"Wir haben uns im vergangenen Jahr enorm weiterentwickelt"

Nutricia-Milupa-Österreich-Geschäftsführerin Nichole Duttine gibt im Interview Tipps, wie man "das neue Arbeiten" am besten umsetzen kann, erklärt warum Firmen, die sich gegen Homeoffice und Co. wehren, bald abgehängt werden, wie die Gleichstellung vorangetrieben wird und wo Umsatzanstiege verzeichnet werden.

Als mehrfach ausgezeichnetes Unternehmen mit starkem Familienbezug ist der Zugang zu Gleitzeit und flexiblen Teilzeitmodellen für Nutricia Milupa nichts Neues. Homeoffice, Remote Work, Führen aus der Ferne: Wie das reibungslos funktionieren kann, zeigt der Salzburger Traditionsbetrieb, der seit 2007 zu Danone gehört. LEADERSNET hat Nichole Duttine, Geschäftsführerin von Nutricia Milupa Österreich und Mutter von zwei Töchtern, zum Interview gebeten.

LEADERSNET: Ein Jahr Lockdown ist vorbei. Wie hat Nutricia Milupa diese Krisenzeit bis jetzt überstanden?

Duttine: In Anbetracht der Umstände würde ich sagen, dass wir uns ziemlich gut geschlagen haben. Natürlich nicht, ohne dabei viele Herausforderungen meistern zu müssen – dies gilt sowohl für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als auch für den Geschäftsbetrieb. Generell versuche ich, die positive Seite zu sehen: Die neuen Rahmenbedingungen haben uns dazu gezwungen, uns in vielen Bereichen weiterzuentwickeln und haben zu neuen Denkansätzen in Bezug auf Zusammenarbeit und Agilität geführt. Wie können wir auch in diesen Zeiten den engen Kontakt und Austausch mit Eltern, Patienten, dem Handel und klinischen Partnern garantieren? Unabhängig von den Herausforderungen, welche Chancen bietet eine Zeit wie diese? Unser Ziel war es dabei letztlich immer, die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden an erste Stelle zu setzen.

LEADERSNET: Wie ist es gelungen, Homeoffice in einem größeren Umfang einzuführen?

Duttine: Da unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits alle mit Laptops und Mobiltelefonen ausgestattet waren, war der technische Teil keine große Hürde. Ab dem Zeitpunkt, als sich Homeoffice abgezeichnet hat, war von Seiten der IT bereits alles vorbereitet: Monitore und Docking-Stations wurden für die Heimbüros zur Verfügung gestellt. Zusätzliche Ausstattung wurde bestellt. Da Homeoffice schon vor Corona an drei Tagen im Monat für alle möglich war, hatten wir hier also eine gute Ausgangssituation. Etwas komplizierter war es, die Teams trotz physischer Distanz stets nahe beieinander zu halten und den Kommunikationsfluss aufrechtzuerhalten. Besonders die informelle Art zu kommunizieren macht in einem Unternehmen viel aus. Ich muss jedoch sagen, dass meine Teams – sowohl im Innen- als auch im Außendienst – unglaublich agil waren, sich voll und ganz unserer Mission verschrieben und sich gegenseitig unterstützt haben.

LEADERSNET: Was waren die wichtigsten Schritte?

Duttine: Die oberste Prämisse war hier ein entschlossenes Handeln, trotz der vielen unbekannten Variablen. Wir haben darauf vertraut, dass die Teams den bestmöglichen Weg gemeinsam finden und erarbeiten werden. Es hat sich herausgestellt, dass es insbesondere für Führungskräfte sehr wichtig war und nach wie vor ist, nahe an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bleiben, indem man nach noch mehr Feedback fragt und ihnen noch intensiver zuhört.

Auf der anderen Seite erfordert eine solche Situation auch Flexibilität: Für manche war es schlicht nicht möglich, von Zuhause aus zu arbeiten – meist, weil es die Lebenssituation nicht zugelassen hat oder das ausschließliche Arbeiten von Zuhause als psychisch belastend empfunden wurde. Daher war es uns wichtig, neben der Möglichkeit zum Homeoffice, auch das physische Arbeiten im Büro zu unterstützen – natürlich unter Berücksichtigung strengster Hygienebedingungen. In der Summe waren und sind alle diese Faktoren sehr wichtig, um diese heraufordernde Situation als Unternehmen zu meistern.

