"Unternehmen können sich vom Mitbewerb positiv abheben, wenn sie Menschen statt Roboter einsetzen"

| Redaktion 
| 28.11.2023

Manuela Haschke ist seit rund 30 Jahren Kommunikationstrainerin von Telemark Marketing. Mit ihrer Firma "WortManuFaktur" trainiert sie auch Banken, Versicherungen und weitere Branchen. Für Unternehmen aus der Telekombranche stellt sich derzeit die Frage, wie sie KI nutzen können, um sich diverse Vorteile zu verschaffen. LEADERSNET hat bei der Expertin nachgefragt, wie sie die Entwicklung einschätzt.

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Haschke, ist die Telekommunikationsbranche offen für neue Entwicklungen und welche KI-Anwendungsmöglichkeiten gibt es im Telefonbereich?

Manuela Haschke: Die Telekommunikationsbranche war schon immer für neue Technologien aufgeschlossen. Der Einsatz von Technik und neuen Möglichkeiten hat in diesem Bereich bereits viele Innovationen salonfähig gemacht. Zurückblickend ist da schon einiges passiert: Vom Telefonbuch, aus dem man die Kund:innen selektiert hat hin zur modernen Datenbank; vom händischen Eintippen der Telefonnummer bis zum Powerdialer, der das für den:die Telefonagent:in übernimmt. Das unangenehme Warten vor dem Abheben, untermalt durch seltsame Tastenklänge, ersetzt durch moderne im Tonstudio produzierte Texte oder Musik. Es gibt aber auch technische Lösungen, die nicht beliebt sind bei Anrufer:innen. Da könnte sich das Nutzen von KI durchaus einreihen, nämlich in jenen Bereichen, wo das echte Gespräch zwischen zwei Menschen ersetzt werden soll.

LEADERSNET: Was meinen Sie damit korrekt?

Haschke: Ich denke etwa an das automatisierte Verbinden. Egal, ob per Tastenwahl: "Drücken Sie 1, wenn Sie mit der Buchhaltung sprechen wollen, 2 wenn Sie mit XY sprechen wollen, ..." oder auch die Variante der automatisierten Vermittlung, wenn der:die Anrufer:in selbst sprechen muss; am besten klar und deutlich: "Küchenabteilung" oder "Reklamationsabteilung". Oder das Thema Chatbot, bei dem mit synthetischer Stimme häufige Fragen automatisiert beantwortet werden können.

Bei Befragungen kam deutlich heraus, dass der Wunsch, einen echten Menschen ans Telefon zu bekommen, am stärksten ist. Stellen Sie sich vor, Sie möchten sich beschweren, und Sie schaffen es nicht, mit jemanden darüber zu sprechen. Das steigert den Grad der Unzufriedenheit ungemein. Und auf Grund dieser Erfahrungswerte ist für mich ein nicht genau überlegter Einsatz von KI im Telekommunikationsbereich fraglich.

LEADERSNET: Wo sehen Sie einen sinnvollen Einsatz von KI bei Telefonaten?

Haschke: Es gibt sinnvolle Anwendungsfelder, etwa Voicebots, die über den Stand der Schadensbearbeitung bei Versicherungen, Check-In von Fluglinien oder den Reparaturstatus bei Autowerkstätten informieren. Praktisch sind Informationen über Lieferstatus, Lieferzeit, in welcher Filiale sind bestimmte Produkte bei einem Handelsunternehmen lagernd sind. Bei Telekommunikationsanwendungen kann KI bei der Selektion des anzurufenden Gesprächspartners oder bei der Wahl des Anrufzeitpunkts unterstützen. So könnte etwa ein System nach Wettersituation regionale Gesprächspartner filtern, etwa wenn man Landwirte erreichen möchte, aber es bei speziellen Wetterbedingungen unpassend wäre… In spezifischen Bereichen ist der Einsatz von KI hilfreich und spart Kosten.

LEADERSNET: In welchen Bereichen ist der Mensch nicht wegzudenken?

