Der Krieg in der Ukraine hat unser Sicherheitsgefühl in Europa grundlegend verändert. Der Konflikt in nächster Nachbarschaft hat zu einer allgemeinen Verunsicherung geführt, die uns latent durch den Alltag begleitet. Wie vor einem Jahr noch keine einzige Nachrichtensendung ohne ein tägliches Pandemiezahlen-Update auskam, so begleiten uns seit einem Jahr stets die aktuellsten Entwicklungen in der Ukraine. Nicht, dass wir in der nächsten Sekunde die Ausweitung des Krieges auf ganz Europa befürchten (müssen), aber schon die bisherigen Auswirkungen, gepaart mit der Möglichkeit einer weiteren Eskalation, die wie ein Damoklesschwert über uns schwebt, zeigen, dass ein uneingeschränktes Sicherheitsgefühl fehl am Platz ist. Und das in rein subjektiver, also gefühlsmäßiger Hinsicht, aber leider auch in objektiver Hinsicht.
Frieden und Diplomatie
Und das ist auch, so glaube ich, gut so, denn der Krieg in der Ukraine hat ebenfalls dazu geführt, dass die Menschen in Österreich und Europa stärker für die Bedeutung von Frieden und Diplomatie sensibilisiert werden. Es stärkt das Bewusstsein, dass nur die Zusammenarbeit in Europa und eine starke, gemeinsame Außenpolitik dazu beitragen können, diesen Konflikt zu lösen. Und nicht zuletzt werden die Menschen dadurch ermutigt, sich wieder stärker für Menschenrechte, Demokratie und Freiheit einzusetzen – jene Werte, die in der Ukraine aktuell mit Füßen getreten werden.
Außenpolitik und Neutralität
Doch wie steht es um die gemeinsame Außenpolitik? Das ist insbesondere in Österreich ein heikles, ja ich möchte fast sagen, Tabu-Thema, das ich schon vor Kurzem einmal angesprochen habe, nämlich die Neutralität. Ich glaube, dass vielen gar nicht klar ist, was Neutralität eigentlich bedeutet. Herr und Frau Österreicher:in fühlen sich durch sie umfassend geschützt, doch ist das nicht trügerisch? Wiegen sie sich nicht in falscher Sicherheit, aus Angst, die Realität zu erkennen und den Tatsachen ins Auge zu blicken? Wir müssen nur weiter zurück in die Geschichte blicken, während des Zweiten Weltkriegs hat die Neutralität viele Staaten nicht einmal ansatzweise vor Überfällen und Annexion geschützt. Und weshalb drücken sich die politisch Verantwortlichen gerade bei diesem Thema immer wieder um klare Positionen und um offene Diskussionen? Gerade in der politischen Debatte und in Hinblick auf die Gestaltung der Zukunft wäre es umso wichtiger, eine offene und ehrliche Diskussion zu führen, anstatt ihr aus Angst vor Reputationsverlust ständig auszuweichen.
Blicken wir auf das Heute und etwa nach Estland, das als Land natürlich aus der Geschichte heraus einen anderen Zugang zu Russland und zum vorherrschenden Konflikt hat, doch hier sieht sich die Regierung in ihrem Handeln bestätigt – ein Handeln, dessen Entschlossenheit wir hierzulande schmerzlich vermissen. Auch Finnland und Schweden haben unmittelbar ihre positive Haltung in Richtung NATO-Beitritt bekundet und damit ein klares Signal gesetzt.
"Vor Angst gestorben ist auch tot"
In Österreich sieht die Sache indes noch ein wenig anders aus, was vermutlich auch ein wenig mit der zuvor beschriebenen Angst zu tun hat, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Ein Sprichwort lautet: "Vor Angst gestorben ist auch tot", und ich denke, das sollte man sich unbedingt zu Herzen nehmen. Natürlich braucht es Mut, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, doch als Kapitän:in hat man mehr Möglichkeiten zu steuern, denn als Passagier.
Und eine offene Diskussion und Auseinandersetzung mit der Frage der Sicherheit kann auch dazu beitragen, klar zu machen, ob das subjektive Sicherheitsempfinden von der objektiven Sicherheitslage abweicht und was es braucht, um sie in Einklang zu bringen.
So liegt auch die mittlerweile 239-jährige Unternehmensgeschichte von JTI Austria darin begründet, dass Probleme angepackt wurden, dass nach Lösungen gesucht wurde und nicht abgewartet wurde, was denn als nächstes passieren könnte. Aktiv anpacken ist auch heute noch die Devise, und so schaffen wir es auch als Traditionsunternehmen, dass wir weiter vorankommen und nicht stehen bleiben.
Das würde ich mir auch von Europa und von Österreich wünschen, anzupacken, damit die Sicherheit, in der wir uns wiegen, bald auch wieder real ist – verbunden mit dem Ausdruck einer tiefen Hoffnung, dass diese Realität auch für die Ukraine und das ukrainische Volk nicht mehr in allzu weiter Ferne liegt.
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