LEADERSNET veröffentlicht nun regelmäßig Interviews, Porträts und Servicegeschichten von aehre. Dabei befasst sich das Nachhaltigkeits-Businessmagazin stets mit einem der zentralen Themen der Gegenwart: Nachhaltigkeit, in allen ihren Facetten von Environment über Social bis Governance.
Nach den Interviews mit Toto Wolff und Florian Haller geht es nun ums Arbeiten im Grünen.
Seit Jahrtausenden lebte der Mensch im Einklang mit der Natur, doch wer seinen Arbeitsalltag vor dem Bildschirm verbringt, bemerkt nicht mehr viel von dieser uralten Verbindung. aehre hat mit Menschen gesprochen, die das Arbeiten in der Natur wiederentdeckt und damit ihre persönlichen Geschäftsideen entwickelt haben.
"Meine Urgroßeltern hatten schon eine Gärtnerei in Salzburg", sagt der 29-jährige Emil Doll, der ein Blumengeschäft mit seinen Eltern im achten Wiener Gemeindebezirk führt. Ursprünglich, erzählt er, habe er eine Hotelfachausbildung gemacht, doch auf einer Weltreise stellte er fest, dass Blumenhandel und Gastgewerbe Gemeinsamkeiten haben. "Es geht um gute Serviceleistung", sagt Doll. Als Digital Native schlug er seinen Eltern den Onlinehandel vor, bastelte den ersten Webshop in Eigenregie und hatte damit während der Coronapandemie einen Riesenerfolg: Seitdem lassen ihm die Eltern bei neuen Projekten freie Hand.
"Meine Generation hat einen ökologischen Ansatz", sagt Doll und setzt dieses Denken bei der Wahl der Lieferanten um. Allerdings: Viele Blumen kommen von weither, und nein, auch er könne darauf nicht verzichten, weil "die gemischten Sträuße mit heimischen Blumen nicht machbar sind". Als findiger Geschäftsmann baut er im 21. Bezirk neuerdings selbst Blumen an. Nach einer Saison kann er sagen: Cosmea, Skabiosen und Delphinium funktionieren fantastisch, bei Edelrosen kämpft er mit Schädlingen. Know-how holt er sich auch durch eine Ausbildung zum Gärtner.
"Arbeit am Feld gibt Ruhe und Kraft", sagt Doll und es sei wahnsinnig schön, aus einem winzigen Samen eine riesige Pflanze wachsen zu sehen. Für die Bestäubung von Wicken hat er Holzbienen sowie Schmetterlingsarten auf seinem Grundstück angesiedelt. "Jede Pflanze braucht ihr Ökosystem und vielleicht ist sogar auch der Fuchs, der regelmäßig vorbeikommt und mir bei der Arbeit zuschaut, Teil eines großen Ganzen", sinniert er und lacht. Demnächst wird er seine Gärtnerei als Biobetrieb zertifizieren lassen. Seine Geschäftsidee funktioniert prächtig. Ein Risiko bleibt die Trockenheit infolge der Klimakatastrophe. Der Gärtner in spe versucht, allfällige Verluste durch den Anbau unterschiedlicher Blumenarten auszugleichen. Als großer Erfolg haben sich die selbst gezüchteten Dahlien erwiesen.
Gemüseraritäten
Nicht nur bei Blumen, auch in anderen Bereichen gibt es einen Trend zu regional produzierten Produkten. "Gemüse direkt vom Feld schmeckt viel besser", sagt Iris Wallner. Sie ist eine 34-jährige Landwirtin mit vier Hektar Ackerfläche in Purbach im Burgenland und vertreibt "Gemüseraritäten", die man in keinem Supermarkt findet. „Ich bin ein Naturmensch und war schon immer gerne draußen“, sagt sie. Warum sie Pharmazie fertig studiert hat, ist ihr heute selbst nicht mehr klar.
