IHaM-Studie
Debatte um Sonntagsöffnungen im Advent spaltet die Österreicher

Wie eine aktuelle Umfrage festhält, ist fast die Hälfte der heimischen Bevölkerung strikt dagegen, dass der Einzelhandel an Adventsonntagen seine Türen öffnet. Dabei zeigen sich deutliche Generationsunterschiede sowie ein Stadt-Land-Gefälle.

Jedes Jahr, wenn die Adventszeit langsam heranrückt, sorgt eine bestimmte Diskussionsfrage für gespaltete Meinungen: Sollen die Einzelhandelsgeschäfte an Adventsonntagen öffnen?

Erstmalig getestet wurden die vorweihnachtlichen Sonntagsöffnungen 2021, allerdings mit dem Hintergrund, dass der fünfte Lockdown den Einzelhandel massiv belastete. Zudem sorgte die außerordentliche Öffnung am 4. Adventsonntag dafür, dass die Menschen noch ein wenig mehr Zeit hatten, Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Allerdings stieß diese Entscheidung auch damals schon auf Unmut: So sprachen sich 48 Prozent der Österreicher:innen dagegen aus, und 52 Prozent hießen die Öffnung am "Goldenen Sonntag" für gut.

Vor allem junge Konsument:innen und Städtler:innen für Sonntagsöffnung

Auch drei Jahre hat sich das Meinungsbild der Gesellschaft hierzulande kaum verändert, wie eine aktuelle, repräsentative Online-Umfrage des IHaM Institut für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) unter 1.005 Konsument:innen zwischen 16 und 74 Jahren zeigt. Demnach sprechen sich 53 Prozent der Österreicher:innen für eine Öffnung an zumindest einem Sonntag im Advent aus, wobei 26 Prozent die Geschäfte sogar an allen vier Adventsonntagen öffnen würden. 19 Prozent sind für zwei offene Sonntage, und acht Prozent würden sich mit einem offenen Sonntag zufriedengeben. Trotzdem sind 47 Prozent, und damit fast die Hälfte der Befragten, weiterhin strikt gegen eine adventliche Sonntagsöffnung im stationären Einzelhandel.

Was sich auf Basis der Ergebnisse deutlich feststellen lässt: Vor allem junge Konsument:innen hätten gerne geschäftsoffene Adventsonntage, so stimmen 73 Prozent der 16- bis 24-Jährigen zu. Dem gegenüber stehen die 65- bis 74-Jährigen, wo sich lediglich 38 Prozent dafür aussprechen.

Es herrschen aber nicht nur Generationsunterschiede, sondern auch ein starkes Stadt-Land-Gefälle: Während Sonntagsöffnungen vor allem bei den Wiener:innen (71 Prozent) auf Zuspruch stoßen, sind es bei Einwohner:innen kleiner Gemeinden (43 Prozent) deutlich weniger.

Wunsch zur Sonntagsöffnung heißt nicht, dass tatsächlich eingekauft wird

Mal angenommen, die Geschäfte wären sonntags geöffnet – würden die Menschen auch tatsächlich einkaufen gehen? Obwohl sich laut Studie 53 Prozent für zumindest eine Sonntagsöffnung im Advent aussprechen, würden lediglich 40 Prozent diese auch nutzen. Auch hier sind Alter und Wohnort entscheidend, wobei das Interesse an einem Sonntagseinkauf mit zunehmendem Alter geringer wird: Während die Jungen zwischen 16 und 24 Jahren mit 66 Prozent eher einkaufen würden, sind es in der Kohorte von 64 bis 75 Jahren lediglich 22 Prozent. Die Wiener:innen würden dieses Angebot mit 56 Prozent zudem eher wahrnehmen als Menschen außerhalb Wiens (37 Prozent) sowie jene in ländlichen Gemeinden (34 Prozent).

Was dafür spricht

Die Gründe, warum doch eine knappe Mehrheit der Österreicher:innen für eine Sonntagsöffnung im Advent argumentiert, sind vielseitig: Für 43 Prozent sei dies eine Möglichkeit für den heimischen Einzelhandel, mit dem internationalen Online-Handelt mithalten zu können. Zudem meinen 40 Prozent, dass in vielen anderen europäischen Ländern die Läden am Sonntag ebenfalls geöffnet hätten. Ebenso viele würden es praktisch finden, an Adventsonntagen einkaufen zu gehen, weil eben auch 37 Prozent gerade am Sonntag Zeit hätten, in Ruhe zu shoppen. Zudem geben 35 Prozent an, damit mehr Zeit für Weihnachtseinkaufe zu haben.

Überdies sind 43 Prozent der Ansicht, das die einzelnen Geschäfte selbst entscheiden sollen dürfen, ob sie sonntags aufmachen oder eben nicht. 36 Prozent würden nämlich generell das ganze Jahr über gerne an Sonntagen einkaufen gehen.

Was dagegen spricht

Aber auch die Argumente der Gegenseite sind vielseitig und verständlich: So meinen je 45 Prozent der Konsument:innen, dass Einzelhandelsmitarbeiter:innen weiterhin an Sonntagen freihaben sollten, dass die aktuellen Öffnungszeiten von Montag bis Samstag absolut ausreichend wären und man generell nicht den Sonntag mit Einkaufen verbringen wollen würde. Dementsprechend nutzen 42 Prozent die vorweihnachtlichen Sonntage lieber für Freizeitaktivitäten, Sport oder Ähnliches.

In Hinblick auf das restliche Jahr sprechen sich 43 Prozent völlig gegen Sonntagsöffnungen aus – 40 Prozent mit der Begründung, dass der Sonntag ein Familientag ist, und 23 Prozent nennen religiöse Gründe.

Polarisierendes Thema

"Gerade in der Adventzeit spaltet die Diskussion um die Sonntagsöffnung im Einzelhandel das ganze Land. Die eine Hälfte der Österreicher:innen ist dafür, die andere Hälfte dagegen", resümiert Studienleiter Ernst Gittenberger. Besonders erstaunlich findet er, dass vor sich vor allem junge Konsument:innen eine Sonntagsöffnung wünschen, aber gleichzeitig am häufigsten im Internet einkaufen. "Das Thema ist und bleibt ein Dauerbrenner im Einzelhandel."

IHaM-Institutsvorstand Christoph Teller ergänzt: "Die Ergebnisse zeigen weiters, dass die Sonntagsöffnung kein Patentrezept gegen den wachsenden Druck des Online-Handels ist. Denn zusätzliche Öffnungszeiten führen nicht automatisch zu höheren Umsätzen bzw. Einzelhandelsausgaben, insbesondere bei einkommensschwächeren Konsumentengruppen. Gleichzeitig bedeuten sie erhebliche Mehrkosten für den Handel, die erst einmal durch Mehrabsatz verdient werden müssen." Doch die Diskussion um die Sonntagsöffnung sei mehr als eine wirtschaftliche Frage – sie betreffe uns alle. Dementsprechend müssten, laut Teller, kulturelle, religiöse und ethische Aspekte ebenso einbezogen werden. "Wir sollten in Österreich unseren eigenen, gesellschaftlich abgestimmten Weg finden dürfen."

www.jku.at/ham

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