Der aktuelle "Electric Vehicle Sales Review" von PwC Autofacts und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, enthält einige interessante Entwicklungen am Elektroautomarkt. In der Analyse werden regelmäßig die Neuzulassungszahlen in weltweit 20 ausgewählten Märkten ausgewertet. Demnach verzeichneten die deutschen Hersteller in den ersten drei Quartalen dieses Jahres ein höheres Absatzwachstum als der globale und insbesondere der chinesische Markt. Die Aufholjagd der Autobauer aus unserem Nachbarland am Markt für reinelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) gewinne an Fahrt, so die Studienautor:innen.
Weltweit hätten sie ihre Verkäufe reiner Stromer um 63 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesteigert, der Gesamtmarkt habe demnach um "nur" 33 Prozent zugelegt. In China verbesserten sich die deutschen Hersteller laut der Studie um 39 Prozent, während der Markt insgesamt um 26 Prozent wuchs. Trotz dieser Erfolge bleibe der Abstand zu den Marktführern groß. So konnten deutsche Autobauer in China innerhalb der ersten drei Quartale dieses Jahres nur knapp über 200.000 Fahrzeuge verkaufen. Tesla dagegen setzte allein von seinem Model Y fast 280.000 Exemplare auf dem chinesischen Markt ab, teilten PwC Autofacts und Strategy& mit. Für das nächste Jahr prognostiziert die Studie ein globales BEV-Absatzplus von 40 Prozent für die deutschen Hersteller. Die chinesischen Autobauer könnten um 30 bis 32 Prozent wachsen – allerdings starten diese auf einem viel höheren Niveau.
Europa droht eine neue Nord-Süd-Schere
Während der chinesische Elektroautomarkt im dritten Quartal 2023 an Dynamik verlor, setzte sich das Wachstum in Österreich fort. Hier wurden 20 Prozent mehr BEVs zugelassen als im Vorjahresquartal. Damit erreichten Batterie-Autos einen Marktanteil von 19 Prozent (LEADERSNET berichtete), was laut der Studie einem Zuwachs von 45 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Siegeszug reiner Stromer setze sich voraussichtlich auch im kommenden Jahr fort, so die Expert:innen. Für die USA prognostiziert die Studie ein BEV-Wachstum von 27 Prozent, für China ein Plus von 34 Prozent, für die fünf europäischen Kernmärkte Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien sowie UK einen Anstieg von 43 Prozent. Während sich Europa damit an die Spitze setze, würde sich innerhalb des Kontinents ein Nord-Süd-Gefälle abzeichnen. So haben E-Autos demnach in Österreich, Deutschland, Frankreich und UK inzwischen die Grenze von 16 Prozent Marktanteil, die als Eintrittsbarriere in den Mainstreammarkt gilt, durchbrochen. Spanien (6 Prozent) und Italien (4 Prozent) dagegen würden bei der Marktdurchdringung im einstelligen Bereich verharren, was sowohl die jeweiligen staatlichen Klimaziele als auch die der gesamten EU in Gefahr bringe.
"Trotz regional unterschiedlicher Geschwindigkeiten setzt sich die Transformation der Automobilbranche mit rasantem Tempo fort. Gerade die deutschen Hersteller haben – nach einer Findungsphase – die Herausforderung angenommen und melden sich mit mutigen und technisch exzellenten Modellen zurück", sagt Günther Reiter, Automotive Leader bei PwC Österreich. "Wir sehen immer mehr Modelle, die den Nutzungsanforderungen der Kund:innen entsprechen, aber vor allem das Markenerlebnis stärker emotionalisieren. Um den Abstand zu den Marktführern aus China und USA zu verkürzen, müssen sie jedoch das Angebot an preislich wie technisch wettbewerbsfähigen Modellen weiter ausbauen. Dafür müssen die Hersteller die Lieferkette – und damit die Kosten – noch stärker kontrollieren als bisher."
Plug-in-Hybride erleben zweiten Frühling
Beim Kampf um Marktanteile könnten zumindest mittelfristig auch Plug-in-Hybride (Plug-in Hybrid Electric Vehicle, PHEV) wieder eine stärkere Rolle spielen. Die Brückentechnologie habe im dritten Quartal dieses Jahres in fünf Kernmärkten ein Comeback gefeiert – und übertraf reine Stromer in Frankreich, Italien, UK, China sowie den USA bei den Wachstumsraten. Gerade im mit Abstand größten E-Mobilitäts-Markt China hätte sich diese Entwicklung besonders deutlich gezeigt. Die PHEV-Zulassungen stiegen hier im Vergleich zum Vorjahresquartal um 71 Prozent, während die E-Auto-Absätze um nur noch 16 Prozent zulegen konnten. Hauptgrund für den zweiten Frühling der PHEVs in China sei das breite Angebot zu attraktiven Preisen. Auch in Österreich werden Plug-in-Hybride weiterhin stark nachgefragt. Das liege auch daran, dass für den Kauf eines PHEV keine NoVA anfällt und an der Diskussion um das Aus für staatliche Förderungen solcher Fahrzeuge ab 2024. Von Jänner bis September waren sieben Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge PHEVs, was einem Anstieg um 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Batterieinnovationen weiterhin als Game Changer
"Chinesische Marktführer zeigen aktuell sehr gut, wie sie sich mit neuartigen Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP), die günstig, kälteresistent und schnell zu laden sind, gerade im unteren und mittleren Segment vom Markt absetzen können. Die europäischen Hersteller haben hier noch wenig entgegenzusetzen, weil sie bislang vor allem auf leistungsstärkere, aber auch teurere Akkus für das mittlere und obere Segment gesetzt haben", sagt Johannes Schneider, Partner bei Strategy& Österreich. Um künftig in allen Segmenten mithalten zu können, müssten diese ebenfalls in eigene LFP-Entwicklung und Fertigungen investieren. Die Herausforderung für die europäischen Hersteller sei, ihre Wettbewerber nicht nur möglichst schnell einzuholen, sondern in absehbarer Zukunft auch an ihnen vorbeizuziehen, so der Experte abschließend.
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