Seit einigen Tagen schwirrt die unschöne Causa um die österreichische EU-Spitzenkandidatin der Grünen durch die Medien. Eine bekannte österreichische Tageszeitung habe – kurz zusammengefasst – nach langen Recherchen und Prüfungen erfahren, dass diese es mit der Wahrheit wohl nicht so genau nehme und fallweise Mitmenschen durch angebliche Falschbeschuldigungen nicht nur psychisch, sondern auch wirtschaftlich in Bedrängnis gebracht haben soll. Bei einer Pressekonferenz, die dies auflösen sollte, wurde dies alles in sehr rüder Form als Privatsache und damit für die Öffentlichkeit irrelevant dargestellt.
Wie wichtig ist Charakter?
Dies ließ mich – auch abseits des konkreten Falles – aufhorchen, denn es tut sich da schon eine ganz grundsätzliche Frage auf: Wie wichtig ist Charakter, und welche Angelegenheiten dürfen als privat oder eben nicht privat gelten, vor allem bei jemanden, der sich in einem politischen Amt befindet oder ein solches anstrebt?
Aber wie immer: lassen Sie uns ganz von vorne anfangen. Die allgemeine Definition für Charakter lautet: "Individuelles Gepräge eines Menschen durch ererbte und erworbene Eigenschaften, wie es in seinem Wollen und Handeln zum Ausdruck kommt."
Im täglichen Sprachgebrauch gibt es einige geläufige Ausdrücke, wie etwa "er:sie hat einen schwierigen Charakter" oder gar "der:die ist ein übler Charakter". Dabei tendieren manche Menschen dazu, Charakter mit Persönlichkeit gleichzusetzen – das ist aber so nicht richtig. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Persönlichkeit und Charakter. Erstere ist das Ergebnis angeborener Verhaltensmuster, während der Charakter auch von moralischen Werten und Ethik (mit-)bestimmt und -geprägt wird, welche wir im Laufe des Lebens erlernen oder die wir durch Erlebnisse erwerben.
Angewendet auf das oben angeführte Beispiel – so es zutreffend ist – sprechen wir also von einem Charakterzug, da ein Verhaltensmuster mehrmals zutage tritt, welches da heißt, nicht die Wahrheit zu sagen bzw. andere Menschen durch falsche Aussagen (Lügen) in Schwierigkeiten zu bringen. Charakterzüge lassen sich, wie es bei Gewohnheiten nun mal so ist, auch sehr schwer ändern oder umlernen, weshalb davon auszugehen ist, dass eine dieserart geprägte Person diese Verhaltensweise auch künftig an den Tag legen wird – ausgenommen, es wird eine radikale Änderung des Verhaltensmusters eingeleitet.
Öffentliches Interesse und Privatsphäre
Was in diesem speziellen Fall noch erschwerend hinzukommt, ist die Umgebung der betreffenden Person. Von ein paar wahlwerbenden Parteien und ihren Vorderen ist man solch ein Verhalten (man muss dazusagen leider) inzwischen gewohnt. Hier ist das (öffentliche!) Diskreditieren und Desavouieren, besonders des:der politischen Gegners:in, Programm und Strategie gleichermaßen. Über den Wahrheitsgehalt macht sich hierbei schon lange niemand mehr Gedanken, was natürlich auch bedenklich ist, aber diese Menschen haben, so grotesk das klingen mag, in dieser Hinsicht einen Ruf zu verteidigen – es wird geradezu von ihnen erwartet. Bei den Grünen, die sich dem entgegengesetzt als moralische Instanz positionieren, wiegt ein solches "Vergehen" indessen doppelt schwer, noch dazu, weil es nicht gegen den politischen Gegner, sondern gegen Menschen aus dem eigenen Umfeld gerichtet ist.
Bleibt noch die Frage zu klären, ob es sich um eine private Angelegenheit handelt, oder ob es nicht doch wichtig im Sinne des öffentlichen Interesses ist. Ich bin grundsätzlich der Überzeugung, dass auch Politiker:innen ein Anrecht auf Privatsphäre haben sollten und diese gewahrt werden muss. An dieser Stelle muss aber eventuell eine andere Güterabwägung erfolgen, wenn es um Sachverhalte geht, die neben den politischen Zielen bzw. Positionen auch für die Wahl dieser Person oder Partei ausschlaggebend sein können. Im konkreten Fall geht es ja nicht um einen aufgedeckten Einzelfall, sondern um ein entdecktes Verhaltensmuster, bei dem es um nicht weniger geht, ob eine Person die Wahrheit sagt oder eben nicht und damit, ob man ihr in der Folge auch bei anderen –politischen – Dingen trauen kann. So kämen wir hier zu dem grundsätzlichen Schluss, dass das öffentliche Interesse gegenüber der Privatsphäre überwiegt.
Vertrauen und Verlässlichkeit
Jetzt könnte man sagen und einwenden: Die Politik war schon immer (und ist es heute vermutlich noch viel mehr) eine Schlangengrube, in die sich eine so junge Frau erst einmal hinein trauen muss. Dort zu reüssieren ist von Haus aus schon kein Spaziergang, was vermutlich mit ein Grund ist, weshalb es schon viele "gute" Leute desillusioniert von dort wieder weg in die Privatwirtschaft getrieben hat. Nicht alle haben einen so "starken" Charakter, das auszuhalten, was die Politikverdrossenheit womöglich noch weiter befeuert (aber das ist schon wieder Stoff für einen anderen Gastkommentar). Und die Kandidatin ist noch jung und kann durchaus mal Fehler machen, die man verzeihen sollte. Auch der Zeitpunkt könnte einem vielleicht zu denken geben, weshalb diese Informationen just in dem Moment ans Tageslicht gezerrt werden, wo sie der Person und Partei größtmöglichen Schaden zufügen können – was aber auch nicht zum ersten Mal in der Geschichte passiert ist.
Der Knackpunkt ist und bleibt aber, dass die Mindestanforderung – nämlich Integrität – mit dem angeführten angeblichen Verhalten leider nicht erfüllt wurde. Diese braucht es aber dringend, nicht nur in der Politik, sondern auch im Wirtschaftsleben. Unternehmerischer Erfolg kann auch nur auf Vertrauen und Verlässlichkeit aufgebaut werden, und mit unserer 240-jährigen Geschichte können wir bei JTI Austria, so glaube ich, mit Fug und Recht behaupten, dass diese von Integrität und Charakter zeugt.
www.jti.com
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