Seit 15 Jahren setzt die Dots Group von Martin Ho in Wien mit Restaurant- und Clubbetrieben Akzente im Wiener Gastroleben. LEADERSNET hat den sagenumwobenen Unternehmer zum exklusiven Interview gebeten.
LEADERSNET: "In zehn Jahren lachen wir über die Krise" sagten Sie Mitte Juni in einem Interview. Sehen Sie das noch immer so?
Martin Ho: Ja. Die Aussage muss man im Kontext sehen. Es ging um den familiären Zusammenhalt. Wir halten als Familie sehr eng zusammen und sind füreinander da. Deswegen werden wir auch über diese harte und belastende Zeit in zehn Jahren lachen können, weil wir sie gemeinsam bewältigt haben. Was wir verloren haben, können wir nicht mehr gutmachen. Aber die Aufholjagd ist eine gute Motivation, um künftig mehr zu erreichen. Das spornt mich an und darüber können wir hoffentlich in zehn Jahren wirklich gemeinsam lachen.
LEADERSNET: Sie haben damit einige Branchenkollegen, die um ihre Existenz bangen, verärgert. Wie gehen Sie mit der Kritik ihrer Kollegen um?
Martin Ho: Ich empfehle ihnen, den ganzen Kurier-Artikel zu lesen, um den Zusammenhang zu sehen. Und ich wünsche Ihnen ebenso starke und tolle Familien, die sie durch diese wirklich schwierige Situation begleiten. Wir stehen alle vor der gleichen Herausforderung und müssen an einem Strang ziehen.
LEADERSNET: Welche Gefühle hatten Sie, als Sie ihre Betriebe schließen mussten?
Martin Ho: Bei mir war es keine Schockstarre, sondern extremer Tatendrang. Wir haben uns sofort mit dem ganzen Team zusammengesetzt und überlegt, was wir jetzt machen können. Wir haben unser Online-Angebot stark ausgebaut, in Zustellung und Abholung investiert, den Garten der Pratersauna liebevoll umgestaltet und zwei neue Betriebe mit dem Newman und dem neuen DOTS auf der Mariahilfer Straße 36 eröffnet. Intern haben wir alle Prozesse auf den Prüfstand gestellt und die Zeit genutzt, um alles zu optimieren. Ich selbst habe jeden Tag ab fünf in der Früh gearbeitet. COVID-19 wird erst bewältigt sein, wenn es einen Impfstoff gibt, aber wir konnten in unserer Unternehmensgruppe viel aus der Zeit mitnehmen.
LEADERSNET: Ist Gastronom in diesen herausfordernden Zeiten noch immer ein Traumberuf?
Martin Ho: Absolut! Die Menschen freuen sich nach dem Shutdown umso mehr, gutes Essen und das Ambiente zu genießen. Glückliche Gäste machen Gastronomen glücklich. Aber klar, ein paar Sorgenfalten bleiben. Die Pandemie ist noch nicht ausgestanden und in der Nachtgastronomie gibt es noch viele Fragezeichen. Trotzdem – keine Frage: Die Gesundheit steht an erster Stelle!
LEADERSNET: Planen Sie ihr Portfolio umzustellen? In welche Richtung wäre das denkbar, in welchen Branchen orten Sie Potenzial?
Martin Ho: Während des Shutdowns lief mein Kunsthandel sehr erfreulich. Eine Online-Ausstellung war sogar ausverkauft. In der Gastronomie haben wir mit dem Newman und dem neuen DOTS zwei Konzepte mit großzügigen Gastgärten und erweitertem Fokus auf das Mittagsgeschäft realisiert. Pratersauna und VIE i PEE haben ebenfalls weitläufige Freiflächen. Das Tagesgeschäft hat für uns an Bedeutung gewonnen. Ebenso machen sich die Investitionen in die Digitalisierung bezahlt. Wir mussten zum Glück nicht sehr viel umstellen, haben aber an allen Ecken optimiert. Das war und ist ein Lernprozess, von dem wir nachhaltig profitieren können.
LEADERSNET: Steht die Clubszene vor dem Aus?
Martin Ho: Sie steht auf jeden Fall vor einer sehr schwierigen Situation und arbeitet fieberhaft an praktikablen Lösungen, wie Live-Entertainment trotz COVID-19 möglich sein kann. Wir sind hier alle mit den gleichen Problemen konfrontiert und sitzen in einem Boot. Ich vertraue auf die Arbeit der österreichischen Bundesregierung, die sich ja klar zu Gastronomie und Tourismus committet hat.
LEADERSNET: Alkohol und oft auch Drogen - wie bringen Sie ihre Gäste dazu, auch im benebelten Zustand Abstand zu halten?
Martin Ho: Momentan ist die Sperrstunde um ein Uhr, wo keine großen Partys gefeiert werden. In den Restaurants regeln die Tische den Abstand von selbst. Drogen lehnen wir in unseren Betrieben strikt ab. Aber natürlich wird nach ein paar Glaserln vieles nicht mehr ganz so ernst genommen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weisen die Gäste charmant auf den Babyelefanten hin. Allerdings muss jeder auch etwas Hausverstand mitbringen und sich der Gefahr bewusst sein und entsprechend verhalten.
LEADERSNET: Besuchermanagement und Hygiene-Regeln: Welche Maßnahmen setzen Sie in diesen unsicheren Zeiten?
