Die Qualität eines Aufsichtsrates oder eines Beirates zeigt sich besonders in Krisenzeiten. Davon ist Board Search-Chef Josef Fritz überzeugt. Fritz und sein Unternehmen Board Search haben sich darauf spezialisiert, nach qualifizierten Aufsichtsorganen im deutschsprachigen Raum zu suchen. Im LEADERSNET-Interview erklärt Josef Fritz, welche Aufgaben Aufsichtsräte während der Coronakrise erfüllen können und müssen.
LEADERSNET: Was bedeutet Ihrer Meinung nach die Coronakrise für Aufsichtsräte?
Fritz: Die Qualität eines Aufsichtsrates oder Beirates zeigt sich besonders in Krisenzeiten. Haben wir "Beziehungsräte" oder unabhängige und versierte Aufsichtsräte, die wertvolle Unterstützung sind und Zuversicht sowie Orientierung geben. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen. Während für börsennotierte Unternehmen das erste Quartal den Schwerpunkt der Vorbereitung und Feststellung des Jahresabschlusses vorsieht, ist das bei vielen Firmen das zweite Quartal. Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates, der bei größeren Unternehmen ohnedies ganzjährig aktiv ist, hat jetzt Hauptsaison. Heuer kommt COVID-19 bedingt dem Unternehmensausblick im Jahresabschluss bzw. im Geschäftsbericht ein "neuer Stellenwert" zu. Die Bandbreite reicht von allgemein gehalten Risiko- und Markteinschätzungen bis zu Gewinnwarnungen.
LEADERSNET: Wie gehen Aufsichtsratssitzungen in der derzeitigen Situation über die Bühne?
Fritz: Etliche DAX Unternehmen haben schon den Ausfall der Dividende kundgetan. Die gesetzlichen Fristen zur Aufstellung des Jahresabschlusses und der Veröffentlichung wurden zeitlich nach hinten verschoben. Neben diesem "Aufsichtführen" und der vornehmlichen Pflicht der Feststellung des Jahresabschlusses im Rahmen der sogenannten "feststellenden Aufsichtsratssitzung" ist es nicht möglich Hauptversammlungen Corona-bedingt abzuhalten. Ihre Termine werden verschoben. Andererseits arbeitet der Gesetzgeber in Deutschland und Österreich an der – bisher verwehrten – Möglichkeit, eine Hauptversammlung auch virtuell abzuhalten.
LEADERSNET: Welche Qualifikationen von Aufsichtsräten sind jetzt besonders gefragt?
Fritz: Aufsichtsträte tagen jetzt vermehrt zwischen den Sitzungen – sowohl unter einander, als auch im Austausch mit dem Vorstand. Der enge Kontakt zwischen CEO und Aufsichtsratsvorsitz verläuft noch intensiver und in noch kürzeren Abständen. Aufsichtsräte sind gerade jetzt wichtige Sparringspartner und dem unabhängigen Ratgeben kommt jetzt praktische Bedeutung zu. In Krisenzeiten ist zudem das Coaching des – verunsicherten – Vorstands gefragt. Räte, die eine valide externe Sichtweise einbringen, werden gehört. Die besten Köpfe im Aufsichtsrat machen eben jetzt den Unterschied aus.
LEADERSNET: In welche konkrete Unternehmensprozesse können Aufsichtsräte jetzt eingreifen?
Fritz: Planungsunsicherheit macht sich bei allen breit – verabschiedete Pläne stehen erneut auf dem Prüfstand und Investitionen werden neu bewertet, verschoben oder sistiert. Auch Bankkredite und Garantierahmen erfahren eine neue Betrachtung und werden erhöht – insbesondere das jüngste Maßnahmenprogramm der Bundesregierung von der kurzfristigen Liquiditätshilfe bis zu Rahmenaufstockungen mit Garantieunterlegungen werden aufsichtsratspflichtig beschlossen. Kurzarbeit wird vom Aufsichtsrat bewilligt und Kündigungen werden – in Abstimmung mit dem Betriebsrat – und dem Aufsichtsrat unter Abwägung zahlreicher Zukunftsaspekte getroffen und geschäftsordnungspflichtig dokumentiert. Außergewöhnliche Maßnahmen bedürfen ebenso der Zustimmung des Aufsichtsrates.
LEADERSNET: Was sind Ihrer Meinung nach die sogenannten "Do's" im Aufsichtsrat?
Fritz: Da gibt es eine ganze Reihe. Dazu zählen unter anderem die Vorstandsauswahl samt Vergütungssystem und Bonifikationen, die Auswahl und Bestellung des Abschlussprüfers, Abstimmung der grundsätzlichen Fragen der Geschäftspolitik, konstruktiv kritisches Hinterfragen der Berichte über die Unternehmens- und Geschäftslage, die Überwachung der Corporate Governance/Compliance und des Risikomanagements sowie die Anliegen von Betriebsräten verstehen.
LEADERSNET: Und welche "Don'ts" gibt es?
Fritz: Ein Aufsichtsrat sollte kein Gefälligkeitsgremium sein. Deswegen zählt das "Abnicken und Durchwinken" von vorgefassten Beschlüsse als absolutes "Don't". Auch fehlender unternehmerischer Sachverstand, zu starkes Vertrauen in den Vorstand sowie zu wenig Zeit, fehlende persönliche und finanzielle Unabhängigkeit haben keinen Platz in einem Aufsichtsrat – erst recht nicht in Krisenzeiten.
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