Die Debatte rund ums Homeoffice hat erneut und teils heftig Fahrt aufgenommen. Unter den prominenteren Opponenten findet sich unter anderem der neue beste Freund des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump, Elon Musk. Er soll für den Bürokratieabbau bzw. eine verbesserte Regierungseffizienz in den USA zuständig sein. Seine Ablehnung dem Homeoffice gegenüber wurde vor allem im Zuge seiner Übernahme der Social Media Plattform X augenscheinlich, als er via E-Mail verkündete, dass es künftig kein Homeoffice mehr gebe, sondern die Mitarbeitenden mindestens 40 (!) Stunden pro Woche im Büro sein müssten. Nun ließ er erneut aufhorchen, und was er im Wall Street Journal schrieb, wurde bereits von einigen Medien übernommen: "Wenn Bundesangestellte nicht erscheinen wollen, sollten die Steuerzahler:innen sie nicht für das Privileg der COVID-Ära bezahlen, zu Hause zu bleiben."
Diskussion flammt wieder auf
Ist dies, geneigte Leser:innen, nun ein reines US-Phänomen? Nein, denn in vielen großen Marktwirtschaften flammt die Diskussion wieder auf, und Unternehmen wie SAP, Volkswagen und viele andere holen ihre Angestellten wieder zurück an die Standorte. Dazu gesagt werden muss, dass viele Unternehmen bis zu 100 Prozent Homeoffice gestatteten – ein Limit, das sie nun sukzessive wieder zurückschrauben. Laut einer Umfrage des deutschen ifo-Instituts von Juli 2024 gibt es in 73 Prozent der deutschen Unternehmen einen gewissen Anteil bzw. eine Art von Homeoffice, was mit 93 Prozent insbesondere bei Großunternehmen der Fall ist, bei Mittel- und Kleinunternehmen liegt dieser Wert bei etwa 75 Prozent. Lassen Sie uns aber, wie gewohnt, von Anfang an beginnen.
Vorteile von Homeoffice
Homeoffice bietet vor allem jenen Arbeitnehmer:innen Vorteile, die sich dadurch lange Wege ersparen – bei gleichzeitig positiven Auswirkungen auf Umwelt und Psyche durch weniger Fahrten, weniger "verlorene" Zeit und weniger Stress am Weg von und zur Arbeit. Manche Arbeitnehmer:innen schätzen auch den Vorzug, parallel diverse Dinge erledigen zu können – Pakete empfangen, einkaufen, Kinder in den Kindergarten oder die Schule bringen, etc.. Vor allem für die Generation Z ist Homeoffice ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil eines Arbeitsverhältnisses und soll vielmehr die Motivation steigern, für ein Unternehmen tätig zu werden. Unternehmen mit entsprechendem Angebot werden als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen und sind damit im Vorteil gegenüber anderen. Ob Homeoffice allerdings generell zu mehr oder weniger Produktivität bzw. Effizienz führt, dazu gibt es viele unterschiedliche Ansichten – letztlich ist dies aber immer auch von der Branche abhängig.
Nachteile von Homeoffice
Unbestritten ist auf der anderen Seite, dass Präsenzarbeit dem Homeoffice in manchen Aspekten überlegen ist. So sind in persönlicher Anwesenheit viele Dinge sowohl schneller und unkomplizierter zu erledigen und auch zu besprechen als im Homeoffice. Viele Informationen können "zwischen Tür und Angel" oder beim Kaffee einfach effizienter ausgetauscht werden. Das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team, die Verbundenheit mit dem Unternehmen, aber auch Empathie wird in Präsenz sicherlich um einiges stärker empfunden, als dies im Homeoffice der Fall ist. Andererseits kann auch das vom Unternehmen entgegengebrachte Vertrauen und die Freiheit, sich den Arbeitsalltag selbst einzuteilen, sich positiv auf die Einstellung auswirken und damit Loyalität und Bindung intensivieren.
Die Wahrheit liegt in der Mitte
Was also tun? Die Wahrheit liegt – wie so oft im Leben – irgendwo in der Mitte und vor allem, dass es nicht ein Konzept gibt, das für alle passt. Nicht unwesentlich mit in die Erwägungen einzubeziehen ist, dass es ganz viele Arbeiten – oft im selben Unternehmen – gibt, die gar keine Homeoffice-Regelungen zulassen. Dazu gehört etwa der stationäre Handel, Produktionen, Dienstleistungen etc., was das Homeoffice in gewisser Weise zu einem Elitenproblem werden lässt. Dazu kommt, dass eine ganze Reihe von Jobdescriptions schlicht nicht für ausschließliche Homeoffice-Tätigkeiten tauglich sind. Während der Corona-Pandemie wurden die Mitarbeitenden einfach ins Homeoffice geschickt, obwohl laut Jobdescription zumindest ein Teil im Büro bzw. in Präsenz zu erledigen gewesen wäre. Daran hat sich bisher nicht viel geändert.
Klare Regeln
Aber wie gesagt, die Antwort liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Ich bin überzeugt, dass Homeoffice-Regeln – wie etwa bei uns im Unternehmen – mit einem möglichen Anteil von maximal 50 Prozent durchaus Sinn machen. Damit aber die damit verbundenen Nachteile nicht durchschlagen, braucht es klare Regeln, zum Beispiel fest vereinbarte Zeiten, zu denen alle Team- und/oder Abteilungsmitglieder, vielleicht sogar alle Angestellten, anwesend sind, um dann auch Meetings in Präsenz durchführen zu können. Es braucht zudem eine andere Art von Kommunikation. Von den Führungskräften muss weitaus mehr und intensiver zu den Mitarbeiter:innen kommuniziert werden, um den Informationsfluss und auch das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Teamgefüge zu stärken. Dies insbesondere, wenn eine Homeoffice-Regelung nicht für alle Mitarbeitenden in Frage kommt – hier keine Spannungen aufkommen zu lassen, ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe.
In weiterer Folge muss es den Unternehmen – ganz zum Leidwesen der Immobilienbranche und vieler am Unternehmensstandort vorhandenen Serviceunternehmen – möglich sein, auch Kosten zu sparen und Büroflächen zu verkleinern, ohne jedoch die Attraktivität des Standortes einzubüßen. Im Gegenteil, es muss die Herausforderung gemeistert werden, am Ende sogar mit dem Büro attraktiver zu werden.
Hausverstand und Gespür
Zusammenfassend glaube ich nicht an ein Entweder-oder beim Thema Homeoffice. Was es immer braucht, ist eine ausreichende Portion Hausverstand und auch das nötige Gespür sowohl seitens der Führungskräfte als auch der Mitarbeitenden, um das Beste für das Unternehmen zu erreichen. Mit Zwang und allzu strikten Vorgaben wird man es heutzutage schwer haben, gute Köpfe für sich zu gewinnen und diese auch zu halten. Mit einer ausgewogenen Mischung aus guten Anreizen, Vertrauen, Verlässlichkeit und Korrektheit hingegen stehen die Chancen gut, als attraktiver Arbeitgeber am Markt zu punkten.
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