Bitcoin-ETFs beflügeln derzeit wesentlich den Kurs der Währung. Jedoch bringen sie den Bitcoin auch in einen Bereich, der vom Finanzsektor kontrolliert wird, erklärt der renommierte Kryptoökonom Alfred Taudes im LEADERSNET -Interview. Er verrät, wie er den weiteren Verlauf der digitalen Währung sieht und was er vom digitalen Euro hält.
LEADERSNET: Sie bezeichnen die Bitcoin-ETFs als Widerspruch in sich. Warum?
Alfred Taudes: Das Angebot ist positiv und negativ. Positiv, weil es für die Massenadoption von Bitcoin einen großen Beitrag leistet. Der jetzige Kursanstieg vom Bitcoin ist teilweise auch bedingt dadurch, dass sehr viele neue Nachfrager die ETFs kaufen, und dadurch steigt der Kurs. Auf der anderen Seite wollte der Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto ein dezentrales Geld schaffen, das nicht vom Finanzsektor kontrolliert wird. Die ETFs werden aber von Finanzinstitutionen herausgegeben. Der Bekannteste, vom größten Vermögensverwalter der Welt, von Blackrock. Das entspricht nicht der originalen Intention des Satoshi Nakamoto. Man kann natürlich sagen, dass der Zweck die Mittel heiligt. Auf der anderen Seite wird niemand gezwungen Bitcoin über einen ETF zu kaufen. Man kann Bitcoin auch weiterhin dezentral beschaffen und nutzen.
LEADERSNET: Aktuell treiben die neuen Bitcoin-ETFs den Kurs deutlich nach oben. Im April steht auch noch das Bitcoin Halving an. An welche Entwicklung glauben Sie speziell beim Bitcoin und generell bei Kryptowährungen?
Taudes: Der Kurs hat sich ja in den letzten Monaten verdreifacht. Vor einem halben Jahr ist er bei 20.000 gestanden, jetzt war er bei 60.000. Das ist aber erst der Beginn des Halvings. Mittelfristig wird’s wohl nach oben gehen, weil die Anzahl an Bitcoins beschränkt ist. Es gibt nicht mehr als die 21 Millionen Bitcoins und wenn die Nachfrage steigt, steigt der Kurs. Die Kurse werden wohl weiterhin ordentlich raufgehen, wahrscheinlich irgendwann einmal crasht es wieder, das gehört dazu. Aber im Schnitt waren in der Vergangenheit die Tiefststände nach jedem Crash höher als die vorigen Tiefststände. Üblicherweise gibt es in einem Krypto-Bullenmarkt einen Zyklus, beginnend durch Bitcoin und dann ziehen alle anderen Kryptowährungen nach.
LEADERSNET: Stichwort Digitaler Euro - mit dem Digitalen Euro arbeitet die Europäische Zentralbank an einem ihrer umstrittensten Projekte. Heimische Bankenchefs haben gesagt, dass wir den nicht brauchen. Was sagen Sie dazu - braucht Europa einen Digitalen Euro?
Taudes: Es arbeitet nicht nur die EZB an einer digitalen Zentralbankwährung. So gut wie alle Zentralbanken weltweit arbeiten an digitalen Zentralbankwährungen. In anderen Ländern gibt es sie auch schon. In China oder Nigeria zum Beispiel. Der Kernpunkt: Eine Zentralbank verliert immer mehr an Relevanz, weil das Bargeld zurückgeht. Und nur das Bargeld hat sie direkt unter Kontrolle, weil alles was es an Kreditkarten oder Ähnlichem gibt, von den Banken ausgegeben wird, nicht von der Zentralbank. Die Digitalisierung des Kernprodukts ist daher aus Sicht der Zentralbanken ein legitimes Ziel. Ob es die Konsumenten annehmen, hängt stark davon ab wie er gestaltet ist.
Ob die Bürger den digitalen Euro annehmen oder nicht, kann im Moment nicht beantwortet werden, weil er noch nicht fertig spezifiziert ist. Das ist ein ziemlich aufwendiger Prozess, der demokratisch legitimiert werden muss. Und es gibt das subtile Problem, dass das Projekt mit dem Überweisungsgeschäft der Banken konkurriert. Außerdem ist so eine Zentralbankwährung heikel im Bereich Datenschutz. Im schlechtesten Fall sieht der Staat all Ihre Zahlungen.
Wenn sich beispielsweise ein 80jähriger Pensionist gerne Zigarren kauft, dann könnte Mr. Zentralbank entgegnen: Das ist ungesund, der Kauf wird gecancelt. Vom Eurosystem wird immer wieder versichert, dass die Zahlungsdaten verschlüsselt sein werden. So privat wie Bargeld wird der digitale Euro aber wohl nicht sein, weil er mit dem Bankkonto zusammenhängt und folglich Geldwäschevorschriften zu beachten sind. In diesem Spannungsfeld von mehreren zu erreichenden Zielen bewegt sich das Projekt und man wird sehen wie das ausgehen wird.
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