Während der letzten Semester an der Uni begann sie als Autodidaktin auf dem Grund ihrer Oma "mit dem Anbauen". Ihr Boden sei lehmig, ideal für Kohlarten, Rüben oder Salate, irgendeine Gemüsekultur habe sie rund ums Jahr auf dem Feld. Aktuell liefert sie zum Beispiel Rattenschwanzrettiche, Chioggia-Rüben und Kohlsprossen an die Spitzengastronomie oder als Gemüsekisten an Wiener Haushalte. Dass es immer mehr Menschen gibt, die sich vegetarisch ernähren, kommt ihr entgegen. Ihr Kundenstock erweitert sich kontinuierlich.
Schafft sie ihre Arbeit allein? Ja, sagt sie, weil sie den Rhythmus aus Anbau, Ernte und Auslieferung im Griff hat, und sie schätzt ihre Unabhängigkeit. Es gibt nur wenige Monate im Jahr, in denen sie Hilfe braucht. Was den Klimawandel betrifft, bereitet ihr der Wassermangel Sorge. Um Missernten zu vermeiden, setzt sie auf Vielfalt und baut im Gegensatz zu den Großbauern unterschiedliche Gemüsesorten an. "Wenn eine davon nichts wird, ist das keine Katastrophe." In Zukunft wird sie ihr Sortiment vielleicht um Heilkräuter erweitern, das passt zu ihrem Karrieresprung als Landwirtin und Pharmazeutin.
Outdoor-Training und Teambuilding
Georg Krewenka hat als Outdoortrainer seine Liebe zur Natur zum Geschäftsmodell gemacht. © Georg Krewenka
Einen beruflichen Wandel hat auch Georg Krewenka hinter sich. Die Überzeugung, dass die Natur tausendmal besser als ein Leben im Büro ist, schwingt fast in jedem seiner Sätze mit. Krewenka ist Outdoortrainer und Naturfotograf. Er hat, wie er sagt, damit seine perfekte Work-Life-Balance gefunden.
Sein Berufsleben begann vor vielen Jahren als IT-Manager, wo viel Stress seinen Alltag bestimmte. Er wechselte ins Eventbusiness, "eine Flucht vor dem Schreibtisch", konstatiert er. Als er auch davon genug hatte, ging er auf Weltreise: "Das perfekte Abenteuer in Australien war der Beginn meiner Karriere als Fotograf." Zurück in Österreich wollte er seine Naturverbundenheit und Freiheit erhalten und gestaltete sich seinen Traumjob als selbstständiger Outdoortrainer. "Jeder Schritt weg von der Zivilisation ist ein Schritt näher zu sich selbst", sagt der Naturliebhaber und meint es total unesoterisch. Wie die Natur die Verbindung der Menschen zueinander stärkt, erlebt er in jedem Teambuilding-Seminar, das er für Unternehmen organisiert. "Nach der Coronakrise hatten Führungskräfte oft den Kontakt zu ihren Mitarbeitenden verloren. Beim Gehen in der Natur reden die Leute automatisch miteinander", berichtet er. Auch gemeinsame Projektarbeiten im Wald und auf der Wiese bringen die verborgene Teamdynamik ans Tageslicht. Krewenka inszeniert seine Seminare mit Umsicht und Sorgfalt. Als früherer Eventmanager kann er Naturerlebnisse ebenso wie kulinarische Höhepunkte inszenieren und hält diese Teambuildings auch fotografisch fest. "Insofern bin ich wie ein Schweizer Taschenmesser." Das Beste an seinem Job: Er kann wunderbar davon leben. Aber was macht er bei schlechtem Wetter? "Wenn es regnet, sind die Gruppenerfahrungen am intensivsten", sagt er und schmunzelt.
