Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland rückt näher. Österreich hat mit Ralf Rangnick als Trainer eine Nationalmannschaft aufgebaut, die es bei diesem Bewerb durchaus weit bringen kann. In Österreich wird vielerorts davon geträumt, Deutschland im eigenen Heimatland zu schlagen. Dies hat mich als Wien liebenden und hier lebenden Deutschen, der zwischen beiden Welten pendelt, bewogen, ein paar Gedanken zum deutsch-österreichischen Verhältnis niederzuschreiben. Dies durchaus mit einem Augenzwinkern. Vorab sei jedoch so viel gesagt: Selbstverständlich kann Österreich bei der EM Zweiter werden – gleich hinter Deutschland.
"Kulturen unterscheiden sich"
Doch wie gewohnt, alles von vorne: Viele Unternehmen haben ihre Struktur früher über den gesamten DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) -Raum gebildet, weil – so hieß es zumindest – die Sprache und Kultur in diesen Ländern doch gleich wären. Falscher kann eine Aussage aber nicht sein, und zwar nicht nur, weil Tüte in Österreich Sackerl heißt – nein, die Kulturen unterscheiden sich maßgeblich.
Während wir Deutschen als effizient gelten, kommt dies bei Österreicher:innen mehrfach als zu direkt an. Auf der anderen Seite denken Deutsche, wenn sie in wirtschaftlichen und/oder politischen Gesprächen die Antwort "Schau' ma mal" bekommen, einen guten Schritt weitergekommen zu sein, dabei ist aus österreichischer Sicht hier nur höflich "nein" gemeint. Viele kulturelle Missverständnisse mögen ihren Ursprung darin haben, dass manche Deutsche aufgrund ihrer geradlinigen Art nach österreichischer Ansicht rechthaberisch wirken. Auch, weil sie dem "kleinen Bruder" einen dahingehenden Komplex unterstellen. Dies sehen sie unter anderem darin bestätigt, dass sich Österreicher:innen wahnsinnig gerne mit einem oder mehreren Titeln schmücken, derer es hier um die 1.500 an der Zahl gibt.
Dies schlägt sich auch in Umfragewerten hinsichtlich der Sympathie nieder: Während Deutsche Österreich nicht nur als Urlaubsland sehr schätzen, sind Österreicher:innen hier diplomatisch ausgedrückt zurückhaltender. Die einzige Ausnahme bildet das Bundesland Bayern, dem man sich in Österreich nicht zuletzt wegen des Dialekts etwas näher fühlt. In Österreich gibt es jedenfalls allerhand Vorbehalte gegenüber Deutschland, die allerdings umso kleiner werden, je besser die Österreicher:innen das Nachbarland und seine Bewohner:innen durch Besuche oder Reisen kennenlernen. Die Reiselust der Deutschen nach Österreich ist um ein Vielfaches ausgeprägter.
Wichtige Handelspartner
Ein Blick in die Wirtschaft zeigt, dass Deutschland Österreichs größter Handelspartner ist, circa 30 Prozent aller österreichischen Exporte gehen nach Deutschland, was im Jahr 2023 einen Wert von circa 50 Milliarden Euro ausmachte. Ebenso zu beachten ist, dass Österreich eine Exportquote von über 60 Prozent des BIP hat. Österreich importierte Waren für circa 89 Milliarden Euro aus Deutschland und liegt damit auf Platz 6 der Exportliste Deutschlands. Und auch die Zusammenarbeit mit den zahlreichen Hidden Champions, über die Österreich verfügt, läuft insoweit sehr gut.
Deutschland zeigt sich führenden Manager:innen aus Österreich gegenüber sehr offen. In österreichischen Unternehmen – und damit meine ich nicht Ableger internationaler Unternehmen – findet man hingegen eher selten Deutsche an der Spitze. Dies kann unter Umständen mit der Bezahlung zu tun haben, aber womöglich eher doch mit noch vorhandenen Vorbehalten gegenüber deutschen Manager:innen. Erst kürzlich konnte dies in der Auseinandersetzung der Gewerkschaft Vida mit der AUA beobachtet werden, wo trotz nachweislich falscher Behauptungen des Gewerkschaftsführers gegen die AUA-Vorsitzende und deren so tituliertes ""deutsches Gebaren" medial hergezogen wurde, um die Stimmung weiter anzuheizen.
Gewöhnungsbedürftig und für viele (Deutsche) nicht ganz nachvollziehbar (weil veraltet und reformbedürftig) ist das Sozialpartnersystem oder die Aufteilung in eine "schwarze" und "rote Reichshälfte". Beispiele wären etwa der "schwarze" Alpenverein und das "rote" Pendant Naturfreunde, oder der "rote" Autofahrerclub ARBÖ und die "schwarze" Entsprechung, der ÖAMTC.
"Trittbrettfahrermentalität"
Aus persönlicher Sicht kann ich sagen, als Deutscher in Österreich sehr gut aufgenommen worden zu sein. Sicherlich ist an manchen Vorbehalten etwas dran, wir Deutschen sind manchmal sehr direkt und zielfokussiert. Da kann man sich von Österreich schon einiges abschauen, etwa, dass mehrere Wege zum Ziel führen. Hinzu kommen die Vielfalt und hohe Qualität bei Kulinarik und Genuss, die auch mich begeistert, wie auch die insgesamt sehr ausgeprägte Lebenslust. Dafür würde ich mir etwas mehr Verbindlichkeit und weniger "Schau' ma mal" wünschen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Melange – wenn es dazu kommt – beider Kulturen durchaus als exzellent bezeichnet werden kann und nicht nur wirtschaftlich betrachtet Weltklasse-Niveau hat. Erwähnt werden muss jedoch, dass Österreich spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine in Deutschland verändert wahrgenommen wird, was vielleicht an der grundsätzlichen hohen Beliebtheit kratzen könnte. Man nimmt in Deutschland und in der EU wahr, dass Österreich versucht, sich in einzelnen Dingen rauszuhalten oder sich auf militärische Neutralität beruft, ansonsten aber – leider – eine gewisse "Trittbrettfahrermentalität" an den Tag legt. Dies könnte zu weiterem Vertrauensverlust führen, was durch die offensichtlich fehlende Kritik gegenüber Russland weiter verschärft wird.
In den 240 Jahren Unternehmensgeschichte hat nicht nur die Austria Tabak und ihre Nachfolgerin JTI Austria mit den Rahmenbedingungen der sehr wechselhaften Geschichte und Beziehung Österreichs mit Deutschland mitgehen müssen. Hier zeigt sich aber insbesondere innerhalb der Belegschaft im Kleinen, was ich zuvor schon erwähnt habe: Je besser man einander kennt, umso besser versteht man sich mit Menschen anderer Nationalität, was aufgrund der globalen Reichweite des JTI Konzerns natürlich weit über Österreich und Deutschland hinausgeht.
Abschließend will ich noch eines einräumen: Ich würde es Österreich beim Fußball wirklich einmal gönnen, gegen Deutschland nicht nur in einem Testspiel zu gewinnen. Vielleicht nicht unbedingt bei der Europameisterschaft und auch nur dann, wenn wir uns diesen Triumph dann nicht Steinzeiten später – Stichwort Córdoba – immer noch anhören müssen.
www.jti.com
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