Martin Ho: Wir übererfüllen die gesetzlichen Vorgaben und haben für jeden Betrieb ein sehr detailliertes Hygienekonzept erarbeitet. Die Menschen haben sich an Reservierungen in Restaurants gewöhnt, wodurch das Gästemanagement einfacher wird.
LEADERSNET: Masken und Makeup vertragen sich nicht - wie kann trotz diversen Vorkehrungen ausgelassen gefeiert werden?
Martin Ho: Wohl kaum. Es vertragen sich schon Masken und Essen und Getränke nicht besonders gut. Das ist eine wirklich komplexe Situation, bei der Sicherheit und Gesundheit immer Vorrang haben müssen.
LEADERSNET: Wie steht es um das Geschäft mit den Events? Hinter vorgehaltener Hand sagen ja Einige, dass Sie froh sind, nicht mehr so viele Abendtermine wahrnehmen zu müssen. Haben die Leute überhaupt noch Lust auszugehen? Wie kurbeln Sie das Ausgehen wieder an?
Martin Ho: Wir müssen zum Glück wenig ankurbeln, weil die Menschen sehr gerne ausgehen und die Lockerungen der COVID-19-Maßnahmen genießen. Die Buchungslage in allen Restaurants ist sehr gut. In den letzten Wochen seit dem Wiederhochfahren der Gastronomie macht uns eher das unbeständige Wetter zu schaffen. Persönlich kann ich den Wunsch nach Entschleunigung nachvollziehen. Ich habe es auch sehr genossen, am Abend bei meiner Frau und Tochter zu sein und mehr Zeit für die Familie zu haben. Ich würde es aber nicht als Trend sehen, dass die Leute über weniger Events sehr glücklich wären. Im Gegenteil! Ich habe eher das Gefühl, dass sich die Menschen umso mehr über Events freuen, weil es im Moment noch sehr wenige gibt.
LEADERSNET: Wie gestaltet sich aktuell die Nachfrage in ihren Betrieben? Wann werden Sie wieder auf Vor-Corona-Niveau sein?
Martin Ho: In der Gastronomie ist die Entwicklung sehr positiv. Wir spüren auch, dass viele unserer Stammgäste diesen Sommer in Wien verbringen. Die Nachtgastronomie ist verheerend. Sie wird sicherlich auch nicht so schnell wieder anspringen wie die Gastronomie, weil es vermutlich sehr strikte Regeln geben wird.
LEADERSNET: Die Öffentlichkeit beschäftigt sich gerne mit ihnen: Die SPÖ veröffentlichte medial zwei Rechnungen vom Dots, auf denen im Juni nur fünf Prozent Mehrwertsteuer ausgewiesen wurde. Was steckt dahinter?
Martin Ho: Ein Fehler im Testbetrieb bei der Kassenumstellung auf den neuen Umsatzsteuersatz. Der wird natürlich bei der Umsatzsteuervoranmeldung korrigiert. Die Kassen reporten ja direkt an das Finanzministerium. Da wurde aus politischer Motivation heraus sehr viel Wind um nichts gemacht.
LEADERSNET: Was wünschen Sie sich ganz Allgemein von der Politik?
Martin Ho: Drehen wir es um: Ich wünsche der Politik, dass sie weiter so besonnen und verantwortungsvoll handelt und das Land bestmöglich durch die Krise navigiert. Dazu wünsche ich jedem einzelnen Regierungsmitglied und allen Beamtinnen und Beamten viel Kraft. Dann gehen meine Wünsche ganz automatisch in Erfüllung.
LEADERSNET: Ihre Auftritte sind rar, ihr Image ist sagenumwoben. Gehört das alles zu ihrer PR- Strategie oder ist das einfach ihr Naturell?
Martin Ho: Sagenumwoben bringt mich eher zum Schmunzeln (lacht). Ich versuche, mindestens einmal am Tag in jedem meiner Betriebe zu sein. Ansonsten bin ich sehr froh, wenn ich Zeit für meine Familie habe. Ist leider recht unspektakulär, aber die schöne Wahrheit, warum ich abends etwas seltener zu sehen bin.
LEADERSNET: Neuerdings sieht man Sie ganz erblondet. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, ihre Erscheinung zu verändern?
Martin Ho: Im fortgeschrittenen Alter von 34 Jahren darf man sich mal einen neuen Look leisten (lacht).
LEADERSNET: Welche Ziele setzen Sie sich in naher Zukunft?
Martin Ho: In wenigen Wochen kommt unser zweites Kind auf die Welt. Das ist mein größtes Ziel im Moment. Und danach möchte ich aus der COVID-19-Zeit mitnehmen, mir mehr Zeit für meine Familie zu nehmen.
LEADERSNET: Haben Sie schon neue Projekte in petto? Welche neuen Herausforderungen spornen Sie an?
Martin Ho: Wir haben mit dem Newman und dem DOTS gerade zwei neue Lokale eröffnet. Kommendes Jahr wird unser Stammhaus wiedereröffnen. So wie am ersten Tag: Klein, cosy und versteckt. Die letzten Wochen und auch die nächsten Monate sind genug Herausforderung, um gemeinsam mit meinen 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch diese Krise zu kommen. Ich suche aktuell keine zusätzliche Herausforderung! (jw)
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