um es anzusprechen, offen zu sagen, wie es mir ging und geht. Weil ich das Gefühl habe, dass in unserer Gesellschaft solche Phasen der Schwäche ganz schwer akzeptiert werden. Dass man insbesondere in Führungsverantwortung gerne so tut, als wäre man unverletzbar, "bulletproof".

Erstes Learning

Mein erstes Learning aus dieser Krankheit ist, dass man ärztliche Hilfe braucht, wenn es einem richtig schlecht geht. Wir können damit hadern, dass das alles mühsam ist, mit Wartezeit in der Ordination, dem Herumrennen um Medikamente und Gestecke, mit der e-Card. Aber es nützt einfach nix – in letzter Konsequenz braucht es einen klaren medizinischen Befund und besonders das Abklären, was einen da wirklich umgehaut hat und wie man schnell wieder ganz fit wird. Ohne Folgeschäden und dauerhafte Beeinträchtigungen.

Zweites Learning

Das zweite Learning: Wenn man wirklich krank ist, heißt es Ruhe geben. Sich eingestehen, dass Körper und Geist sich erholen müssen, wenn man keine Luft mehr bekommt, keine zwei Schritte gehen kann und an hochkonzentrierte Hirnarbeit nicht zu denken ist. Es fällt mir extrem schwer, das zuzugeben, aber letztlich war meine Erkrankung der Wink mit dem sehr dicken Zaunpfahl, den ich gebraucht habe, um das zu verstehen.

Drittes Learning

Drittens: Man muss nicht alles selbst machen, jeder und jede ist letztendlich ersetzbar oder andersherum, es ist falsch zu glauben "ohne mich geht es nicht".

Viertes Learning

Viertens: Es gibt so einen dummen Spruch: "Ich bin nur eine Darmgrippe vom Idealgewicht entfernt". Das ist alles lustig, solange es nicht wirklich auf die körperliche Substanz geht. Phasen einer längeren Erkrankung heißen oft, appetitlos zu sein, viel zu wenig zu essen. Dann setzt ein Kreislauf ein, denn man fühlt sich nicht wohl und isst deshalb weniger, verliert dadurch immer mehr Energie, fühlt sich nicht wohl und so weiter... Man kann es also schon gut finden, in solchen Phasen ein paar Fettpölsterchen loszuwerden, aber eigentlich ist es der völlig falsche Zugang, sich Kranksein so noch kleinzureden.

Fünftes Learning

Und Fünftens: Kranksein ist ein Kampf über einige Runden – kein schneller Sieg. Es braucht eine klare ärztliche Diagnose, richtige Medikamente, die Compliance, diese auch regelmäßig einzunehmen und Ruhe. Soweit waren wir schon. Und dann, wenn es wieder aufwärts geht, die Lebensgeister und die Energie zurückkommen, braucht es die Disziplin, nicht gleich wieder voll ans Limit und darüber hinauszugehen. Niemand hat etwas von einem Rückfall – weder das Unternehmen, noch die Geschäftspartner, das soziale Umfeld und man selbst schon gar nicht. Deshalb hinsetzen, sich einen reduzierten Plan machen und diesen auch beherzigen. Sorgsam mit seinem Körper umzugehen, denn so banal es klingt: Wir haben nur diesen einen!

Verantwortung

In letzter Konsequenz geht es wieder einmal um Verantwortung. Eigenverantwortung für Gesundheit und Körper. Verantwortung aber auch für die Gesellschaft und das jeweilige direkte Umfeld. Was mir extrem auffällt ist, wie selbstverständlich und locker wir plötzlich mit Covid und Co umgehen. Vor ein paar Monaten kämpfte die ganze Welt gegen das Virus und mit den Folgen der Lockdowns. Heute scheint all das vergessen und wir gehen völlig selbstverständlich schwerkrank in die Arbeit, in Konzerte, Veranstaltungen, Restaurants. Besinnen wir uns doch wieder ein wenig auf die Verantwortung auch gegenüber unseren Mitmenschen. Nicht hysterisch zu sein, bei jedem Kratzen im Hals, aber vorsichtig, bei schweren Krankheitssymptomen.

Die kalte Jahreszeit naht und ich wünsche Ihnen allen viel Gesundheit und Kraft!

www.jti.com


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