Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Schlechte Nachrichten, gute Nachrichten!

| Redaktion 
| 15.12.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Geneigte Leser:innen, geht es Ihnen auch so, dass Sie schon keine Zeitung mehr aufschlagen, keine Nachrichten-Webseite öffnen oder Sendung mehr ansehen mögen, weil uns daraus nur schlechte Nachrichten überrollen?

Wo bleiben die guten Nachrichten?

Die Ukraine kämpft sich gegen den Aggressor Russland in den dritten Kriegswinter in Folge. Im Nahen Osten ist keine Beruhigung der Situation oder gar Frieden in Sicht. Wie es in Syrien weitergehen wird, ist noch mehr als fraglich. Im Januar nächsten Jahres wird die USA einen in jeglicher Hinsicht unberechenbaren Präsidenten bekommen. Die EU befindet sich in einer Wirtschaftskrise, die sich durch Frankreich möglicherweise noch zu einer Finanzkrise verschärfen könnte. In den beiden Hauptsäulen Europas, Deutschland und Frankreich, herrscht ein politisches Vakuum. Überall, auch in Österreich, erleben wir aktuell eine Deindustrialisierung. Österreich wird sich sehr wahrscheinlich – unabhängig von der künftigen Regierungskonstellation – nicht aufraffen können, schmerzhafte, jedoch umso notwendigere Reformen anzugehen.

Diese Aufzählungen sind bei weitem nicht final, aber für sich genommen schon recht starker Tobak, der einer zuversichtlichen Grundstimmung konträr entgegensteht. Ich stimme meinem Umfeld zu, wenn es heißt, dass 2025 das entscheidende Jahr sein wird, in dem wir entweder den Turnaround schaffen oder uns andernfalls auf eine lange Zeit Dunkelheit einstellen müssen. Man fragt sich, wo die guten Nachrichten bleiben?

In der von mir sehr geschätzte Tageszeitung Kurier findet sich täglich "Die gute Nachricht des Tages", die jedoch leider nur einen sehr winzigen Abschnitt einnimmt – insgesamt wahrscheinlich nicht einmal ein Prozent der gesamten Nachrichtenfülle. Vielleicht ist es also einfach an der Zeit, einen neuen Blickwinkel einzunehmen.

In Europa können wir uns eigentlich immer noch glücklich schätzen, weil wir zu den reichsten und sichersten Ländern der Welt gehören. Viele unserer Probleme fallen eigentlich unter den Begriff der sogenannten "First World Problems", wir jammern auf hohem Niveau, wie es in Österreich so schön heißt. Wir haben in Europa schon viele Krisen überwunden und verfügen außerdem über das geistige und finanzielle Potenzial, beinahe alle Herausforderungen anzunehmen. Was ich damit sagen will: Die gute und wichtige Nachricht ist, dass wir in der glücklichen Lage sind, alles aus eigener Kraft schaffen zu können. Diese Tatsache sollten wir uns vermehrt ins Bewusstsein rufen, und vielleicht ist es auch notwendig, diese Grundkonstellation mehr zu kommunizieren.

Mut zur Ehrlichkeit 

Was fehlt aber? Vor allem die richtige Fokussierung. Wir müssen uns auf die Hauptprobleme konzentrieren und die richtigen Wege beschreiten, um sie zu beheben. Das bedeutet: Ja, wir werden vielleicht auf einiges, was wir für selbstverständlich erachtet haben, verzichten müssen. Ja, wir werden, um erfolgreich sein zu können, harte Reformen vornehmen müssen. Doch noch immer fehlt den Verantwortlichen in der Politik (und vermutlich auch in den Medien) der Mut zur Ehrlichkeit, der Bevölkerung den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Gleichzeitig muss den Menschen aber auch klar vermittelt werden, dass wir über sämtliche Möglichkeiten verfügen, alles zu erreichen, wenn die Probleme gemeinsam angepackt werden. Hört sich das nicht positiv an? Ich denke ja, denn die Bevölkerung ist wahrscheinlich eher dann bereit, einen steinigen Weg mitzugehen, wenn klar ist, wofür. Deutschland und Österreich durchleben nicht zum ersten Mal harte Zeiten, doch was heute mehr denn je fehlt, sind politische Leitidole, die in der Lage sind, der Bevölkerung zu erklären, welche Maßnahmen notwendig sind und weshalb.

Warum dem so ist, darüber habe ich mir an dieser Stelle auch schon mehrmals den Kopf zerbrochen. Eine große Rolle spielt dabei sicherlich die Angst davor, mit unpopulären Maßnahmen die letzten verbliebenen Wähler:innen zu vergraulen. Nur: Vor Angst gestorben ist auch tot, insofern wäre die zielführendere Alternative, sich den Problemen zu stellen, sie zu analysieren und Gegenstrategien zu entwickeln. So wie man das auch in der Wirtschaft, in Unternehmen, in Familien und anderen Zusammenschlüssen macht. Und wenn sich die Probleme aus dem Inneren heraus nicht lösen lassen, weil man schon zu lange im eigenen Sud dahinkocht, dann muss man eben Expertise von außen hinzuziehen. Es ist sehr zu hoffen, dass dies auch in den Köpfen jener verankert ist, die gerade an einer neuen Regierung für Österreich verhandeln.

Ziel klar kommunizieren

Ich will nicht behaupten, dass das eine einfache Aufgabe ist, umso wichtiger ist es daher, das Ziel klar zu kommunizieren: Wo wollen wir hin, was ist der Sollzustand und was bedeutet es für jede und jeden einzelnen, wenn wir diesen erreicht haben? Nur so kann es gelingen, jenen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die mit einfachen Antworten erfolgreich ihre Gefolgschaft vermehren, dabei aber doch nur an der Oberfläche kratzen. Und dann müssen wir dies alles jedem einzelnen Bürger und jeder einzelnen Bürgerin mit uns allen verfügbaren Mitteln, aber vor allem "face to face" kommunizieren und mit ihnen gemeinsam diskutieren. Wenn wir es schaffen, damit anzufangen und dies als gemeinsames Ziel definieren, betrachte ich das als eine wirkliche gute Nachricht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen bereits jetzt eine schöne und vor allem geruhsame Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins Jahr 2025. Und wir lesen einander dann wieder im Neuen Jahr, mit hoffentlich guten Nachrichten.

www.jti.com


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