"Es erwischt eh nur die Alten"

Julia Emma Weninger expressis verbis über das Alten-Bashing, das spätestens jetzt endlich ein Ende finden muss. 

Während die werbetreibende Wirtschaft schon lange auf die Best Ager setzt, scheint der Wert der älteren Generation in der Bevölkerung noch immer nicht richtig angekommen zu sein. "An Corona verrecken eh nur die Alten" und ähnliche Sprüche von jungen Erwachsenen habe ich kurz vor Inkrafttreten der Covid-19-Maßnahmen hinter vorgehaltener Hand vernommen und auch jetzt machen abartige Kommentare noch immer in sozialen Netzwerken die Runde.

Das macht traurig. Es scheint als wäre es ein Makel, alt zu sein. Man mutiert plötzlich zu einem lästig gewordenen Klotz am Bein der Gesellschaft, der nichts bringt und nur Geld kostet, denn nur die Jungen arbeiten Tag und Nacht für den Wohlstand der Gesellschaft. Dabei wird völlig ausgeblendet, was "die Alten" geleistet, überstanden und in neue Dimensionen geführt haben: Den schrecklichen Zweiten Weltkrieg überlebt, die Wirtschaft aus der Zerstörung und dem Nichts in den Wohlstand geführt und die Ehre und Sicherheit der Menschen im Rechtsstaat fest begründet zu haben.

Einige scheinen das verstanden zu haben: Denn neben den Hasspostings schwirren dieser Tage auch einige Memes durch das Netz: "Die Großeltern waren im Krieg, wir müssen nur zu Hause auf der Couch sitzen" lautet es beispielsweise. Nachbarschaftsinitiativen starten und viele haben auch begriffen, dass Gemeinschaft, Solidarität und Mitgefühl die notwendigen Grundeinstellungen und eine hohe Kultur widerspiegeln.

Der demografische Wandel der Gesellschaft bringt enorm viele Chancen mit sich. So hebt das Zusammenwirken mit den Alten ungeahnte Profit-Potenziale: Der Erfahrungsschatz und die Routine dieser in Unternehmen vermittelt den Jungen Wissen, das diese aus anderen Quellen erst in vielen mühsamen Jahren erwerben könnten. Eine Mischung aus Youngsters und Old Dogs, wobei diese auch als Mentoren wirken, ist nahezu unschlagbar.

Die Seele kennt kein Alter und "der Greis ist heiß"

Phänomenale Aspekte zeigen sich schon lange in der Welt der Mode. Iris Apfel nennt sich selbst den ältesten Teenager der Welt. Mit fast 99 Jahren richtet sie ihre Garderobe noch immer nach dem Motto: "More is more and less is a bore" aus und erreichte damit Weltruhm. Sie ist eine Ikone der sich stets wandelnden Modewelt und ein gutes Signal für die Zeitlosigkeit des Alters.

Das wissen die Werber schon längst. Hohe Kaufkraft gepaart mit einem starken Qualitätsbewusstsein kennzeichnen die Zielgruppe der Mature Consumer und auch als Testimonials wird vermehrt auf die "No Ager" gesetzt. 2015 nennen Experten "die Geburtsstunde der Senior Models". Die Swimsuit Ausgabe von Sports Illustrated zierte die damals 94-Jährige Frau Apfel. Bei Yves Saint Laurent engagierte man die 71-Jährige Joni Mitchell, aktuell für Chanel ist Ali Macgraw im Einsatz, mit ihren 81 Jahren auch nicht die Jüngste. Hierzulande posiert Harald Serafin für Emporia.

Aber die Mode wird ja kaum von Philosophien bestimmt, am ehesten wohl vom Absatzzuwachs. Um der Wichtigkeit der Alten das richtige Gewicht zu verleihen, bedarf es also grundlegender Einsichten, die alten Menschen ihre Bedeutung im Rahmen der Gesellschaft sichern. Wiewohl fast jedes Individuum wissen müsste, dass es ohne das Wirken der Eltern und Großeltern kaum seine positive individuelle hochgeschätzte Existenz hätte, ist es offensichtlich kein Wissen, das automatisch die entsprechende Achtung mit sich bringt.

Es ist an der Zeit, dies in das Bewusstsein zu rücken, damit nun eine ganze Generation unter Beweis stellen kann, dass sie zu verzichten willens ist. Und damit die Schwachen, die Alten und unsere ganze Gesellschaft schützt. Lebe und handle so, dass die Ältesten in deinem Umfeld dadurch nicht fahrlässig gefährdet werden: So könnte etwa der aktuelle Kategorische Imperativ lauten. 


 

Kommentare auf LEADERSNET geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors bzw. der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion. Im Sinne der Pluralität versuchen wir unterschiedlichen Standpunkten Raum zu geben – nur so kann eine konstruktive Diskussion entstehen. Kommentare können einseitig, polemisch und bissig sein, sie erheben jedoch nicht den Anspruch auf Objektivität.

Mag. Julia Emma Weninger

Chefredakteurin LEADERSNET
Chefredakteurin LEADERSNET Luxury News

Opinion Leaders Network GmbH

j.weninger@leadersnet.at

Liebe Frau Mag. Weniger,
ich danke Ihnen für Ihren großartigen Beitrag. Bestens verfasst , couragiert geschrieben und ..wertvoll ...für ALLE
Gratulation
Ihr Dr. Josef FRITZ / BOARD SEARCH

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

Mag. Julia Emma Weninger

Chefredakteurin LEADERSNET
Chefredakteurin LEADERSNET Luxury News

Opinion Leaders Network GmbH

j.weninger@leadersnet.at

leadersnet.TV