LEADERSNET: Wofür steht die Marke Austrian Standards und wie hat sich diese in den letzten Jahren verändert?
Valerie Höllinger: Die Marke Austrian Standards steht vor allem für impactstarke Innovation. Mit unseren Lösungen in Form von Standards sorgen wir dafür, dass eins zum anderen passt und unser Leben verlässlicher und sicherer verläuft. Denn Standards begleiten uns tagtäglich – von einfach bis komplex: von der einfachen Schraube bis zum Quantencomputer.
Was viele gar nicht wissen: Wir bei Austrian Standards erstellen selbst keine Standards. Stattdessen bringen wir die Expert:innen an einen Tisch – das sind Fachleute aus Forschung, Wirtschaft, Politik, NGOs und der Verwaltung. Wir vernetzen also kluge Köpfe und setzen gezielt auf Schwarmwissen. Standards sind kein Selbstzweck, sondern sollen dabei helfen, Probleme zu lösen. Daher werden Standards von Menschen für Menschen gemacht.
Seit mittlerweile über 100 Jahren sind wir für die Entwicklung von Standards verantwortlich. Und das machen wir sehr erfolgreich. Unsere Marke Austrian Standards vereint ein starkes Produktportfolio unter einem Dach. Daher wollen wir uns künftig noch stärker als Komplettanbieter positionieren. Denn als österreichischer Think-Tank verfügen wir über einen reichen Erfahrungsschatz sowie über umfassendes Wissen. Von dieser geballten Kompetenz profitieren unsere Kund:innen und erhalten alles aus einer Hand: angefangen vom passenden Standard bis hin zur praktischen Anwendung – egal, ob Weiterbildung, Zertifizierung oder Fachliteratur.
LEADERSNET: Wie wichtig sind Standards für die Gesellschaft und für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen?
Höllinger: Würde es Standards nicht geben, würde die Bankomatkarte nicht mehr in den Bankomaten passen, unsere Handys (GSM-Standard) würden nicht mehr funktionieren oder Lieferketten würden ins Wanken kommen. Selbst unser Trinkwasser hätte nicht mehr die erwartete Qualität. Im Grunde genommen funktionieren Standards wie eine Bedienungsanleitung. Somit sind Standards enorm wichtig für unsere Gesellschaft.
Darüber hinaus spielen Standards bei allen Zukunftstrends eine Rolle. Sei es KI, Circular Economy oder Wasserstoff. Wie können Innovationen sinnvoll für die Gesellschaft eingesetzt werden und nicht nur für Profit, Überwachung oder Gewinnmaximierung? Von der richtigen Weichenstellung hängen große und wichtige Projekte wie etwa die Umsetzung des Green Deals ab. Ein wichtiges Instrument dafür sind Standards. Überall braucht es Anschlussfähigkeit, also Interoperabilität. Schnittstellen müssen klar definiert sein, und es müssen eindeutige Begriffe gelten.
Standards sind wie ein unsichtbares Koordinatensystem, das gerade in unsicheren Zeiten für Orientierung, Qualität, Vertrauen und Fairness sorgt. Sie sind ein relevanter Schlüssel, wenn es darum geht, neue Technologien zu verankern und Innovationen skalierbar zu machen, besonders im Kontext der digitalen Transformation und der Energiewende.
Und natürlich machen Standards den wettbewerbsentscheidenden Unterschied. Ohne Standards wären Markteintrittsbarrieren für "Innovation Made in Austria" nur schwer zu überwinden. Für viele Unternehmen in Österreich bietet der Export ihrer Produkte und Waren ein enormes Potenzial. Standards helfen dabei, Kosten zu sparen, die Effizienz zu steigern, Exporte zu beflügeln, aber auch die Qualität zu verbessern und Dinge sicherer zu machen. Warum? Weil sie "state of the art" sind. Das heißt konkret: Sie legen fest, was von einem Produkt oder einer Dienstleistung erwartet werden kann, und geben damit auch vor, welche Regeln und Bedingungen bei der Produktion beziehungsweise beim Anbieten von Dienstleistungen eingehalten werden sollen. Gerade das rasche Innovationstempo, unsere ökologischen und digitalen Ambitionen und die Auswirkungen technologischer Entwicklungen erfordern unsere volle Aufmerksamkeit und Zusammenarbeit.
LEADERSNET: Wie tragen Standards zur Stärkung europäischer Unternehmen im globalen Kontext bei?
Höllinger: Damit europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb erfolgreich eintreten, bestehen und ihre Marktposition stärken können, sind Standards unerlässlich. Denn durch die Einhaltung anerkannter Standards können europäische Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen auf globalen Märkten anbieten. Dies erhöht ihre Wettbewerbsfähigkeit und erleichtert den Zugang zu neuen Märkten. Standards sorgen für einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen, was das Vertrauen der Verbraucher:innen und Geschäftspartner:innen in europäische Produkte und Dienstleistungen stärkt. Darüber hinaus sind Standards auch Innovationstreiber: Durch die Einhaltung von Standards können Organisationen ihre Prozesse optimieren und innovative Lösungen entwickeln, die den Anforderungen des globalen Marktes entsprechen.