LEADERSNET: Welche Regelungen waren notwendig, um das Homeoffice für alle erfolgreich umzusetzen?

Duttine: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Es ist wichtig, die Teams über Arbeitszeiten und Verfügbarkeiten zu informieren. Außerdem sollten etwaige Probleme, Hürden oder Komplikationen immer klar angesprochen werden. Darüber hinaus sollte man keine Angst davor haben, auch einmal um Unterstützung zu bitten.

LEADERSNET: Gab es interne Widerstände?

Duttine: Nein, es gab keine Widerstände. Vor allem im ersten Lockdown waren alle durchaus froh, im Homeoffice arbeiten zu können, da dadurch das "Risiko des Unbekannten" gefühlt reduziert werden konnte. Mittlerweile sehen wir aber wieder eine gewisse Notwendigkeit, unsere medizinischen Außendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter unter strengsten Vorsichtsmaßnahmen im Außendienst tätig sein zu lassen. Für diese war die Umstellung vom täglichen, persönlichen Austausch mit dem medizinischen Personal hin zu einer rein digitalen Kommunikation tatsächlich am größten und die Kolleginnen und Kollegen haben es wirklich sehr vermisst, ihre Funktion vor Ort ausüben zu können.

LEADERSNET: Wie hat es Nutricia Milupa geschafft, dass den Teams auf der Strecke nicht "die Luft ausgeht"?

Duttine: Unsere Mission bei Nutricia Milupa ist es, die Lebensqualität der Menschen durch bestmögliche Ernährung zu erhöhen – in den ersten 1.000 Lebenstagen, in denen die Weichen für die Entwicklung gestellt werden, ebenso wie in kritischen Abschnitten des Lebens mit besonderen medizinischen Anforderungen. Diese Mission hält uns alle auf dem Boden der Tatsachen. Mit unseren Produkten und Dienstleistungen machen wir wirklich einen Unterschied im Leben von Babys, Eltern, Patientinnen und Patienten. Das muss natürlich, auch unabhängig von Corona, unsere Leitlinie sein. Alle tun dabei was nötig ist, um zu dieser ultimativen Mission beizutragen und das ist auch unsere stärkste Motivation.

LEADERSNET: Machen Sie einen Unterschied zwischen Homeoffice und Remote Working?

Duttine: Nicht wirklich. Wir bitten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lediglich, jederzeit die Vertraulichkeitsanforderungen unseres Unternehmens zu gewährleisten – sei es der Zugang zu unserer IT-Struktur, zu vertraulichen Dokumenten oder auch in Bezug auf das Führen von Geschäftsgesprächen in "öffentlicheren" Räumen.

LEADERSNET: Wie wurden die flexiblen Regelungen von den Mitarbeitern aufgenommen?

Duttine: Größtenteils wurden die Regelungen sehr gut aufgenommen. Wir versuchen allen dabei zu helfen, die richtige Balance zu finden. Daher können Homeoffice und Büro auch je nach persönlichem Bedarf und Präferenz genutzt werden. Auch in puncto Arbeitszeit ist uns ein Maximum an Flexibilität wichtig – zu gewissen Kernarbeitszeiten muss die Verfügbarkeit gewährleistet sein, aber wann jemand genau zu arbeiten beginnt oder ob währenddessen eine Pause gemacht wird, um die Kinder zu versorgen, liegt im eigenen Ermessen der Teams.

LEADERSNET: Was passierte mit dem Außendienst?

Duttine: Wir haben uns frühzeitig dazu entschieden, niemanden in Kurzarbeit zu schicken. Auch, wenn der medizinische Außendienst zeitweise nicht wie üblich in der Kernfunktion im Einsatz sein konnte. Alle haben in diesen schweren Monaten einen wertvollen Beitrag geleistet und wurden schnell auf neue Arbeitsweisen umgeschult und in neue Projektteams aufgenommen. Der Ansatz, unsere medizinischen Partnerinnen und Partner sowie Apotheken nur per Telefon, E-Mail und Videokonferenzen zu erreichen, war und ist für alle Seiten natürlich eine große Umstellung, aber alle Beteiligten haben sich sehr gut darauf eingelassen.

LEADERSNET: Konnte auch die Geschäftsleitung mit den Arbeitsleistungen zufrieden sein?

