Das Thema ist nicht erst seit der Causa Kurz in aller Munde. Schon seit Jahren wird darüber diskutiert, wie sehr sich Politiker:innen durch Inserate "hochschreiben" lassen. Horst Pirker, bekannter Medienmanager und CEO der VGN-Medienholding, und Rechtsanwalt und Vergabe-Recht-Experte Martin Schiefer diskutieren im LEADERSNET-Talk, was man in Zukunft besser machen kann und wie sehr mit Inseraten Politik gemacht wird.
LEADERSNET: Herr Pirker, Sie haben gesagt, dass es "ein großes Delta zwischen Presseförderung und verfügbarem Geld für die Inseratenwirtschaft" gibt. Was meinen Sie damit?
Pirker: Zuerst einmal möchte ich ganz klar sagen: Ja, mit Inseraten wird Politik gemacht. Und das muss zunächst einmal nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Wenn man die Öffentlichkeit über wesentliche Prozesse informiert, in diesem Fall halt über werbliche Auftritte, dann wird damit ja auch Politik gemacht. Und das ist ja vollkommen in Ordnung. Ich glaube, das gehört einfach zum zeitgenössischen Repertoire von Politik dazu. Aber: Man muss unterscheiden zwischen der Medienförderung und sonstigen, einschlägigen Aktivitäten. Die Presseförderung hat eine klare und gesetzliche Basis. Das heißt: Jene Leute, Unternehmen oder Organisationen, welche einen Anspruch auf Medien oder Presseförderung haben, die haben diesen rechtlichen Anspruch nach ganz bestimmten Kriterien. Die sind meiner Meinung nach nicht das Gelbe vom Ei, aber es sind klare Kriterien.
Anders ist es mit der freien Vergabe von Inseraten, die sich in den letzten Jahren explosionsartig entwickelt hat. Und diese freihändige Vergabe hat keine gesetzliche Basis. Das heißt, es wird einfach Steuergeld genommen und nach freiem Ermessen der jeweils Regierenden verteilt. Das ist übrigens kein Spezifikum dieser Regierung. Nur heute vielleicht sehr stark ausgeprägt. Das wäre mir ja auch noch egal, wenn es nicht so wäre, dass das im Ergebnis zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Es ist nämlich so, dass die meisten großen Medienunternehmen mehr Geld bekommen, als sie überhaupt Gewinn machen. Das heißt, sie würden alle schlagartig unter Wasser sein, wenn die Regierung diesen Stecker zieht.
LEADERSNET: Herr Schiefer, Sie sind Ausschreibungs-Rechtsanwalt, das heißt Sie organisieren für die öffentliche Hand Beschaffungsvorgänge. Könnte man die Vergabepraxis in Bezug auf Anzeigen in Medien besser steuern?
Schiefer: Grundsätzlich gibt es ja Regeln, die ganz klar sind: Die Presse- und die Medienförderung. Natürlich kann man auch hier über die Kriterien diskutieren, aber alles in allem hat man hier ein Regelwerk. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass es im Inseraten-Vergabeprozess auch Regeln gibt – nämlich das Bundesvergabegesetz. Das muss fair, transparent und nachvollziehbar sein. Es gibt auch bei den Inseratenvergabe ganz klare Regeln. Und auf die Frage: Kann man das steuern, muss ich schon sagen: Ja, natürlich.
Aber als Steuerzahler, bin ich schon der Auffassung, dass ein Politiker auch seine Position vertreten dürfen solle. Aber das muss halt nach nachvollziehbaren Regeln erfolgen. Und das gibt uns das Vergaberecht vor. Es sollte schon nachvollziehbar sein, wie man das Steuergeld auf die einzelnen Medien oder Mediengruppen verteilt. Beispiel: Wenn sich jemand mit Bioprodukten beschäftigt, sollte der nicht in der Digitalisierung-Zeitung werben. Das wird nicht sehr viel Sinn ergeben. Aber es wird doch im Bereich der Landwirtschaft oder im Bereich der Konsumenten einige Magazine geben, die man bespielen kann. Und dafür gibt es ja auch einen Vergabe-Wettbewerb. Das ist ja nichts Dramatisches und nichts Gemeines. Das macht man ja überall.
Horst Pirker, CEO VGN-Medienholding, Paul Leitenmüller, LEADERSNET-CEO, und Ausschreibungs-Rechtsanwalt Martin Schiefer © LEADERSNET
LEADERSNET: Der Vorwurf ist aber, dass sich Politiker:innen Präsenz in Medien kaufen, um gewählt zu werden. Also nicht nur um Neuigkeiten aus beispielsweise ihrem Ministerium zu verbreiten, sondern um selbst als wählbare Politiker:innen Präsenz zu haben. Herr Pirker, was wäre Ihr Appell für die Zukunft, wie sich das ändern könnte?
