Wir brauchen mehr psycholgische Sicherheit

| Redaktion 
| 29.10.2023

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Viele meiner geneigten Leser:innen werden sich angesichts der heutigen Themenwahl "psychologische Sicherheit" vielleicht denken, ob mit der psychologischen Verfassung des Herrn Lothert alles in Ordnung ist – ich kann Sie diesbezüglich beruhigen und werde wie immer das Pferd von ganz hinten aufräumen.

Transformationen finden statt

Sowohl im privaten Umfeld als auch in Unternehmen bis hin zu militärischen Einheiten stellen wir fest, dass Transformationen stattfinden. Konkret erhalten Mitarbeiter:innen mehr Entscheidungsfreiheiten, Hierarchien werden abgebaut und durch abteilungsübergreifende Projektgruppen werden die Mauern des früheren Silowissens und -denkens niedergerissen, um agiler handeln zu können. Bei ernsthafter Umsetzung kann dies zu einer besseren, schnelleren und effizienteren Ergebniserreichung und einer höheren Zufriedenheit der Teammitglieder beitragen.

Für ein gutes Gelingen müssen jedoch alle Teammitglieder, egal auf welcher Hierarchiestufe, ihre Meinungen frei äußern, Fragen stellen und Ideen einbringen können. Dies funktioniert aber nur dann, wenn sie dies ohne Angst, oder genauer: ohne dem Gefühl von Angst vor (wie auch immer gearteten) negativen Konsequenzen tun können. Ist eine solche Situation bzw. Umgebung hergestellt, spricht man von psychologischer Sicherheit. Der Begriff wurde für Unternehmen erstmals von der Professorin Amy Edmondson von der Harvard Business School beschrieben.

Wir alle kennen das: fühlen wir uns sicher, dann reden wir "frei von der Leber weg". Solch eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit unterstützt Transformation und agiles Handeln, mitsamt den damit einhergehenden und erwünschten positiven Auswirkungen auf Produktivität, Kreativität und selbstverständlich auf das allgemeine Wohlbefinden der Teammitglieder.

Ihnen, meinen geneigten Leser:innen, ist klar, dass es nicht darum geht, sich gegenseitig mit "Wattebällchen" zu bewerfen und einen "Softie-Umgang" zu pflegen. Vielmehr bedarf es offenbar vergessener und verlorengegangener Umgangsformen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Ein Blick auf den (die) letzten Medienskandal(e) in Österreich zeigt aber leider, dass ein offener, ehrlicher und respektvoller Umgang miteinander wohl nicht mehr zu den üblichen Gepflogenheiten gehört.

Wie schafft man psychologische Sicherheit?

Was aber braucht es nun, um diese psychologische Sicherheit zu schaffen? Der Weg dorthin muss, zumindest anfangs, gesteuert werden. Der entscheidende Faktor – meiner Erfahrung nach – ist, dass wir das Zuhören wieder lernen müssen. Es müssen, sofern nicht schon vorhanden, gestaltete und geübte Kommunikationswege, aber vielleicht auch unkonventionelle neue Kommunikationskanäle aufgebaut werden. Denn nur wer gehört wird, spricht auch. In einer solchen Umgebung kann Arbeit zur Lernerfahrung werden und das Team zu Hochleistungen auflaufen. Die Teammitglieder müssen erfahren, dass es keine negative Konsequenzen hat, sich zu äußern. Das kann aber, ähnlich wie bei der Fehlerkultur in einem Unternehmen, nur dann funktionieren, wenn die Teammitglieder tatsächlich positive Erfahrungen sammeln.

Eine unerwünschte "Nebenwirkung" psychologischer Sicherheit kann aber auch bewirken, dass Mitarbeiter:innen zu nachlässig werden. Ohne Verantwortlichkeiten für Ergebnisse und klare Leistungsstandards kann die Produktivität und Effizienz enorm leiden. Endlose Diskussionen können zu Verzögerungen bei Entscheidungen und Fortschritt damit hemmen. Offene, ehrliche Kommunikation kann zu Konflikten oder sogar Anfeindungen führen und damit die Arbeitsatmosphäre belasten. Klare Regeln und Mechanismen zur Konfliktlösung oder zur Förderung von konstruktiver Kritik sind deshalb von Anfang an ein Muss. Der Aufwand allerdings, den jedes Teammitglied dafür bringen muss, ist nicht zu vernachlässigen. Es bedarf daher vor allem offener Kommunikation und ausreichend Zeit seitens der Führungsebene, die selbstverständlich auch mit gutem Beispiel voran gehen muss.

Psychologische Sicherheit kann in erheblichem Maße zu mehr Innovation in einem Unternehmen beitragen, indem sie ein Umfeld schafft, in dem Mitarbeiter:innen bereit sind, neue Ideen zu entwickeln und Risiken einzugehen. Dies kann auf unterschiedlichen Wegen geschehen:

  1. Offener Ideenaustausch: In einem psychologisch sicheren Umfeld fühlen sich Mitarbeiter:innen ermutigt, ihre Ideen ohne Angst vor Kritik oder negativen Konsequenzen zu äußern.
  2. Kreativität und Experimentieren: Mitarbeiter:innen sind bereit, kreative Ideen zu erforschen und neue Ansätze auszuprobieren, wenn sie sich sicher fühlen.
  3. Risikobereitschaft: Psychologische Sicherheit verringert die Angst vor Misserfolg und fördert eine positive Einstellung gegenüber Risiken.
  4. Lernen aus Fehlern: In einem psychologisch sicheren Umfeld werden Fehler nicht als Scheitern betrachtet, sondern als Gelegenheit zum Lernen.
  5. Vielfältige Perspektiven: Psychologische Sicherheit ermutigt Mitarbeiter:innen unterschiedlicher Hintergründe und Erfahrungen, ihre Meinungen und Perspektiven einzubringen.
  6. Zusammenarbeit: In einem Umfeld psychologischer Sicherheit sind Teams eher bereit, zusammenzuarbeiten und Ideen zu teilen.

Bei JTI Austria verfügen wir über einige dieser Tools, um die psychologische Sicherheit unserer Mitarbeiter:innen zu stärken und die Kommunikation zu fördern, und Erfolge sind bereits sichtbar. Innovative Ideen für die Organisation von innen schaffen die Voraussetzungen und den Raum für die Innovation unserer Produkte. Seit 239 Jahren können wir uns so als starkes Unternehmen positionieren. Auch wenn wir den Begriff "psychologische Sicherheit" erst seit kurzem kennen, das Konzept der offenen, ehrlichen Kommunikation und einer gelebten Fehlerkultur haben wir längst verinnerlicht. Ich kann Ihnen nur empfehlen, es auch zu versuchen, es lohnt sich – sowohl im Unternehmen wie auch im Privaten.

www.jti.com


 

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