Die Gefährlichkeit der Industriepolitik

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Mit dem Beginn der Corona Pandemie, spätestens aber seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist sie zurück: die Industriepolitik. Zutage tritt sie immer dann, wenn die Politik – und zwar meist sektoral – in wirtschaftliche Belange eingreift, anstatt es dem Markt zu überlassen, wo was produziert, geleistet und gefördert wird, oder was von sich aus Bestand hat. Wollte man es höflich ausdrücken, so wird damit eine gewisse "Lenkungspolitik", und zwar im Sinne eines Handelns zum Guten, verfolgt.

Industriepolitik ist nichts Neues und schon gar nichts, was man nur aus China oder den USA kennt. Wir brauchen uns nur in unserem näheren Umfeld umsehen, dort entdecken wir etwa die Unterstützung diverser Infrastrukturunternehmen wie der ÖBB oder der Deutschen Bahn. Aber auch ökosozial (erwünschte) Bereiche, wie etwa die Elektromobilität, oder die Medien sind Ziele nationaler Förderpolitik., ebenso wie die Unterstützung von Grundlagenforschung. So weit, so sinnvoll – bis zu einem gewissen Maße.

Denn was zurzeit darüber hinaus passiert, sprengt tatsächlich jeglichen Rahmen. So entsteht etwa im deutschen Ensdorf gerade eine der größten Chipfabriken, und die deutsche Bundesregierung will dieses Projekt mit mindestens 25 Prozent bzw. zwei bis drei Milliarden Euro unterstützen. Man reagiere damit auf die US-amerikanische Initiative, welche als Ergebnis des sogenannten "Chips and Science Act" rund 280 Milliarden Dollar in die heimische Chip- und Quantenentwicklung investieren will. Damit nicht genug, sieht der "Inflation Reduction Act" für den Aufbau klimafreundlicher Technologien Förderungen in Höhe von 380 Milliarden Dollar vor. Und was macht die EU? Sie will dem in nichts nachstehen und hat ebenfalls entsprechende Förderungen angekündigt. Ohne jedoch genau zu wissen, was in Hinblick auf die Energiesicherung noch getan werden muss und welche Investitionen dafür nötig sein werden.

Grundsätzlich scheinen die Motive dieser Förderungen richtig und integer zu sein, denn wir wollen ja autark werden und Abhängigkeiten abbauen. Wir wollen die Industrie samt zugehörigem Know-how und Arbeitsplätzen im Land halten, und wenn möglich soll dies allesamt ökologisch und fortschrittlich vonstattengehen.

"Wir brauchen Innovation"

Ein solches Ausmaß birgt aber – zumindest mittel- bis langfristig betrachtet – enorme Gefahren. Der Staat selbst, oder konkreter betitelt: die finanzielle Hängematte bzw. Absicherung durch den Staat, kann die Innovationskraft des Wettbewerbs auf Dauer nicht ersetzen, ja im schlechtesten Fall das Gegenteil bewirken und sie vielleicht sogar behindern. Doch wir brauchen Innovation, denn nur so können Resilienz und Autarkie gewährleistet werden. Darüber hinaus ist für wirklichen Fortschritt der internationale Austausch unabdingbar, welcher aber infolge solch nationaler Bestrebungen unterbunden wird. Ganz zu schweigen davon, dass jene Investitionen aus Steuergeldern, oder besser gesagt durch Schulden, finanziert werden. Finstere Aussichten für die ohnehin schon nicht sehr rosige Zukunft der nachfolgenden, jüngeren Generationen. Noch ist zudem gar nicht abzusehen, welche Blüten der "Überbietungs-Wettbewerb" einzelner Staaten noch treiben wird. In jedem Fall aber wird sich die Kluft zwischen reichen Staaten und Entwicklungsländern, welche sich solche Programme nicht leisten können, immer weiter vergrößern.

"Rahmen muss vorgegeben werden"

Ich denke, die 239-jährige Unternehmensgeschichte von JTI Austria zeigt sehr deutlich, dass in einer sozialen Marktwirtschaft nur eine modernisierte Ordnungspolitik Erfolg haben kann. Und zwar im Sinne einer fairen Wettbewerbsordnung, einer regelgebundenen Wirtschaftspolitik mit freier Preisbildung, Wirtschaftsfreiheit und einem Wettbewerb um die besten Leistungen – und zwar angepasst an die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Das heißt grob gesagt, es sollte nur ein entsprechender Rahmen vorgegeben werden, den Rest muss die soziale Marktwirtschaft selber lösen. Dieses für und wider muss in einer Demokratie auch transparent thematisiert und analysiert werden. Es ist also keineswegs ausgeschlossen, dass der Staat Resilienz und Autarkie unterstützt! Er muss dies aber eben mit besonderem Bedacht darauf tun, die Grenzen der Industriepolitik nicht zu überschreiten, weil er sonst Gefahr läuft, genau das Gegenteil von dem zu bewirken, was er eigentlich bezwecken wollte: Unabhängigkeit, Fortschritt, Freiheit, Wohlstand und damit die Grundpfeiler unserer Demokratie.

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