Viele meiner geneigten Leser:innen haben – auch aus meiner Feder – bereits einiges über Transformation und Änderungen auf zahlreichen Ebenen in der Gesellschaft und Wirtschaft gelesen. Nun bin ich kürzlich auf einen sehr interessanten Artikel gestoßen, der von einer Studie des National Bureau of Economic Research in Cambridge (USA) berichtete. Drei Wissenschaftler befassten sich in ihrer Arbeit mit der Frage, ob eine grüne Transformation der Wirtschaft eher durch finanzielles Engagement für oder doch durch Ausschluss sogenannter "nicht-grüner" Firmen – also jener, die im Sinne von Environmental Social Governance (ESG)-Kriterien weniger gut bis schlecht performen – von Investments zu erreichen ist. Die Studie nahm hier vor allem Firmen in Bezug auf C02 Vermeidung unter die Lupe.
"Grünes Geld"
Ausgangspunkt der Analyse war die Tatsache, dass seit 2021 beinahe alle Aktien jener Firmen, welche auf erneuerbare Energien setzen, weltweit mehr als ein Drittel ihres Wertes eingebüßt haben. Viele Anleger:innen waren dennoch einigermaßen gefasst, weil sie mit ihrer Anlage ja vermeintlich zur ökologischen Transformation – vor allem zu einer C02 Reduktion – beitragen würden und damit etwas Gutes bewirken würden. Genau hier setzen die neuen Erkenntnisse und Studien an und kommen zu einem ganz anderen Schluss, nämlich dass gerade der Ausschluss sogenannter "schmutziger" Unternehmen bei der Anlage nicht den intendierten Druck auf diese ausübt, indem ihnen Geld entzogen wird – das Geld haben diese Firmen ja bereits mit der Ausgabe der Aktien verdient. Wechseln die Aktien die Besitzer:innen, so ist dies ja nicht mit neuem Kapital für das Unternehmen verbunden.
Darüber hinaus können Investor:innen – wenn sie sich mit "grünem Geld" nicht an diesen Unternehmen beteiligen – auch ihre "grünen" Ideen als Aktionär:innen dort nicht umsetzen. Eingeräumt wird zumindest, dass der Ausschluss solch "schmutziger" Unternehmen einen indirekten Effekt haben könnte, wenn diese quasi ausgeschlossenen Unternehmen aufgrund von Kursabschlägen bei deren Aktien Probleme bei der Refinanzierung bekommen könnten.
Wobei hier auch eher die Tendenz gesehen wird, dass diese Firmen, eben weil sie von "grünen" Fonds/Anleger:innen ausgeschlossen sind, umso mehr Geld von anderen Investor:innen bekommen.
"Engagement in unerwünschte Unternehmen"
Sollten aber – wie wohl von vermeintlich grünen Anleger:innen gewünscht – diese Unternehmen keine Finanzierung erhalten, dann entsteht ein noch größeres Übel, denn damit fallen nämlich genau jene, die über die größten Hebel zur grünen Transformation verfügen würden, um diese so wichtigen finanziellen Engagements um. Das bedeutet wiederum, diese Firmen können dann auch keine grüne Transformation einleiten. Das stellt in weiterer Folge die Grundlage der EU-Taxonomie und ihrer ESG-Strategie in Frage, welche ja auf eben diesem Ausschlussprinzip beruht. Viel wirkungsvoller, so die Expert:innen der Studie, könne es sein, wenn Anleger:innen eben in nicht-grüne Unternehmen investierten und dort Druck in Richtung umweltfreundliche Transformation ausüben. Und zwar je mehr, desto besser und effektiver.
Diese Erkenntnis muss für viele grüne Ideen erschreckend sein, denn die Quintessenz lautet: "Engagement (auch finanzielles) in unerwünschte Unternehmen reduziert Emissionen und erhöht die Chance grüner zu werden – und nicht das Ausschlussprinzip." Also, je mehr grüne Investor:innen umso höher der Druck, dass diese Unternehmen transformieren.
Änderungen nur von innen
Diese eigentlich logische Schlussfolgerung sollte uns ganz grundsätzlich zum Nachdenken anregen, weil sie auf vielerlei Formen der Transformation zutrifft. Egal ob es um private Beziehungen geht oder um die Wirtschaft: Änderungen können wir nur von innen erreichen, nicht durch Ausschluss – Extremsituationen, kriegerische Auseinandersetzungen oder sonstige Situationen, in denen es gar keine andere Alternative mehr gibt, einmal beiseitegelassen. Im Falle der grünen Transformation hätte nämlich folglich ein Engagement von Investor:innen bei Atomkraft betreibenden Unternehmen sicherlich mittel- bis langfristig mehr bewirken können, als der Versuch des Ausschlusses dieser Firmen bzw. Technologien.
Insofern darf also durchaus bezweifelt werden, ob das Ausschlussprinzip tatsächlich ein zielführender Ansatz ist, oder ob nicht doch besser das mit angeblichen "Problemen" behaftete Unternehmen als Teil der Lösung integriert werden sollte. Diese Erkenntnis sollte zumindest den Raum zum Nachdenken öffnen und eine Neubewertung dessen, was es für eine Transformation tatsächlich braucht, ermöglichen.
Auch JTI Austria hat in seiner 239-jährigen Unternehmensgeschichte einige Transformationen durchlaufen – Transformationen, die am Weg zur Verbesserung notwendig geworden sind. Dabei hat man auf eine alte Binsenweisheit gesetzt, die da heißt, "das Übel an der Wurzel zu packen" und nicht, der Wurzel die Nährstoffe zu entziehen und zu hoffen, dass sie sich von selbst auflöst. Nicht nur Gartenfreunde wissen, dass dies in den seltensten Fällen eine gute Strategie ist.
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