3M zählt zu den innovativsten Unternehmen der Welt und belegt Rang drei hinter Apple und Google, wie eine aktuelle Studie von Booz & Company zeigt. Das Unternehmen hat Innovationen und Erfindergeist zu zentralen Eckpfeilern in ihrer Firmen-Philosophie gemacht. leadersnet.at sprach mit Felix Thun-Hohenstein, über die konkrete Umsetzung, die Prinzipien der Mitarbeiterführung und warum es ihn seit 27 Jahren im Unternehmen hält.
leadersnet.at: 3M beschäftigt weltweit 7000 Forscher. Welchen Kriterien müssen die Ideen standhalten, um tatsächlich als Produkt am Markt zu landen?
Thun-Hohenstein: Es ist ein langer Weg von der Idee über Konzept Umsetzbarkeit,Usability und Adaptionen zum Produkt. Von 100 Ideen, wird eine tatsächlich umgesetzt. Wir arbeiten mit crossfunktionalen Teams, setzen Marktforschungs-Tools ein und arbeiten Kunden-Feedbacks mit ein.
3M hat generell die Philosophie, möglichst nah am Kunden zu arbeiten. Konkret bedeutet das, dass in den USA für Amerikaner, in Europa für Europäer und in Asien für Asiaten geforscht und produziert wird. Wir haben eine Reihe von Forschungslabors in Europa, das größte davon ist in Deutschland. Auch in Frankreich, England, Polen, Russland, der Türkei und in den aufstrebenden Economies forschen wir. Seit neuestem haben wir auch ein Forschungslabor in Österreich, das wir weiter ausbauen wollen.
leadersnet.at: 40 Prozent des Umsatzes werden mit Produkten, die es vor fünf Jahren noch gar nicht gab, erzielt. Wie kann sich ein großer Konzern diese Schnelligkeit bewahren?
Thun-Hohenstein: Im Wesentlichen liegt es hier an den Mitarbeitern und den Teams und wie eng sie mit dem Markt kooperieren. Innovation ist auch eine Managementaufgabe. In das Change Management und die Produktinnovationen fließt viel Energie hinein, was aber natürlich auch viel Spaß macht. Bei 3M ist fast jeder elfte der mehr als 84.000 Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Wir haben für alle Produkte einen New Product Vitality-Index, der je nach Produkt sehr unterschiedlich ist.
leadersnet.at: Wie hat sich der Markt in Österreich entwickelt?
Thun-Hohenstein: In Österreich haben wir die Krise gut bewältigt, wir wachsen sehr erfreulich mit durchschnittlich sechs Prozent. Wir durften regionalisieren sowie Österreich und die Schweiz zusammenlegen. Die Winterthur Technology Group, die wir vor zwei Jahren gekauft haben, haben wir inzwischen erfolgreich integriert. Die ersten gemeinsamen Produkte im Präzisions-Schleifmittel-Bereich werden wir demnächst auf den Markt bringen, wie z.B. gebundene Schleifmittel, die eine 40-prozentige Performance-Verbesserung bringen. Generell haben wir eine sehr gute Entwicklung in den letzten Jahren durchgemacht. Anfangs waren wir 140 Mitarbeiter in Österreich, jetzt sind wir 500, in der Region rund 800 Mitarbeiter.
leadersnet.at: Sie sind seit 27 Jahren bei 3M. Haben Sie nie an einen Wechsel gedacht?
Thun-Hohenstein: Ich liebe mein Unternehmen. Immer wenn ich das Gefühl hatte, etwas Neues machen zu müssen, hat mir die 3M die Möglichkeit gegeben, es zu verwirklichen.
leadersnet.at: Färbt das Innovationsdenken auf den Charakter ab? Kann man mit einem Status quo überhaupt noch zufrieden sein oder denkt man schon automatisch ans „what‘s next“?
Thun-Hohenstein: Ein bisschen färbt es schon ab. Wir sind so darauf gepolt, neue Produkte einzuführen, dass wir Gefahr laufen, unsere Innovationen nicht mehr als Innovationen wahrzunehmen. Produkte, die wir letztes Jahr eingeführt haben, wirken auf uns bereits alt.
leadersnet.at: Wie ist die Marketing-Strategie für Österreich und die Schweiz?
Thun-Hohenstein: Unsere Strategie sieht ganz unterschiedlich aus, weil wir ganz unterschiedliche Businessmodelle haben. Wir haben zum Teil Keyaccount-Geschäfte wie Automotive oder Aerospace. Dort findet das Marketing in einer sehr engen Zusammenarbeit mit den Keyaccounts statt. Consumermarken wie Post-it® laufen wieder anders. Wir arbeiten in sehr spezialisierten Nischen, in denen wir mit unserer Technologie und dem Herstellungs-Know-how einen wirklichen USP haben. Und das hat Einfluss auf das Marketing. Wir haben den Geschäften entsprechende, aber keine überhöhten Budgets. Unsere Mitarbeiter brauchen eine ganze Menge an Kreativität. Vor einem Jahr hat unser CEO die Initiative „Marketing-Excellence“ gestartet. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, noch besser zu werden. Auch ändert sich im Marketing ständig Vieles. Neue Verfügbarkeiten von Daten, Social Media etc. verändern beispielsweise die Marketingfunktionen und das Know-how. Und auf diesen Zug wollen wir aufspringen, mitfahren und die neuen Zugänge nutzen.
leadersnet.at: Wieviel Prozent werden im Jahr ins Marketing investiert?
