O´zapft is

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Auf der einen Seite steigende Inflation, explodierende Energiekosten, schwächelnde Wirtschaft, der wahnsinnige Krieg in der Ukraine, das bange Warten, wie sich die Covid-Gefahr im nahenden Winter verschärft. So viele Sorgen und Zukunftsängste – für die Arbeiter:in, die um ihren Job zittert, die Unternehmer:in die nicht weiß, wie sie die vervielfachten Kosten finanzieren soll, Mütter und Väter, die sich fragen, ob es den Kindern einmal schlechter gehen wird als ihnen selbst. Senior:innen die ihr Zeitungsabo kündigen müssen, weniger einkaufen, den Gürtel enger schnallen, weil es sich sonst nicht ausgeht.

Auf der anderen Seite das Münchner Oktoberfest, der Rupertikirtag in Salzburg, unzählige Erntedankfeste im ganzen Land. Hunderttausende Menschen sind derzeit unterwegs, feiern, konsumieren, lassen es sich ein paar Stunden gutgehen. Ein Widerspruch? Ich meine Nein! Genau jetzt haben es die Menschen mehr als notwendig und verdient, dem Alltag und all den Sorgen um die Zukunft für kurze Zeit zu entfliehen. Mit Familie und Freunden zusammenzusitzen, wie es vor der Corona-Pandemie so selbstverständlich und vertraut war. Sich ein (zugegeben nicht billiges) Maß Bier zu leisten und einen Moment ausgelassen sein, als gäbe es keine trüben Wolken am Himmel. Den Menschen am Nebentisch zuzuprosten, neue Leute Kennenlernen.

Ein kurzer Lichtblick

Letzte Woche wurde ich von ganz lieben Freunden zu einem sensationellen Wiesn-Besuch eingeladen. Und nach mehrjähriger Pause konnte ich es wieder erleben: Auf der "Wiesn" in München kommen sie alle zusammen – von der Arbeiter:in bis zur Unternehmer:in. Von der Mindestrentner:in bis zur Millionär:in. Das Oktoberfest ist eine der beeindruckendsten internationalen Großveranstaltungen, an dem Menschen vieler Nationen sich, beinahe immer, sehr friedlich treffen. Die Wiesn ist für ein paar Tage für so viele Menschen ein Lichtblick und genau so muss es sein. Bei allem, was wir in den vergangenen Jahren stemmen mussten, um die Pandemie zu bewältigen und bei allem, was noch auf uns wartet, um die wirtschaftliche Krise zu meistern, braucht es auch kleine Pausen und Belohnungen. Diese Sehnsucht verbindet alle sozialen Schichten und Einkommensklassen und auch, wenn viele über das Oktoberfest die Nase rümpfen und den Verlust der Hochkultur kritisieren – können wir die Menschen nicht einfach das machen lassen, was ihnen Spaß macht? Seien wir doch froh, wenn beliebte Traditionen Bestand haben und man wenigstens kurz auch mal unvernünftig sein darf.

Klar greife auch ich mir an den Kopf, wenn ich sehe, wie manche Wiesn-Besucher:innen sich aufführen. Weil sie entweder jegliche gute Kinderstube vergessen und letztlich oft sogar ärztliche Hilfe brauchen. Oder weil sie ihren Überfluss dekadent zur Schau stellen, Champagner direkt aus Flaschen trinken oder ihn sich über die 3000 Euro – sonst nie getragene – Lederhose schütten. Von beiden Extremen gibt es gottseidank weniger, als man aus der Berichterstattung schließen würde. Die meisten Wiesn-Besucher:innen freuen sich wochenlang darauf, genießen ausgelassene Stimmung bei Bier und Stelze und gehen dann glücklich nach Hause. Und am Ende zeigt solch ein internationales Fest aller Gesellschaftsschichten und Herkunftsländer vielleicht auch ein bisschen, wie wir alle gemeinsam gut miteinander umgehen könnten.

Kraft und Mut sammeln

Was ich damit sagen möchte ist, dass wir alle viel mehr das Verbindende suchen sollten, insbesondere bei all der Polarisierung, die uns tagtäglich in den (sozialen) Medien und in vielen Gesprächen entgegenkommt. Offen zugegeben, es ist oft gar nicht so einfach, sich dem entgegenzustellen. Manchmal werde auch ich in Diskussionen mitgerissen und bemerke erst spät, dass ich bei der einen oder andere Position, die ich vertrete, eventuell auch mehr auf mein Gegenüber hätte eingehen können.

Deshalb! O´zapft is! Lassen wir es uns gutgehen vor einem langen kalten Winter und vielen bangen Stunden. Sammeln wir Kraft und Mut – auf einem Oktoberfest, einem Kirtag oder einfach zuhause mit Familie und Freunden. Ich meine, das haben wir alle verdient!

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