Duttine: Ja, auf jeden Fall. Ich persönlich habe eher die Sorge, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu viel arbeiten. Der Computer steht Zuhause, viele persönliche Aktivitäten sind nur mehr eingeschränkt möglich und es gibt keinen "harten Stopp" oder klassischen Feierabend mehr. Einige Menschen neigen dann dazu, einfach weiterzuarbeiten. Wir ermutigen daher jeden, Arbeitstage genauso zu planen, wie man es in einer Bürosituation tun würde. Außerdem betonen wir die Wichtigkeit, regelmäßige Pausen einzulegen, virtuelle Meetings auch einmal beim Spazierengehen zu erledigen und sich etwas Gesundes zu kochen. Darüber hinaus werden unsere Teams angehalten sich Urlaub zu nehmen, um wieder neue Energie schöpfen zu können.

LEADERSNET: Wie sieht ein Arbeitstag derzeit bei Ihnen persönlich aus?

Duttine: Ich versuche aktuell Homeoffice und Präsenz im Büro sinnvoll zu kombinieren. Die Realität ist jedoch, dass ich, egal wo ich bin, die meisten Stunden des Tages ohnehin in Videokonferenzen sitze. Ab und zu im Büro zu sein gibt mir jedoch die wertvolle Möglichkeit, meine Teammitglieder zu sehen, sofern diese sich ebenfalls dafür entscheiden, wieder einmal Büro-Luft zu schnuppern. Darüber hinaus genieße ich es sehr, auch persönlichere Gespräche zu führen und mich – ehrlich gesagt – auch körperlich mehr zu bewegen, beispielsweise am Hin- und Rückweg ins Büro.

LEADERSNET: Kommt bei all den Veränderungen der Geschlechtergleichstellung auch eine Rolle zu?

Duttine: Definitiv. Wir sehen im flexiblen Arbeiten auch die Chance für eine fairere Aufteilung von Kinderbetreuungs- und Haushaltspflichten. Väter müssen ermutigt und befähigt werden, mehr familiäre Verantwortung zu übernehmen. Durch diese Unterstützung können sich Frauen neben den Kindern mehr auf die Karriere konzentrieren. Arbeitgeber können Familien dahingehend unterstützen, indem sie für mehr Flexibilität sorgen und gleiche Arbeitsbedingungen für alle schaffen – eine wichtige strukturelle Basis, um Geschlechtergleichstellung zu ermöglichen.

Wenn jedes Unternehmen einen kleinen Schritt in diese Richtung geht, könnte gemeinsam schon ein großer Unterschied gemacht werden. Denn die Unterstützung und Förderung von Frauenkarrieren kommt nicht nur Unternehmen, sondern der Gesellschaft als Ganzes zugute.

LEADERSNET: Wie funktioniert "Führung aus der Ferne"? Was muss man dabei beachten?

Duttine: "Führung aus der Ferne" erfordert mehr Struktur und agilere Arbeitsweisen. Generell funktioniert dies besser in Teams, die schon über einen längeren Zeitraum physisch zusammengearbeitet haben und sich bereits gut kennen. Es ist eher eine Herausforderung für Mitarbeitende und Führungskräfte, die in neue Rollen geschlüpft sind oder sogar neu in der Firma anfangen haben. Dieser Faktor darf absolut nicht unterschätzt werden. Eine Unternehmenskultur lebt letztendlich von den Menschen und den Interaktionen miteinander.

Wir müssen neue Wege finden, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu führen, weiterzuentwickeln und zu coachen. Umso mehr fokussieren wir uns auf regelmäßige Trainingsangebote zum agilen Arbeiten und Remote Führen und geben den Teams dabei auch Beispiele an die Hand, wie sie sich virtuell abseits des Arbeitsgeschehens mit ihren Mitarbeitenden austauschen können, um an der Beziehungsebene zu arbeiten. Virtuelle Coffee Breaks, Walk The Talk Meetings oder gemeinsame, virtuelle Kochabende sind nur einige der zahlreichen Ideen, die hauptsächlich aus den Teams selbst kommen.

LEADERSNET: Werden Ihre Erkenntnisse auch in der zukünftigen Unternehmensphilosophie ihren Niederschlag finden?

