Die Welt hat einen bedeutenden Journalisten verloren, Österreich womöglich seinen bedeutendsten: Am Donnerstag, den 1. April 2021 ist Hugo Portisch im 95. Lebensjahr verstorben. Portisch war nicht nur eine Galionsfigur für Qualitätsjournalismus und nationales Geschichtsbewusstsein, sondern auch bereits zu Lebzeiten eine unerreichte Legende seines Fachs.
Lebende Legende
Hugo Portisch gehört zu den wichtigsten, angesehensten und hochdekoriertesten Journalisten Österreichs und prägte vor allem durch seine ikonischen Fernsehproduktionen "Österreich I" und "Österreich II" das Geschichtsbewusstsein der Nation nachhaltig. Der vielinteressierte Portisch verstand es wie kein Zweiter, komplexe Sachverhalte in einfachen Worten zu erklären und begeisterte die Menschen für Zeitgeschichte.
Besonders die Nazizeit, die der im Jahr 1927 geborene Portisch selbst miterlebt hatte, prägte den überzeugten "Antinazi", der zeitlebens dafür eintrat, dass sich Österreich (welches sich in der Nachkriegszeit gerne die Hände in Unschuld wusch und Hitler nach Außen hin als Deutschen und sich selbst in der Opferrolle des Nationalsozialismus darstellte – Anm. d. Red.) seiner Geschichte bewusst wird und Verantwortung für die Mitschuld an den Kriegsverbrechen unter Hitler übernimmt. Hugo Portischs Dokumentation über den Zweiten Weltkrieg, die er gemeinsam mit Henry Kissinger erstellte, erregte weltweites Aufsehen und das von ihm initiierte Rundunkvolksbegehren für die Unabhängigkeit des ORF war das erste und eines der erfolgreichsten in der österreichischen Geschichte.
ORF-Chef Alexander Wrabetz, Bundespräsident Alexander van der Bellen, Hugo Portisch und Ex-Bundespräsident Heinz Fischer bei der Ehrenfeier zu Hugo Portischs 90. Geburtstag im ORF-Zentrum 2017 © LEADERSNET/Mikkelsen
Vollblut-Journalist
Portisch, der auf eine beachtliche Karriere im Journalismus zurückblicken konnte, wurde seine Zunft quasi in die Wiege gelegt: In Bratislava (damals Preßburg) als Sohn eines niederösterreichischen Journalisten geboren, landete der junge Portisch nach einigen Kriegswirren in Wien, wo er studierte.
Im Jahr 1948 begann er gemeinsam mit Hans Dichand bei der Tageszeitung, die der Wirtschaftskammer nahe stand, zu arbeiten. 1950 besuchte er für sechs Monate die "School of Journalism" an der Universität Missouri, wo er nebst dem Journalistenhandwerk vor allem die beiden Grundwerte vermittelt bekam, für die er stets einstand wie kein anderer: Journalistische Unabhängigkeit und die Verpfllichtung der Wahrheit gegenüber. Die Marke Hugo Portisch stand und steht für höchsten Qualitätsjournalismus, das genaue Gegenteil des heute so geflügelten Begriffs der "Fake-News". Portischs Credo in Sachen Recherche lautete: "Check, re-check, double-check."
1955 wurde er vom damaligen Chefredakteur Hans Dichand als Stellverteter zum neu gegründeten Kurier geholt, bevor er nach dessen Abgang selbst zum Chefredakteur wurde. Portisch war in dieser Position viele Jahre lang für die damals größte Tageszeitung tätig bevor er später als Chefkommentator des ORF anheuerte und auch als weltpolitischer Kommentator zum Bayerischen Fernsehen ging.
Hugo Portisch mit Bundespräsident Alexander van der Bellen bei einer Feier anlässlich seines 90. Geburtstags im ORF-Zentrum im Jahr 2017 © Andreas Tischler
Hohe Würden und Ehrengrab in Wien
Hugo Portisch wurde für seine Arbeit mit unzähligen Würden bedacht. So wurde Portisch unter anderem mit dem Karl-Renner-Preis, dem Österreichischen Staatspreis, der "Goldenen Kamera" und dem Fernsehpreis "Romy" ausgezeichnet. Im Jahr 2018, im selben Jahr in dem Portisch Abschied von seiner Frau Gertraude nehmen musste, wurde er zum Wiener Ehrenbürger ernannt und im Herbst 2019 erhielt er das "Goldene Ehrenzeichen der Republik", die höchste Auszeichnung die Österreich zu vergeben hat.
Die ganze Republik ist es auch, die nach Bekanntwerden von Hugo Portisch trauert. In einer ersten Reaktion auf die Nachricht vom Tod der Journalistenikone gab Wiens Bürgermeister Michael Ludwig bekannt, dass Hugo Portisch ein Ehrengrab der Stadt Wien bekommt: "Wir trauern um den Doyen des österreichischen Journalismus, er war ein Vorbild für Generationen kritischer Journalisten. Keine und keiner erklärte so gut wie er komplizierte politische Zusammenhänge. Hugo Portisch bekommt ein Ehrengrab der Stadt Wien", so der Ludwig in einer Aussendung.
ORF ändert Programm zu Ehren von Hugo Portisch
Auch die ehemalige berufliche Heimat Portischs, der ORF, zollt dem wohl wichtigsten österreichischen Journalisten nach dem zweiten Weltkrieg Tribut: Bereits direkt am Tag des Bekanntwerdens seines Todes, am 1. April 2021, änderte der ORF sein Hauptabendprogramm auf ORF 2 und ORF III anlässlich des Ablebens von Hugo Portisch mit zahlreichen Nachrufen und Portisch-Dokumentationen. Weitere Programmänderungen in memoriam folgen am Osterwochenende, und auch Österreich 1 ändert sein Programm – Details zu den Programmpunkten finden Sie hier. (rb)
www.hugo-portisch.at
Hugo Portisch mit Paul Lendvai bei einer Feier anlässlich seines 90. Geburtstags im ORF-Zentrum im Jahr 2017 © Andreas Tischler
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