Die Baumschneider
Judith Füreder und ihr Partner Roman Terzer sind immer ausgebucht © bereitgestellt
Auch Judith Füreder verbringt, seit sie denken kann, ihre Zeit lieber in der Natur. "Im Wald verändert sich der Herzschlag", sagt sie mit großer Selbstverständlichkeit. Ihre Zeit als Einkäuferin für einen großen Sportartikelhersteller hat sie schon lange hinter sich. Heute klettert sie auf Baumkronen hinauf, um dort Totholz zu entfernen. Dabei wird sie von Roman Terzer, ihrem Geschäfts- und Lebenspartner, vom Boden aus gesichert. Die beiden sind oft tagelang im Wald, klettern, schneiden, rufen sich zu. "Gegenseitiges Vertrauen ist Grundvoraussetzung", sagt Terzer.
Die beiden sind viel beschäftigt, immer ausgebucht. Ein Grund: die Trockenheit als Folge des Klimawandels setzt den Bäumen stark zu. Äste sterben ab und werden damit zu einer Gefahr. "Wenn in der Stadt Leoben, um deren Bäume wir uns kümmern, jemand von einem herunterfallenden Ast verletzt wird, ist das unsere Verantwortung."
Wie die beiden zu diesem Job gekommen sind, ist eine romantische Geschichte. Terzer war immer schon ein Naturbursch und hat eine HTL absolviert. "Wir haben uns bei der Ausbildung zum Outdoortrainer am Lagerfeuer verliebt und sind seitdem zusammen", verrät Judith Füreder, die das Handwerk von Terzer gelernt hat.
Mit großem Enthusiasmus beteiligen sie sich an Wiederaufforstungsprojekten. "Die Menschen wissen viel zu wenig über die Bäume", sagt Terzer und könnte stundenlang erzählen, wie jeder Baum sich da, wo er steht, seinen eigenen Platz erobert hat. "Die alten Bäume passen auf die jungen auf."
Der Bienenzüchter
Honig ist der Stoff, mit dem Imker Thomas Zelenka seine Umsatzzuwächse macht © Thomas Zelenka
Veränderungen in der Natur beobachtet auch Imker Thomas Zelenka. "Die Menschen brauchen die Natur viel dringender als umgekehrt" ist eine Erkenntnis, die er beim Pflegen seiner Bienenstöcke gewonnen hat. Zelenka ist seit 2011 Imker, einer der wenigen Stadtimker Österreichs, die diesen Job in Vollzeit ausüben. Dass seine Businessidee aufgegangen ist, macht ihn froh, weil er heute sehr gut davon leben kann. Ursprünglich organisierte Zelenka mit seiner eigenen Agentur Touren für Touristen, die per Schiff auf der Donau in Wien ankamen. "Stress pur, ich wollte da raus", erklärt er. Schon sein Großvater züchtete Bienen und das brachte ihn auf die Idee. Ein Risiko, das sich ausgezahlt hat: Heute produziert Zelenka mit 150 Bienenvölkern Tausende Kilogramm Honig sowie Kerzen und Bienenwachsprodukte. Auch seine Umsätze steigen.
Imker sei eine Arbeit der hundert Handgriffe und jeder Stock braucht im Laufe eines Jahres rund 15 Besuche. Die Tätigkeiten reichen vom Füttern der Bienen über das Instandhalten der Rahmen in den Stöcken bis zur Abwehr der Varroa-Milbe, die die Bienen massiv gefährdet. Und ja, die Klimakatastrophe bringt uralte Abläufe aus dem Lot. Das besorgt ihn.
"Wenn du dich für diesen Beruf entscheidest, muss dir klar sein, dass du zwischen März und September niemals Urlaub machen kannst", sagt er, sieht es aber gelassen. "Weil die Bienen eine Ruhe ausstrahlen, die ich nirgendwo sonst finde. Es ist, als würde man im Rhythmus mit dem Universum schwingen", so Zelenka. Dass er daraus ein erfolgreiches Geschäft macht, ist sein eigener großer Triumph.
Mehr zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie im neuen Nachhaltigkeits-Businessmagazin aehre auf www.aehre.media und in der Juni-Ausgabe am Kiosk.
Kommentar schreiben