"Der Großhandel ist vor allem auch in Wien ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Das zeigen schon die nackten Zahlen. 5.700 Großhandelsunternehmen haben ihren Sitz in Wien. Sie beschäftigen 55.000 Mitarbeiter und machen einen Jahresumsatz von rund 61 Milliarden Euro", sagt Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Wien.
Trefelik bezieht sich dabei auf Ergebnisse der Studie "Zukunft des Großhandels". Sie wurde im Auftrag der Sparte Handel und der ARGE Großhandel Wien im Herbst 2017 von der KMU Forschung Austria erstellt und nun präsentiert. Die Studie betont auch die Bedeutung des Großhandels für Wien. Zum Vergleich: In ganz Österreich gibt es 25.300 Großhandelsunternehmen mit einem Gesamtumsatz von 141 Milliarden Euro. Trefelik: "Den Löwenanteil des Geschäfts machen also Wiener Unternehmen."
"Unersetzbares Scharnier"
Karl Kristian Gödde, Vorsitzender der ARGE Großhandel Wien, ergänzt: "Auch der Heimmarkt ist für die Wiener Großhändler von wesentlicher Bedeutung. Sie setzen innerhalb der Bundeshauptstadt rund 38 Milliarden Euro um." Gödde sieht den Großhandel als "unersetzbares Scharnier zwischen Industrie, Handwerk, Tourismus, Gastronomie und Einzelhändlern". Die Branche sorge dafür, dass jeder Bedarf schnell und zuverlässig erfüllt werde. "Großhändler tragen dank ihrer Marktkenntnis maßgeblich dazu bei, Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen und optimale Preise bei bester Qualität zu erzielen", ist Gödde überzeugt.
Dennoch stehe die Branche vor vielfältigen Herausforderungen. Der Markt sei insgesamt rückläufig. In den letzten vier Jahren seien die Umsätze gesunken, so Gödde. Die Umbrüche im Großhandel zeigt auch die Studie der KMU Forschung Austria auf. "Die Zukunft des Großhandels ist von einem kompetitiven Konkurrenzumfeld und sich auflösenden Grenzen zum Einzelhandel und zu den Produzenten gekennzeichnet", sagt Peter Voithofer, Direktor der KMU Forschung Austria.
Immer mehr große Hersteller würden ihre Produkte direkt an Einzelhändler und auch Endkunden verkaufen und so den Großhandel umgehen. "Gleichzeitig werden Märkte und Zielgruppen immer globaler. Digitalisierung und E-Commerce verstärken diese Entwicklung – bei steigender Geschwindigkeit. Das Geschäft wird schnelllebiger." Voithofer sieht in diesen Entwicklungen auch Chancen für Großhändler: "Unternehmen müssen aktiv und unvoreingenommen ihre Geschäftsmodelle daran ausrichten und eine klare Positionierung erarbeiten. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Digitalisierung."
Vier mögliche Erfolgsstrategien
Die Studie "Zukunft des Großhandels" wartet mit vier möglichen Erfolgsstrategien auf. Einmal die "Nischenstrategie", bei der der Großhändler über ein hochspezifisches Sortiment, sehr hohe Qualität und umfassendes Service verfügt. Dann die "Serviceorientierte Strategie", wo ein breites und tiefes Sortiment angeboten werde und der zentrale Fokus auf zusätzlichen Serviceleistungen, die einen Mehrwert für Kunden bieten, liege.
Die dritte Strategie ist die "Multispezialisten-Strategie": Das Großhandelsunternehmen bietet in einem spezifischen Bereich ein tiefes Sortiment an. Dazu kommt ein umfassendes Leistungsangebot über Komplettlösungen bis zur Integration der Wertschöpfungskette, zum Beispiel zusätzliche Planung von Bauvorhaben. Zuletzt gibt es noch die "Preisführer-Strategie". Hier bietet das Unternehmen ein breites Sortiment zu attraktiven Preisen an. Dabei muss der Großhändler einen ausgeprägten Fokus auf die Kosten legen und über hocheffiziente Prozesse und schlanke Strukturen verfügen.
Digitalisierung nutzen
Voraussetzung für den Erfolg als Großhändler ist laut Studie die Digitalisierung. Über Omni-Channel-Services für Einzelhändler und Gewerbe können Großhändler hier wesentliche Logistik- und Servicefunktionen übernehmen, etwa 24-Stunden-Belieferung oder Direktbelieferung von Endkunden im Corporate Design des Einzelhandelspartners. Über eigene Webshops können auch Großhändler Endkunden direkt ansprechen. E-Commerce bietet auch die Chance maßgeschneiderter Angebote für Klein- und Mittelbetriebe.
Handelsobmann Trefelik abschließend: "Wenn Digitalisierung und E-Commerce entscheidende Faktoren für die Zukunft des Großhandels sind, ist auch klar, dass hier für alle Marktteilnehmer die gleichen Spielregeln gelten müssen. Die gleiche Besteuerung digitaler Betriebsstätten und stationärer Betriebsstätten ist dafür eine Grundbedingung – das fordern wir vehement." (red)
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