Duttine: Auf jeden Fall. Wir haben uns im vergangenen Jahr als Unternehmen enorm weiterentwickelt und berücksichtigen auch stark die Meinungen aus dem Team hinsichtlich der Ausgestaltung von zukünftigen Arbeitsweisen und Prozessen. Unter anderem auch wenn es um Themen wie soziales Engagement und Nachhaltigkeit geht und darum, wie die eigene Arbeit und Funktion insgesamt zum Wohle des großen Ganzen beitragen kann.

LEADERSNET: "Anwesenheit ist Arbeit" hat wohl fast überall ausgedient. Es gibt aber immer noch Unternehmen, die auf Anwesenheit setzen, obwohl sie mit flexibleren Modellen wahrscheinlich mehr Output hätten. Wie können Sie diesen zu Denkanstößen verhelfen?

Duttine: Es gibt einige Jobs, die einfach nicht vom Homeoffice aus zu bewerkstelligen sind. In unserem Fall betrifft das beispielsweise die Bereiche Lager und Logistik oder auch das Reinigungspersonal. Manche Menschen wollen auch nicht rund um die Uhr Zuhause sein – auch für die gibt es jederzeit die Möglichkeit, im Büro zu arbeiten.

Ansonsten gibt es recht wenige Gründe, es nicht anzubieten. Unternehmen, die Vorbehalte gegen das flexible Arbeiten haben, empfehle ich: Fangen Sie mit einem Bereich an und lernen Sie daraus. Wenn Sie sehen, dass es funktioniert, weiten Sie das Modell entsprechend aus. Sofern Sie die richtigen Strukturen für Ihr Unternehmen und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen und ihnen das nötige Vertrauen entgegenbringen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Sie mit flexiblen Arbeitsmodellen erfolgreich sind. Unternehmen, die sich komplett gegen diese allgemeinen Entwicklungen in der Arbeitswelt wehren, könnten in der Folge aus einer Employer-Branding-Perspektive abgehängt werden, da sie dadurch weniger attraktiv für neue Talente sind.

LEADERSNET: Was raten Sie anderen Unternehmen, wie sie dieses "neue Arbeiten" für sich entdecken können?

Duttine: Fragen Sie Ihr Team, was es sich wünscht, wie das "neue Arbeiten" deren Meinung nach am besten funktionieren könnte. Lassen Sie ihre Mitarbeitenden ein Teil einer Co-Kreation sein, um die entsprechenden Lösungswege gemeinsam zu erarbeiten. Sie werden staunen, was das aktive Miteinbeziehen ihrer Teams für eine Dynamik auslöst. Das Endergebnis sollte sein, eine optimale Balance zwischen den bestmöglichen Geschäftsergebnissen und einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit zu finden. Wie man beide Faktoren im "New Normal" vereinen kann, bestimmen zu einem großen Teil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst durch ihre Motivation und die Bereitschaft aktiv mitzugestalten.

LEADERSNET:  Ihr Unternehmen hat sich die Aufgabe gesetzt, die Lebensqualität der Menschen mit bester Ernährung zu erhöhen. Wie entwickeln sich die Geschäfte?

Duttine: Nutricia Milupa ist weiterhin Marktführer in den meisten relevanten Kategorien in Österreich – das betrifft zum Beispiel die Säuglingsmilchen unter der Marke Aptamil, Neocate für Säuglinge mit Kuhmilchallergie, Nutrini für Kinder mit krankheitsbedingter Mangelernährung oder Fortimel für Erwachsene mit krankheitsbedingter Mangelernährung. Viele österreichische Eltern, Patienten und Ärzte vertrauen stark auf unsere Produkte und Dienstleistungen – und wir sind weiterhin für sie da, gerade in Zeiten wie diesen. Dennoch hat auch uns die Pandemie in manchen Bereichen getroffen.

Aufgrund der Priorisierung von Corona-Fällen auf Intensivstationen, konnten wir eine geringere Anzahl an Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern beobachten. Daher waren auch unsere Klinikumsätze rückläufig. Gleichzeitig sehen wir aber einen Umsatzanstieg bei unseren Marken Nutrini oder Neocate. Unser Ziel ist es, trotz diesen herausfordernden Zeiten weiter zu wachsen, denn unsere Mission verändert sich nicht. Wir sind der Ernährungsexperte für alle schönen und schwierigen Momente, auf die es besonders ankommt. Jedes Baby, jeder Elternteil, alle Patientinnen und Patienten zählen – und das jeden Tag. (jw)

www.milupa.at

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