Eigenverantwortung und Leistung

| Redaktion 
| 09.07.2023

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Hören Sie sie auch überall? Die Rufe nach dem Staat, nach Hilfe und mehr Regulierung? Gefordert werden Unterstützungsleistungen für unterschiedlichste Berufsgruppen, für Menschen mit geringem Einkommen, Miet- und Strompreisbremsen, Führerscheinprüfungen für Personen ab einem gewissen Alter, Werbebeschränkungen für Zucker und alkoholische Getränke – die Liste könnte man beliebig lang und auch breit fortsetzen. Der Staat soll es regeln und richten – und zwar in jeder Hinsicht und bis in so gut wie jeden Bereich des täglichen Lebens. Zur Durchsetzung wird die Androhung von Strafen als probates Mittel angesehen, gleichzeitig sollen staatliche Unterstützungsleistungen zum Gelingen beitragen. Und diese Anspruchshaltung hat, so hat es zumindest den Anschein, nach der Pandemie-Zeit sogar noch zugenommen, während Forderungen nach dringend benötigten Reformen der Arbeitswelt, der Pensionen etc. abgenommen haben.

Ich frage mich, was aus der Idee von aufgeklärten und selbständigen Bürger:innen geworden ist? Haben wir vergessen, was Subsidiarität bedeutet? Wollen die Menschen keine Selbstbestimmung mehr in ihrem Leben, ist ihnen dies zu viel der Verantwortung? Ein durch und durch erschreckender Gedanke!

"Von der Wiege bis zur Bahre"

Denn was bedeutet es, wenn alle Schritte, alle Bereiche vorgegeben und von vornherein reguliert sind? Ich behaupte: nicht weniger als den Tod jeglichen Fortschritts! Die Vergangenheit hat doch eindrücklich gezeigt, dass Entwicklungen – egal ob technischer, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Natur – sich nur dort Bahn brechen können, wo Menschen frei und selbstbestimmt forschen, denken, arbeiten und sich entwickeln können. Dazu gehört auch das Zulassen des Scheiterns, das Lernen aus Fehlern und das Übernehmen von Verantwortung. Durch Vorschriften bzw. Regulierungen "von der Wiege bis zur Bahre" stranguliert sich die Gesellschaft aber selbst – bis zum völligen Erstarren.

Leistung sollte Spaß machen

Was muss also passieren? Der Staat und seine Institutionen müssen Eigenverantwortung wieder stärken, dem Subsidiaritätsprinzip muss wieder Leben eingehaucht werden, sprich: nicht mehr, sondern weniger Regulierungen. Dazu bedarf es auch steuerlicher Entlastungen, damit die Menschen wieder eigenverantwortlich mehr investieren, mehr sparen und somit mehr für sich selbst (vor)sorgen können, anstatt stets auf die allzu verlockende soziale Hängematte zu schielen. Der Begriff Leistung muss sein ramponiertes Image loswerden! Heute wird einem durch die Medien und auch von Vertreter:innen einzelner Parteien suggeriert, dass Leistung nur etwas für ein paar Übermotivierte ist, jedenfalls nichts Erstrebenswertes. Früher war Leistung mal was Tolles, etwas, wodurch man sich Ansehen (teilweise in Form von Neid) erarbeiten konnte und dort sollten wir wieder hin! Leistung sollte belohnt werden, und zwar nicht nur steuerlich, sondern auch durch gesellschaftliche Anerkennung – kurzum: Leistung sollte Spaß machen.

Rückkehr zur Eigenverantwortung

Denn eines ist klar: Eigenverantwortung und Leistung gehen Hand in Hand. Doch genau diese Eigenverantwortung müssen wir erst wieder lernen, und dazu bedarf es einer Bildungsinitiative, die dies unterstützt, inklusive einer Finanz- und Wirtschaftsbildung.

Und dann kann auch der Spaß zurückkehren – an der Eigenverantwortung, an der Leistung und vor allem daran, einen Beitrag zum Florieren einer Gesellschaft zu leisten. Wie viel erfüllender ist es, aus eigener Kraft etwas geschafft, etwas erreicht zu haben? Können Sie sich noch an das erhabene Gefühl über das erste selbst verdiente Geld erinnern? Dieser Geschmack nach Freiheit, nach Unabhängigkeit (niemandem mehr auf der Tasche zu liegen!), nach Anerkennung der eigenen Leistung? Ist es denn nicht viel schöner und erstrebenswerter, auf diese Art dem Staat etwas zurückzugeben und nicht von einem Beobachtungsposten der Gesellschaft beim Wachsen zuzusehen, sondern dieses Wachstum aktiv mitzugestalten? Ich persönlich – und ich hoffe auch Sie! – gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir alle zur Eigenverantwortung zurückkommen und Freude an der Leistung auch als Wert anerkennen.

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