Wie wichtig ist die Rolle der Medien als vierte Gewalt? Wie unabhängig und frei von Interventionen können Journalisten arbeiten? Der aktuelle Journalistenbarometer – ein gemeinsames Projekt des Marktforschungsinstitutes Marketagent.com und der PR-Agentur Ecker & Partner – hat über 500 Journalisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zum Thema "Politik & Medien" sowie 1.000 Österreicher einige Wochen nach der Ibiza-Affäre befragt und alarmierende Ergebnisse hervorgebracht.
Journalisten mit gutem Image
So sehen 45 Prozent der österreichischen Journalisten die Pressefreiheit in Gefahr, während in Deutschland 35 Prozent, in der Schweiz nur 16 Prozent dieser Aussage zustimmen. Im Vergleich dazu sorgen sich 25 Prozent der österreichischen Bevölkerung um die Pressefreiheit, während 41 Prozent überzeugt sind, dass die Rolle der Medien als vierte Gewalt im Staat noch nie wichtiger war als heute.
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Unter Journalisten ist die Zustimmung deutlich größer, sieben von zehn sind überzeugt, dass die Kontrollfunktion der Medien in Österreich noch nie brisanter war. Grund zur Freude ist das Image der Journalisten unter der Bevölkerung: 37 Prozent haben ein deutlich positives Bild, während nur 27 Prozent der österreichischen Journalisten von sich glauben, ein gutes Image zu haben.
Unabhängiger Journalismus, der informiert und kontrolliert
Welche Rollen sollen Medien spielen? Die österreichische Bevölkerung hat hier eine klare Antwort: Information (70 Prozent), gefolgt von Unterhaltung (53 Prozent), Meinungsbildung (52 Prozent) sowie Kritik und Kontrolle (51 Prozent) haben einen hohen persönlichen Stellenwert. Fragt man österreichische Journalisten, welche Funktionen in den letzten Jahren an Bedeutung dazu gewonnen haben, ergibt sich folgendes Bild: Die Unterhaltung ist mit 70 Prozent klar auf Platz 1, die Information mit 37 Prozent an letzter Stelle.
Zum Thema Unabhängigkeit der Medien gibt fast jeder zweite österreichische Journalist an, allein im letzten Halbjahr persönlich von einer externen oder internen Intervention betroffen gewesen zu sein. Nur 30 Prozent der österreichischen Journalisten sind überhaupt der Meinung, dass sie frei von Interventionen arbeiten können - das ist der niedrigste Wert im DACH-Raum (Deutschland 36 Prozent, Schweiz 43 Prozent).
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Axel Zuschmann, Geschäftsführer von Ecker & Partner: "Wir brauchen eine Politik, die Pressefreiheit garantiert. Dazu gehören unabhängige, finanziell abgesicherte Medien. Nur dann können Journalisten frei arbeiten und ihrer Kontrollfunktion in einer funktionierenden Demokratie gerecht werden." Um frei zu arbeiten müssten aber auch die Arbeitsbedingungen verbessert werden, die sich laut den befragten Journalisten in den letzten Jahren deutlich verschlechtert haben. Chronische Unterfinanzierung und ständiger Zeitdruck würden eine solide Berichterstattung klar behindern.
Nur die Hälfte der Bevölkerung stimmt Veröffentlichung des Ibiza-Videos zu
"Die Veröffentlichung des Ibiza-Videos ist medienethisch vertretbar, da das Interesse der Öffentlichkeit mehr wiegt als der Umstand, dass das Material mit illegalen Mitteln beschafft worden sein könnte" – dieser Aussage stimmen 85 Prozent der österreichischen Journalisten, aber nur 50 Prozent der Österreicher zu. Thomas Schwabl, Geschäftsführer von Marketagent.com: "Wir brauchen nicht nur unabhängige Medien, die Kritik und Kontrolle ausüben, sondern auch eine breite öffentliche Diskussion über die Rolle der Medien als Korrektiv. Denn die Kontrollfunktion kann von den Medien nur wahrgenommen werden, wenn auch der gesellschaftliche Druck dafür groß genug ist."
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Der Optimismus überwiegt dennoch: Die Hälfte der Journalisten und rund 40 Prozent der Österreicher sind überzeugt, dass die Bedeutung unabhängiger Medien als vierte Gewalt nach der Ibiza-Affäre zunehmen werde. Schwabl: "Dieses Zeitfenster muss genutzt werden, das Thema brennt derzeit jedem auf der Zunge. Die Politik ist gefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu setzen, um unabhängigen Qualitätsjournalismus zu sichern."
Verhältnis von Politik und Medien auch in Zukunft angespannt
Erst vor wenigen Wochen haben Österreichs Chefredakteure gemeinsam die Politik vor dem Zugriff auf Medien gewarnt: "Wer die Grenzen zwischen Journalismus und Politik missachtet, gefährdet die Demokratie". Dass das Verhältnis von Politik und Medien jedoch auch in Zukunft von Spannungen geprägt sein wird, glauben 92 Prozent der österreichischen Journalisten und 69 Prozent der österreichischen Bevölkerung.
Auch denken nur 26 Prozent der Österreicher und elf Prozent der österreichischen Journalisten, dass Politiker aus der Ibiza-Affäre gelernt haben und die Unabhängigkeit der Medien mehr respektieren werden. "Wir alle erinnern uns an die Wahlkampfslogans Macht braucht Kontrolle und Politik braucht ein Gewissen. Diese sind aktueller denn je und niemand kann diese Funktion von Kontrolle und Gewissen besser erfüllen als unabhängige Journalisten", so Zuschmann.
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