Klettern die Außentemperaturen über 30 Grad Celsius, kann es schon vorkommen, dass sich beim Blick in den Kleiderschrank Ratlosigkeit breit macht. Und diese Ratlosigkeit offenbart sich bei manchen Menschen in einer Art und Weise, dass es mir jeden Sommer fallweise die Sprache verschlägt. Natürlich ist mir klar, dass erstens Geschmäcker verschieden sind und zweitens sich die Mode - bzw. was "geht" und was nicht – laufend verändert, aber besonders beim Business Outfit, so mein Empfinden, sollte doch noch auf eine gewisse Etikette geachtet werden. Falls Ihnen nun vorkommt, dass ich mich darüber schon vergangenen Sommer echauffiert habe: richtig erkannt! Doch ein Vorfall, zu dem ich später noch komme, hat mir wieder einmal vor Augen geführt, wie wenig Menschen sich manches Mal über das eigene Erscheinen Gedanken machen und sich dann wundern, weshalb man ihnen nicht den gewünschten Respekt entgegenbringt.
Respekt und Anstand
Grundsätzlich haben es wir "Büromenschen" wohl am schwierigsten, an heißen Tagen die richtige Kleiderwahl zu treffen: keine Uniform, keine Dienstkleidung, stattdessen die Qual der Wahl. Welche für Herren im Übrigen noch enger gefasst ist als für Frauen, die immerhin zu luftigen Kleidern, Blusen und Röcken greifen können. Und die können durchaus elegant und somit absolut geeignet für einen Tag im Büro sein. Darüber, dass selbst Männer inzwischen Mut zu Farbe und Mustern zeigen dürfen, bin auch ich durchaus glücklich. Aber – nur als Beispiel: ein Rechtsanwalt in Bermuda-Shorts und Hawaii-Hemd vor Gericht? Undenkbar. Kleidung, so finde ich, ist immer auch eine Frage des Respekts und auch des Anstandes – und zwar vor allem den Mitmenschen oder der Situation gegenüber – und nicht nur Form des individuellen Ausdrucks. Kleider machen Leute, dieser Satz ist so alt wie richtig.
"Dem Anlass entsprechend"
Kleidung kann einen Anlass sogar zu etwas ganz Besonderem machen, denken wir etwa an Veranstaltungen, die gewisse Dresscodes vorschreiben. Dann werfen sich Menschen "in Schale" und verleihen damit dem Ereignis entsprechenden Glanz, egal ob Opernabend, Fête Blanche, Ballnacht oder Trachtenhochzeit. "Dem Anlass entsprechend" ist eben nicht einfach nur so dahingesagt – denken Sie nur daran, wie unangenehm kann es sein, wenn man over- oder underdressed ist.
Aber zurück zu den sommerlichen Temperaturen, die einzelne Menschen zu Outfits greifen lassen, dass man sich nicht sicher sein kann, ob der oder die Betreffende unterwegs ins Freibad, zum Strand oder tatsächlich in die Arbeit ist. In der Freizeit oder im Urlaub ist das ja durchaus in Ordnung, doch gibt es auch hier Orte und Anlässe, bei denen es durchaus eine Rolle spielt, was man trägt. Und hier komme ich zum Stein meines Anstoßes: Ich war erst kürzlich geschäftlich auf einer griechischen Insel und konnte dort Menschen beobachten, die sich nur in Badekleidung in Restaurants oder sogar in Kirchen begeben. Dies empfinde ich als schreckliche Respektlosigkeit, und zwar auf allen Linien: den Einheimischen gegenüber, den Mitmenschen gegenüber, der Kultur gegenüber. Dennoch verlangen solche Tourist:innen Respekt, schließlich haben sie für den Urlaub bezahlt. Da überkommt mich ein tiefes Gefühl von Fremdscham.
War früher alles besser? Naja, vielleicht nicht alles, aber manches – jedenfalls Respekt und Anstand. Heutzutage sind manche Menschen allzu sehr auf sich selbst konzentriert, darauf, nur ja nicht benachteiligt oder übersehen zu werden. Dabei wird nur leider oft vergessen, wie das eigene Verhalten, das eigene Erscheinungsbild beim Gegenüber ankommt und was es dort auslöst. Sympathie, Respekt und Wohlwollen oder Irritation, Unbehagen und Ablehnung. Wer Letzteres erfährt – wie auch die oben beschriebenen Tourist:innen –, sollte sich vielleicht Gedanken darüber machen, weshalb das so ist. Jedenfalls hat es nichts mit mangelnder Toleranz zu tun.
In diesem Sinne und ohne eitel zu sein: schauen wir lieber einmal öfter in den Spiegel, stellen wir uns ruhig ab und zu die Frage, wie wir auf unser Gegenüber wirken und ob wir damit den Respekt bekommen können, den wir uns wünschen.
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