Die Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV NÖ) und Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) bündeln weiter ihre Kräfte. Vor wenigen Tagen luden sie gemeinsam zum Industrieforum mit dem Titel "Industriestandort Europa: Das Märchen vom leistungslosen immerwährenden Wohlstand". Rund 250 Gäste aus Industrie, Wirtschaft, Politik und Medien ließen sich nicht zweimal bitten und statteten der Veranstaltung im Experience Center der CNH in St. Valentin einen Besuch ab.
Enge Verbundenheit
"Die beiden Länder haben sehr viel miteinander zu tun. Unsere Mitgliedsbetriebe haben teilweise in beiden Bundesländern Niederlassungen. Oberösterreich hat 27 Prozent der österreichischen Industriewertschöpfung, Niederösterreich 16 Prozent. Wenn man das zusammenzählt, repräsentieren wir fast die Hälfte von ganz Österreich. Insofern ist es logisch, dass wir unsere Kommunikation sehr eng verzahnen. Heute veranstalten wir das erste gemeinsame Event", betonte Stefan Pierer, IV OÖ-Präsident und CEO von Pierer Mobility, gegenüber LEADERSNET.tv die enge (wirtschaftliche) Verbundenheit der beiden Bundesländer.
IV NÖ-Geschäftsführerin Michaela Roither sagt über die Veranstaltung: "Es ist toll, dass sehr viele oberösterreichische und niederösterreichische Mitglieder hier vor Ort sind. Das zahlreiche Erscheinen zeigt auch, wie viel Elan und Esprit in diesem Thema stecken. Das verspricht spannende Diskussionen."
IV NÖ-Präsident fordert 41-Stunden-Woche
Beim Industrieforum selbst ging es darum, zu erörtern, wie Österreich und Europa in Anbetracht der zahlreichen globalen Herausforderungen ihren über Jahre hinweg aufgebauten Wohlstand halten können. Diesbezüglich fand IV-NÖ-Präsident Kari Ochsner klare Worte: "Angesichts der sich beschleunigenden Deindustrialisierung und des zunehmenden globalen Wettbewerbs ist es wichtig, dass wir endlich gemeinsam Realitäten anerkennen und ein klares Bekenntnis zur Mehrleistung ablegen. In diesem Kontext erscheinen Diskussionen über Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich völlig realitätsfern. Stattdessen sollte dringend über die Erhöhung der Arbeitszeit auf 41 Stunden bei gleicher Bezahlung diskutiert werden." Nur so könnten wir die Lebensqualität und den Wohlstand, den wir über Generationen hinweg aufgebaut haben, erhalten und im internationalen Leistungsvergleich bestehen. Darüber hinaus werde laut Ochsner die Freude an Mehrleistung in Europa oft auch durch eine überbordende Bürokratie torpediert. "Das ist für uns Unternehmer:innen nicht nur kostspielig, sondern auch demotivierend für unsere Mitarbeiter:innen. Auch Bürokratie steht einem echten Leistungsgedanken im Weg und zehrt an der Motivation unserer Arbeitskultur", so der IV NÖ-Präsident.
Stefan Pierer schlug in die selbe Kerbe: "Europa, einst weltweit führender Industriestandort, sieht sich heute mit einem deutlichen Rückgang beim Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung konfrontiert. Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Investitionen gehen an Amerika und Asien verloren. Europa braucht eine Neuorientierung und einen Industrial Deal." Der IV OÖ-Präsident hat auch klare Forderungen und Vorstellungen, was getan werden müsse, um den Wohlstand zu erhalten. Damit es nicht zum dauerhaften Abfluss von industrieller Wertschöpfung komme, müssten Politik und Gesellschaft mit Fleiß und Einsatz die strukturellen Probleme des Landes lösen, so Pierer, der auch für eine Reduktion von Kosten und Bürokratie plädiert. Ferner müssten Stärken wie die berufliche Qualifizierung sowie die Forschung und Entwicklung weiter gestärkt werden. "Und vor allem muss Leistung gefördert werden", so der IV OÖ-Präsident.
Wohlstand gibt es nicht zum Nulltarif
Als Keynote-Speaker konnten IV NÖ und IV OÖ den EU-Kommissar Johannes Hahn (Budget und Verwaltung) gewinnen. Nach seiner Rede fand eine Podiumsdiskussion mit Hahn und den beiden Präsidenten statt, moderiert von der deutschen Journalistin und Bestseller-Autorin Nena Brockhaus. Dabei ging es um die grundlegende Frage: Wie können wir den Industriestandort Europa stärken und Europa wieder global wettbewerbsfähig machen?
Johannes Hahn sagte auf die LEADERSNET.tv-Frage, wie man es schafft, dass Europa wettbewerbsfähig bleibt: "Zunächst braucht es ein gewisses Selbstbewusstsein. Wir haben immer eine gewisse Tendenz zur 'Selbstverzwergung'. Im Zweifelsfall ist alles schlecht, was in Summe so jedoch gar nicht zutrifft. Natürlich gibt es Herausforderungen. Wir müssen uns im Klaren sein, dass es Wohlstand nicht zum Nulltarif gibt. Dafür muss man sich engagieren, aktiv sein, etwas arbeiten und leisten. Diese Grundhaltung muss man in der Gesellschaft wieder stärker verankern."
Nena Brockhaus sieht ebenfalls Handlungsbedarf: "Der europäische Binnenmarkt funktioniert nicht mit einer Vier-Tage-Woche und vom Homeoffice aus."
Fazit und weitere Interview-Partner
Abschließend kann man festhalten, dass der einhellige Tenor am Industrieforum lautete, dass einige Stellschrauben gedreht werden müssen, um den über viele Jahrzehnte aufgebauten Wohlstand in Europa aufrecht zu halten. Der Zug sei noch nicht abgefahren, aber die bereits angelaufene Deindustrialisierung unseres Kontinents müsse schnellstmöglich gestoppt werden.
Neben Kari Ochsner, Stefan Pierer, Michaela Roither, Johannes Hahn und Nena Brockhaus holte LEADERSNET.tv außerdem Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär, Joachim Haindl-Grutsch, GF IV-OÖ, Barbara Ascher, Vizepräsidentin IV-NÖ, Günther Ofner, Vorstand Flughafen Wien, Johannes Hödlmayr, Hödlmayr International AG, Michael Strugl, CEO Verbund und Thomas Welser, CEO Welser Profile, vor die Kamera.
Fotos vom Industrieforum sehen Sie in der Galerie.
www.niederoesterreich.iv.at
www.oberoesterreich.iv.at
Kommentar schreiben