Pirker: Mir geht es nur darum, dass man das auf eine gesetzliche Basis stellt. Das heißt, dass man die Kriterien dafür, abseits des Vergabegesetz, das ja in dem Fall überhaupt keine Anwendung findet, auf eine nachvollziehbare Basis stellt. Man muss klar sagen können: Das sind die Kriterien und so wird dieses Steuergeld sorgfältig verwendet. Und das kann nach absoluten Reichweiten sein, oder nach bestimmten Zielgruppen. Das ist mir alles egal. Für mich ist ausschließlich interessant und relevant, zwischen Medienförderung und unentgeltlichen Kommunikation zu unterscheiden. Denn Medienförderungen braucht es, um die Medienvielfalt zu erhalten. Und daneben eben diese Entgelte für die angesprochene Thematik. Da gehört ein Budget definiert und die werden dann nach klar nachvollziehbaren Kriterien vergeben.
Diese Kriterien werden einfach nicht angewendet. Und das kann ich bis ins letzte Detail beweisen, denn wir führen im Moment gerade ein Verfahren gegen die Republik Österreich. Und wir sind an dem Punkt, an dem unabhängige Sachverständige uns in diesem Prozess recht geben, dass die Vergabe völlig willkürlich erfolgt.
LEADERSNET: Herr Schiefer, stimmen Sie dem zu?
Ja, auf jeden Fall.
LEADERSNET: Was würden Sie vorschlagen, was man dagegen tun sollte?
Schiefer: Als Verantwortungsträger in der Politik ist man gefordert, mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit in jede Form des Handelns zu bringen, egal ob das jetzt der Beschaffung Vorgang ist, oder auch eine Meinung, die man kundtut. Es sollte für die Bevölkerung oder für den Steuerzahler nachvollziehbar sein. Das wäre mir ganz wichtig, wenn du jetzt Bürgermeister bist oder wenn du Bundeskanzler bist und gleichzeitig bist du aber auch Funktionär einer Partei.
Man sollte ganz klar eine Schnittstelle machen. Es muss klar definiert sein, was etwa eine Werbung für eine Partei ist und was Werbung für die "Rolle". Ich bin der Letzte, der sagt, es gehört verboten, dass ein Kanzler sagt: "Ich als Kanzler finde das wichtig und dafür stehe ich." Dafür tun sich diese Menschen ja auch diese Arbeit an. Das muss man auch ganz ehrlich sagen. Wenn man da nicht irgendwie auch ein bisschen Sicherheit hinein bringt, wird man keine Leute mehr finden, die diesen Job machen.
Man könnte dieses Dilemma etwa so lösen: Wir haben letztes Jahr für einen großen Infrastruktur-Auftraggeber ein ganz neues Modell gebaut. Wir haben ganz klar gesagt: Wann kommt das Inserat in die Medien und was ist das Entgelt dafür? Und da gibt es keine Rabatte von Medienunternehmen. Und wenn wir hier diese Transparenz hineinbringen, dann sieht man, dass sich alle ein bisschen wohler fühlen. Und ich glaube, das sollte man machen. Man sollte ganz klar sagen, Inserate sind wichtig, sie sind für die Unternehmen wichtig, aber die Kriterien müssen nachvollziehbar sein.
LEADERSNET: Kann man also sagen: Die Politik beeinflusst das Mediengeschäft?
Pirker: Natürlich. Da sind inzwischen dreistellige Millionenbeträge aus Steuermitteln unterwegs und das verzerrt natürlich den Wettbewerb der Medien untereinander. Keine Frage. Und ich hoffe, dass man jetzt aus diesem "Supergau" gelernt hat. Ich habe selber heute etwas gelernt, nämlich dass das Thema Vergaberecht auch eine wesentliche Hilfestellung dabei sein kann.
LEADERSNET: Müssen sich Medien also entscheiden, ob sie "gute Berichterstattung" machen oder ein "gutes Medien Budget" haben wollen?
Pirker: Solange ich in meinem Unternehmen noch etwas zu sagen habe, werde ich mir den Luxus leisten, auf diese Logik zu verzichten. Auch wenn mich das im heurigen Jahr ein, zwei Millionen Euro gekostet hat. Aber die Frage der Hygiene und der Glaubwürdigkeit unserer Medien ist mir wichtiger als dieses Geld.
LEADERSNET: Herr Schiefer, wie transparent müssen Ausschreibungen sein?
Schiefer: So transparent, dass sie Untersuchungsausschüsse und Vergabe-Kontrollverfahren ad absurdum führen. (ca)
www.vgn.at
www.schiefer.at
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