Haschke: Immer dort, wenn neben den reinen Inhalten die Beziehungsebene wichtig ist. Roboter können nur Informationen liefern; hier passiert alles auf der Inhaltsebene. Mensch können jedoch auch eine Beziehungsebene schaffen, da spielen Empathie und Humor eine Rolle. Kund:innen, die sich bei Anfragen oder Beschwerden im Stich gelassen fühlen, werden schnell zu Wechselkund:innen. Ein häufig genannter Kritikpunkt von Kund:innen lautet, dass Unternehmen nur etwas verkaufen wollen, aber wenn man danach etwas benötigt, kümmert sich niemand mehr um einen. Und; dass früher Service einfach besser war. Unüberlegt eingeführte KI-Telefonanwendungen werden die Situation nicht verbessern. Oft gibt es den dezidierten Wunsch mit einem echten Menschen zu telefonieren. Die Komponente Mensch ist noch immer ausschlaggebend bei Überzeugungsarbeit, Sicherheit geben oder Bedenken ausräumen bis hin zu positiver Motivation und somit für das gute Gelingen eines erfolgreichen Telefonats. Unternehmen können sich vom Mitbewerb positiv abheben, wenn Sie Menschen statt Roboter einsetzen.

LEADERSNET: Sie sind Vertriebs- und Kommunikationstrainerin; wie sehen Sie den Faktor Mensch in der Kommunikationswelt. Werden wir bald ersetzt?

Haschke: Ich darf Sie beruhigen, ohne dem:der echten Gesprächspartner:in wird es keine echten Gespräche geben. Sie können sich jederzeit inhaltlich über Fakten informieren, egal ob im Internet, auf Plattformen oder bei digitalisierten Voice Portalen. Sobald die Inhalte ein "echtes" Gespräch erfordern, ist das Geschick von Menschen gefragt. Trainings zum Thema "Umgang mit schwierigen Gesprächspartner:innen", "wertschätzende Kommunikation statt Eskalation" bis hin zu "Resilienz" boomen. Ich denke manchmal auch deshalb, weil Unternehmen den Kund:innen immer weniger Möglichkeiten für echte Gespräche anbieten; ich würde sagen, dass es oft ein Hürdenlauf geworden ist, mit einem:r Mitarbeiter:in zu sprechen. Die Erwartungen an diese:n Mitarbeiter:in, wenn man "endlich" jemanden ans Telefon bekommt, sind logischerweise gestiegen. Das ist für mich der Grund, warum wir unsere Mitarbeiter:innen dahingehend unterstützen und fit halten müssen. Die fachliche Kompetenz allein reicht nicht mehr, um ein kompetentes Gespräch freundlich und wertschätzend zu führen.

LEADERSNET: Kann man "richtiges Telefonieren" erlernen, oder muss man dafür geboren sein?

Haschke: In meinen Seminaren sprechen Teilnehmer:innen oft Bedenken aus, dass sie nicht gerne telefonieren, weil sie Hemmungen haben, manchmal sogar Angst verspüren. Telefonieren ist erlernbar. Oft reicht es an ein paar Stellschrauben zu drehen. Das kann etwa sein, positiver zu formulieren, Konjunktive zu ersetzen oder die Sprechgeschwindigkeit anzupassen. Mit positiven Füllwörtern und richtigen Fragestellungen fühlt sich der:die Gesprächspartner:in wertgeschätzt und verstanden.

Die Herausforderungen sind im Regelfall die "schwierigen" Telefonate, etwa bei Beschwerden oder Konfliktsituationen. Hier sollte man versuchen, das Emotionale vom Sachlichen zu trennen und dadurch freundlich und kompetent aufzutreten. Der Kunde braucht einen echten Gesprächspartner, der für ihn da ist und das im Idealfall sogar gerne. Dass eine KI-Anwendung hier einen Menschen komplett ersetzen wird, werde ich wahrscheinlich nicht mehr erleben.

www.telemark-marketing.com

Markus Hieber
Endlich jemand, der nicht auf den KI-Zug unreflektiert aufspringt!

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