Thun-Hohenstein: Das ist je nach Sparte sehr unterschiedlich. Wir investieren grundsätzlich in eine hohe Anzahl an Marketingmitarbeitern.
leadersnet.at: Moderne Prinzipien zur Mitarbeiterführung wurden schon 1944 vom damaligen 3M Präsidenten William McKnight formuliert. Wie sieht Mitarbeiterführung bei 3M heute aus und wie wird die Bereitschaft zu Risiko und Innovation bei den Mitarbeitern gefördert?
Thun-Hohenstein: Von der Kultur her versuchen wir das, was McKnight damals als Kultur etabliert hat, zu erhalten. Wir lassen unseren Mitarbeitern ihre Eigenverantwortung und einen eigenen Gestaltungsspielraum. Natürlich hat sich in der Zeit seit 1944 viel getan, die Welt ist prozessorientierter geworden. Wir wollen aber, dass eine gewisse Freiheit gelebt wird. Freiheit spielt sich im Kopf ab. Es gibt Regeln, aber man muss sie auch in Frage stellen und wenn sie keinen Sinn machen, eigenverantwortlich handeln und entscheiden. Wir haben eine hohe Fehlertoleranz etabliert und versuchen aus Fehlern zu lernen.
Generell sind die Mitarbeiter langjährig im unserem Unternehmen tätig. Unsere Strategie „Long time employments“ hat viele Vorteile wie beispielsweise die Vertrauensbasis und das Know-how, das im Unternehmen bleibt. 3M ist ein sehr großes Netzwerk. Mitarbeiter brauchen ein bis zwei Jahre, bis sie eingearbeitet sind und mit der Matrix-Struktur umgehen können.
leadersnet.at: 3M ist zu einem der innovativsten Unternehmen weltweit gekürt worden. Wie schafft man das und wie kann man sich so positionieren?
Thun-Hohenstein: Wir haben eine Unternehmenskultur, in der Mitarbeiter Ideen generieren können, mit einer Kultur des Vertrauens und der Eigenverantwortung. Wir sind auch sehr innovationstechnologiegetrieben. 3M managt aktuell 45 Technologieplattformen, zu denen jedes Jahr ein bis zwei dazu kommen. Alle 40 Divisions haben Zugang zu sämtlichen Technologieplattformen. Jedes Unternehmen hat ein gewisses Know-how in seinem Bereich, wir sind 40 Unternehmen unter einer großen Spange, mit ganz unterschiedlichen Technologien.
Wir arbeiten auch sehr intensiv mit Kunden und Partnern von Universitäten, etc. zusammen. Sehr viele Innovationen sind kundenkreiert, sie entstehen im Dialog mit dem Kunden.
Oft führt uns der Innovationsprozess von einer Technologie in einen neuen Markt, oder in neue Applikationen. Dadurch entsteht eine gewisse Diversifizierung, die bei 3M auch bewusst herbeigeführt wird. Wir sind sehr breit aufgestellt, schwächelt beispielsweise der Industriebereich kann die Division Consumer Healthcare dagegenhalten.
leadersnet.at: Wie entwickeln sich die einzelnen Sparten?
Thun-Hohenstein: Wir sind sehr zufrieden. In Österreich sind wir auf Plan und wachsen sehr schön. Besonders gut entwickeln sich der Gesundheitsbereich, der Industriebereich und der Consumerbereich ebenso.
leadersnet.at: 3M legt viel Wert auf Umweltschutz, Vorbildwirkung, soziales Gewissen, Menschlichkeit und Mitarbeiterzufriedenheit. 3M ist aber auch börsennotiert. Wie gelingt der Spagat zwischen ethischem Geschäftsverhalten und Befriedigung der Investoren?
Thun-Hohenstein: Da muss nicht unbedingt ein Konflikt bestehen. Wir suchen langfristige Investoren, die auch an einem nachhaltigen Erfolg interessiert sind. Nachhaltiger Erfolg erfordert auch nachhaltiges Denken. Wie entwickle ich als Unternehmen meine Mitarbeiter, wie engagiere ich mich in der Gesellschaft, wie behandle ich die Umwelt usw. Wir haben sehr früh – 1975, als es noch keine Umweltbewegung gab, das 3P-Programm eingeführt. 3P steht für „Pollution Prevention Pays“. Mittlerweile wurden knapp 9000 Projekte darüber abgewickelt und eine Menge an Schadstoffen, sowie Abfällen reduziert.
Wir sind aber natürlich auch resultatsorientiert, wie jedes andere börsennotiertes Unternehmen. Schließlich arbeiten wir nicht mit unserem eigenen Geld, sondern mit dem Geld der Investoren.
leadersnet.at: Was darf man sich von 3M im nächsten Jahr erwarten?
Thun-Hohenstein: Es gibt verschiedene Technologietrends, die zu neuen Produkten führen. Zum Beispiel der ganze Bereich der Nanotechnologie, Innovationen bei Dentallösungen oder Schleifmittel. Auch Micro-Replication bringt neue Möglichkeiten, ebenso wie neue Folientechnologien, mit denen man Tageslicht transportieren kann.
Auch im Bereich Smart Grid, wird sich viel ändern. Wir brauchen intelligente Energienetze, die erkennen ob die Solaranlage oder Windkraft gerade Energie liefert oder nicht. Auch Einsparungsmöglichkeiten schaffen in diesem Sektor neue Produkte. Auch wenn die Solarindustrie momentan leidet, gibt es viele Ideen in der Schublade, die Kosten senken und die Effizienz erhöhen werden.
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