Das "stille" Entsparen

| Redaktion 
| 10.09.2023

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Die Sparzinsen steigen. Endlich. So die frohe Botschaft, die nunmehr verkündet wurde. Das freut mich vor allem als Schwabe. Dass die Zinsen für Erspartes den Kreditzinsen mehr als hinterher hinken, war in den vergangenen Monaten quasi ein Dauerthema, doch nun soll es endlich für die Sparer:innen auch bergauf gehen. Ich bin ja grundsätzlich ein positiv denkender Mensch und ich glaube, die wirtschaftliche Zukunft wird besser als momentan dargestellt. Doch zu diesem Punkt: ist überhaupt noch etwas da, was gespart werden könnte? Die Datenlage zeigt in eine andere Richtung. Quasi genötigt durch die hohe Inflation griffen und greifen jene, die bisher etwas zur Seite legen konnten, auf eben dieses Ersparte zurück, um ihren Lebensstandard aufrecht zu erhalten, den sie bisher aus den regelmäßigen Einkünften stemmen konnten. Das stille Entsparen hat längst begonnen, eine brandgefährliche Situation.

Kampf gegen die Inflation

Die Menschen können sich das Leben nicht mehr leisten, Energie, Mieten, Kredite, Lebensmittel – Österreich ist wieder einmal ganz vorn mit dabei in Europa, aber leider im negativen Sinne. Im August schätzt Eurostat, dass die Inflation innerhalb der EU weiter auf 5,3 Prozent sinkt, während dieser Wert für Österreich (Platz 3) mit 7,3 Prozent  und für Deutschland (Platz 4) mit 6,4 Prozent  hier deutlich darüber liegt. Nur die Slowakei (9,6 Prozent) und Kroatien (8,5 Prozent) haben mit noch höheren Inflationsraten zu kämpfen.

Apropos kämpfen: Wem bisher schon das sprichwörtliche Wasser bis zum Halse stand, dem gelingt es auch mit radikalen Einschränkungen kaum bis gar nicht, sich im buchstäblichen Sinne etwas zu "leisten". Sozialmärkte erleben einen nie dagewesen Zulauf und unerwartete Ausgaben für Gesundheit etwa können zur ernsthaften Bedrohung werden.

Das Sparbuch wird gezückt

Und wie steht es um den Mittelstand? Hier lauert eine ganz andere, eine stille Gefahr, die es bisher so nicht gab: das Entsparen. Der Grund dafür ist denkbar simpel: Kaum jemand möchte auf seinen gewohnten Lebensstandard verzichten oder diesen einschränken. Raumtemperatur runter fürs Börserl und fürs Klima, hieß es da. Oder auch aus Solidarität mit der Ukraine und um nicht unnötig russisches Gas zu verbrauchen hat manche:r vielleicht versucht, den Energieverbrauch zu drosseln. Doch Verzicht auf Restaurantbesuche, Unterhaltung und Kultur, Sport, ja am Ende auf den jährlichen Urlaub? Da hört sich die Bereitschaft auf. Natürlich ist der Ärger groß, aber der wird tapfer hinuntergeschluckt, dann aber doch das Sparbuch gezückt. Man gönnt sich ja sonst nichts und die Zinsen fürs Ersparte sind ohnehin (bisher jedenfalls) lächerlich.

Wer kann, steckt sein Geld in Immobilien, die derzeit vergleichsweise erschwinglich sind, oder "schmeißt" es in gewisser Weise aus Resignation oder Verzweiflung in die Wirtschaft, denn dort wird es ja auch mehr als dringend gebraucht. Doch damit wird ein falsches Bild gezeichnet, nämlich, dass alles in bester Ordnung sei, die Menschen – vor allem auch der Mittelstand – mit ihrem Einkommen auskommen und politische Gegenmaßnahmen obsolet wären, eine fatale Spirale wird so aber weiter angetrieben. Tatsache ist nämlich, dass die Kaufkraft eigentlich an der Herz-Lungenmaschine hängt und künstlich, eben durch den Einsatz von Erspartem, aufrecht und damit am Leben gehalten wird. Was aber passiert, wenn selbst die Spareinlagen ausgegeben sind? Der so entsparte Mittelstand wird keine Ressourcen mehr haben, um dringend notwendige Investitionen zu tätigen und damit Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen. Hier steht zu befürchten, dass die Politik darauf keine oder wie so oft sehr unbefriedigende Antworten parat hat.

Der Mittelstand muss entlastet werden

Der Staat ist – salopp gesagt – fein raus, denn je höher die Preise und solange die Menschen ihr Erspartes ausgeben, desto höher auch die Steuereinnahmen. Meine geneigten Leser:innen wissen, dass ich leidenschaftlicher Verfechter von Eigenverantwortung und außerdem der Überzeugung bin, dass sich Leistung lohnen muss – all das habe ich an dieser Stelle schon mehrfach ventiliert und von vielen Seiten dafür Zustimmung erhalten. Doch ganz aus der Verantwortung kann man den Staat dann eben auch nicht lassen. Ich rede nicht davon, Sicherheitsnetze aufzuhängen oder im Gießkannenprinzip Förderungen und Unterstützungen auszubezahlen, das hat sich noch nie bewährt und wird es auch in Zukunft nicht. Doch einfach darüber hinwegzusehen, weil "es eh noch geht", wird auf Dauer ebenso wenig funktionieren. Und hier appelliere ich sehr wohl an die Verantwortung, die der Staat seinen Bürger:innen und der Wirtschaft gegenüber hat! Der Mittelstand muss endlich entlastet werden! Die Abgaben- und Steuerlast muss endlich reduziert werden, anstatt etwa neue Belastungen, wie Vermögens- oder Erbschaftssteuern einzuführen!

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