In Österreich ist die Zahl an offenen Stellen nach wie vor hoch, bei gleichzeitig wieder steigenden Arbeitslosenzahlen. Das AMS meldete 124.335 offene Stellen per Ende August. Eine Chance für Unternehmen könnte das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland sein. Wie das funktioniert und worauf Unternehmen und Arbeitnehmer:innen achten müssen, dazu veranstalteten PHH Rechtsanwält:innen und Jobaffairs einen hochkarätig besetze Diskussionsrunde.
Gezielte Migration
Die Zahl der offenen Stellen sei zwar leicht gesunken, die Suche nach geeigneten Mitarbeiter:innen bleibt für viele Unternehmen dennoch schwierig. Beim hochkarätigen Branchentalk unter der Leitung von PHH Partner und Arbeitsrecht- und Immigrationexperte Nicolaus Mels-Colloredo sprachen Margit Kreuzhuber, Abteilungsleiterin ABA – Work in Austria, Irene Alozie, Lead Immigration Expert bei PHH Rechtsanwält:innen, Thoman Gaiswinkler, Enterprise Account Executive LinkedIn, Horst Gruber, Leiter Abteilung für Rechtsangelegenheiten des AMS Wien und Mitveranstalter Marcus Kleemann, Geschäftsführung Jobaffairs Personal & Mediaagentur GmbH, über Lösungen für den heimischen Arbeitsmarkt und die Chancen von gezielter Migration.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen seien so gut wie nie, so die Expert:innen unisono.
Rot-Weiß-Rot Karte als Chance
"Der Anteil der offenen Stellen hat sich in den letzten Jahren verdreifacht. Es herrscht vor allem in den sogenannten Mangelberufen eine große Nachfrage nach Fachkräften, die der heimische Markt nicht bedienen kann", sagt Margit Kreuzhuber. Die Austrian Business Agency (ABA) hat sich demnach zur Aufgabe gemacht, Unternehmen bei der Suche nach geeigneten internationalen Fachkräften und beim Onboarding zu unterstützen. Mit der neuen Rot-Weiß-Rot-Karte sei es viel einfacher geworden, Mitarbeiter:innen aus sogenannten Drittstaaten, also aus dem EU-Ausland, zu holen.
Irene Aloize teilt die gleiche Erfahrung: "Ich konnte seit dem Bestehen der neuen Regelung, also seit einem Jahr, für meine Kund:innen noch nie so rasch Aufenthaltstitel erreichen. Das ist ein deutlicher Fortschritt." Die großen Vorteile liegen laut der Expertin darin, dass einerseits die Hürden für die Rot-Weiß-Rot Karte und die Blaue EU-Karte deutlich niedriger sind, andererseits, dass Familienmitglieder ebenfalls sofort einen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten können. "Hier ist Österreich eindeutig ein Vorreiter", so Alozie.
Beratung dringend notwendig
Laut dem Leiter der Abteilung für Rechtsangelegenheiten des AMS Wien, Horst Gruber, wurden von Jänner bis Ende August 2023 in Österreich rund 5.200 Rot-Weiß-Karten ausgestellt, das sind nur um 1.000 weniger als im gesamten Jahr 2022. Dennoch ist Gruber überzeugt, dass noch viel "Luft nach oben" besteht: "2.000 Anträge sind auch abgelehnt worden. Es gibt also viel zu tun."
Der AMS-Experte weiß, dass viele Anträge abgelehnt werden, weil erforderliche Unterlagen gefehlt haben oder ein Ersatzkräfteverfahren abgelehnt wurde. Gruber rät daher interessierten Unternehmen, sich schon im Vorfeld beraten zu lassen.
Neue Wege im Recruiting
Im Speziellen bei schwierig zu besetzenden Stellen würde sich der Blick über die Landesgrenzen lohnen. Die Frage, wie Betriebe Arbeitnehmer:innen im Ausland finden, versuchte auch Marcus Kleemann zu beantworten. Kleemann betreut als Personalmarketing und Recruiting Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften. Aus der Praxis weiß er: "Zunächst muss ich als Unternehmen wissen, wen ich will und wo diese Fachkräfte sitzen könnten." Diese Entscheidung bestimme etwa, ob ein Unternehmen Jobanzeigen in einer bestimmten Region schalten oder über digitale Plattformen wie LinkedIn suchen sollte und wie die Ansprache erfolgen kann. Der Enterprise Account Executive von LinkedIn, Thoman Gaiswinkler, betont, dass es auf LinkedIn nicht reicht, den Job zu bewerben, sondern man müsse auch Österreich erklären: "Viele Themen, die für uns selbstverständlich sind, wie Sicherheit, kurze Entfernungen oder auch Trinkwasser, können für viele Menschen mit ein Grund sein, sich für ein österreichisches Unternehmen zu entscheiden."
Mut machen für internationales Recruiting
Die Teilnehmer:innen der Podiumsdiskussion waren sich einig, dass es noch mehr Kommunikation über die Rot-Weiß-Rot Karte und die Blaue EU-Karte geben muss. "Viele Unternehmen sind noch reserviert, weil sie Angst vor dem Aufwand und der Verfahrensdauer haben", sagt Gruber und spricht sich dabei auch für weitere Verbesserungen während des Verfahrens aus. Kreuzhuber wünscht sich, dass das System der Arbeitsmigration laufend an die aktuellen Gegebenheiten angepasst wird: "Es geht um eine langfristige, gezielte Zuwanderung, für die es Kriterien braucht. Aber diese müssen sich weiterentwickeln." Alozie etwa ortet bei den Lohnkosten einen Wettbewerbsnachteil für Österreich: "Im Vergleich zu anderen Ländern sind bei uns die Steuern auf Arbeit sehr hoch." Und Kleemann rät Unternehmen, sich bei der Suche helfen zu lassen: "Personalvermittler haben auch international Netzwerke oder können gezielt und digital Talente ansprechen."
Die gesamte Podiumsdiskussion können Sie im Video hier sehen.
www.phh.at
www.jobaffairs.at
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