Hier möchte ich den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft zitieren, der Standards auf europäischer Ebene eine hohe Bedeutung beimisst: "Normen sind ein wichtiges Element für die europäische Autonomie und eine treibende Kraft für die Wettbewerbsfähigkeit. Mit der EU-Strategie für Normung setzt Europa ein klares Zeichen, um auf dem Gebiet der Normung entschlossen auftreten zu können." Diese erste Standardisierungsstrategie wurde vor über zwei Jahren veröffentlicht und damit hat sich die EU klar dafür entschieden, das europäische Normungssystem, das auf Meinungsvielfalt beruht, nicht nur fortzusetzen, sondern auch zu stärken. Das macht es für einzelne Anbieter, die Regeln im Alleingang diktieren wollen, schwieriger, Akzeptanz zu finden.
LEADERSNET: Wie können Standards der nationalen Wirtschaft bei der überbordenden Bürokratisierung helfen?
Höllinger: Standards spielen eine entscheidende Rolle beim Abbau von Bürokratie, weil sie es den Akteurinnen und Akteuren der Wirtschaft ermöglichen, sich auf gemeinsame Regeln zu einigen. Man könnte zwar meinen, dass Standards die unternehmerische Freiheit einschränken oder dem Ideal eines "schlanken" Managements widersprechen, aber tatsächlich tragen sie wesentlich dazu bei, Bürokratie zu reduzieren. Schließlich sind es die Unternehmen selbst, die sich auf diese Regeln einigen.
Bei Austrian Standards liegt uns viel daran, für Österreichs Organisationen einen Rahmen zu schaffen, der Wachstum und Innovation fördert, ohne praxisferne Regeln, um ihrer selbst willen festzulegen. Wir sind überzeugt, dass Standards nicht nur der Wirtschaft nützen, sondern sich auch wirtschaftlich lohnen müssen.
Standards entlasten auch den Staat, weil sie der Verwaltung ermöglichen, sich auf die Definition rechtlicher Rahmenbedingungen zu konzentrieren, während Standards die wichtigen Details regeln – wie Messverfahren, Begriffe oder Prozesse.
LEADERSNET: Wie arbeiten unterschiedliche Teilnehmende, wie Unternehmen, NGOs oder Vereine, im Normungsprozess mit Austrian Standards zusammen?
Höllinger: Ein Standard entsteht immer aus der Praxis – aus einem konkreten Bedarf oder einem Problem heraus. Die Expert:innen in den Komitees arbeiten dabei eigenständig und sind nicht weisungsgebunden. Natürlich gibt es Regeln für den Entstehungsprozess eines Standards. Dazu gehören die Grundprinzipien Konsens, Freiwilligkeit, Transparenz und Aktualität. Bei Austrian Standards moderieren wir die Arbeit von etwa 4.800 Expert:innen in fachspezifischen Komitees und Arbeitsgruppen.
Unser Ziel ist es, das Wissen dieser Expert:innen für alle nutzbar zu machen. Dabei setzen wir auf Offenheit: Die Standardisierung ist für alle Interessierten offen, denn jeder Standard lebt von dem breiten inhaltlichen Austausch, den vielfältigen Ideen und der umfassenden Praxiserfahrung. Dabei spielt es keine Rolle, wie groß eine Organisation ist – ob es ein Konzern, ein Start-up, ein kleines oder mittleres Unternehmen, eine Verwaltungsbehörde oder eben eine Einzelperson ist. Jede Stimme zählt gleich viel!
Ein Standard kommt also direkt aus der Mitte der Gesellschaft und dient praktisch als Anleitung, um bei einem Produkt oder einer Dienstleistung nicht in bestimmte Fallen zu tappen. Er definiert einfach, wie "gut" aussehen sollte, also den kleinsten gemeinsamen Nenner.
LEADERSNET: Kann ich als Privatperson die Lösung eines Problems als Standard anstoßen?
Höllinger: Ja, absolut! Die Standardisierung ist, wie bereits erwähnt, offen für alle. Und das ist nicht nur so dahingesagt, sondern wir verfolgen das Ziel, einen ausgewogenen, gleichberechtigten, transparenten und neutralen Prozess zu bieten. Dementsprechend ist es uns wichtig, dass die Teilnahme am Standardisierungsprozess für alle Interessierten so einfach und transparent wie möglich ist.
Neben einer Mitarbeit in einem Komitee, gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Privatpersonen aktiv an der Standardisierung teilnehmen können. Auf unserer Webseite finden Interessierte unter dem Menüpunkt "Standards mitgestalten" alle wichtigen Informationen. Das heißt, wer eine Idee für einen neuen Standard hat, oder einen bestehenden Standard überarbeiten möchte, kann sich ganz einfach bei uns einbringen. Und wer Interesse hat, an der Arbeit in einem unserer Komitees mitzuwirken, kann sich ebenfalls gerne bei uns melden. Unsere Türen stehen offen!
LEADERSNET: Stichwort: Innovationen und Nachhaltigkeit! Was müssen wir tun, um auch in Zukunft Lebenslust und Wohlstand genießen zu können?
Höllinger: Nachhaltiges Wachstum und verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen rücken zum Glück immer mehr in den Fokus. Hier unterstützen Innovationen in der Umsetzung stark, um z. B. grüne Technologien zu fördern oder im Sinne der Kreislaufwirtschaft Ressourcen effizient zu verwenden. Für die österreichische Innovationskraft sind eben auch Standards sind ein echter Motor und absolut zentral im Innovationsökosystem. Sie schaffen die notwendigen Rahmenbedingungen und die Stabilität, die Innovationen erfolgreich machen. Im Grunde sind Standards das, was das Wissen und die Technologien unserer Zeit miteinander verknüpft und dafür sorgt, dass neue Ideen reibungslos ineinandergreifen – denn Innovation und Standards gehen Hand in Hand.
www.austrian-standards.at
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