Die Firma Qualysoft wurde im Jahr 1999 in Wien gegründet und ist heute einer der führenden IT-Dienstleister im europäischen Raum mit über 500 Mitarbeiter:innen. Die Basis für den Erfolg des Unternehmens bildet der flexible Umgang mit den sich ständig ändernden Anforderungen des Marktes und das konsequente Eingehen auf individuelle Kund:innenbedürfnisse. Die Kernkompetenzen von Qualysoft umfassen die Bereiche Customer Relationship Management, Consulting & Development Services, Resource Management und e-Governement.
LEADERSNET hat mit Qualysoft-Geschäftsführer Florian Werksnies über gleich mehrere IT-relevante Themen gesprochen und dabei äußerst spannende Einblicke bekommen.
LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Werksnies, die Corona-Pandemie hat zu einem noch nie dagewesenen Digitalisierungsschub geführt. Können es sich Unternehmen eigentlich noch leisten, da nicht mit dabei zu sein?
Werksnies: Bei aller Komplexität die das Thema mit sich bringt, hier geht es um mehr als die reine Digitalisierung. Wir sprechen von einer digitalen Transformation, die einen Umbruch vieler bestehender Strukturen zur Folge hat. Wer diese digitale Transformation jetzt nicht anstößt, wird es in Zukunft extrem schwer haben. Dienstleistungsunternehmen tun sich dabei leichter als extrem kapitalintensive Firmen wie etwa die Automobilindustrie. Letztere brauchen für den angestrebten Strukturumbruch länger und müssen dafür auch mehr Geld in die Hand nehmen. Eine App oder einen Webshop für ein Konsumgüterunternehmen zu entwickeln, geht da deutlich schneller und braucht auch weniger finanzielle Ressourcen als der Umbau einer Fertigungsstraße. Es zeichnet sich ab, dass die aktuelle Situation nur jenen Unternehmen einen Vorteil bietet, die auch bislang konsequent in ihre digitale Transformation investiert und die dafür notwendigen Maßnahmen getroffen haben. Diese kristallisieren sich immer mehr als digitale Champions heraus.
LEADERSNET: Viele Arbeitnehmer:innen haben auch erste Erfahrungen mit dem Homeoffice gemacht. Wie hoch ist der Anteil jener, die nicht mehr zurück ins Büro möchten?
Werksnies: Für Qualysoft kann ich sagen, dass Homeoffice und Remote-Working bereits vor der Pandemie gang und gäbe war. Natürlich hat Corona diese Dinge beschleunigt. Es zeigte sich aber auch, dass nicht alle Mitarbeiter:innen fürs Homeoffice geeignet sind. Viele wollten schnell wieder zurück ins Büro. Jene, die das Arbeiten von zuhause bevorzugen, geben Vorteile wie weniger Stress, Zeit- und Kostenersparnis (Stichwort Pendeln) an. Die Wahlmöglichkeit hebt auch die Arbeitszufriedenheit. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Hybrid-Variante, bei der man eine gewisse Anzahl von Tagen im Homeoffice arbeitet, durchsetzen wird. Bei uns kehren viele Miterbeiter:innen nun wieder gerne ins Büro zurück. Und auch die Kund:innen wollen, dass sie wieder direkt vor Ort betreut werden. Für viele Firmen und deren Angestellte, die erstmals mit Homeoffice Erfahrungen machten, war das natürlich ein gewaltiger Umbruch. Und wenn es Mitarbeiter:innen gibt, die gar nicht mehr ins Büro zurückwollen, entsteht eine Zweiklassengesellschaft. Denn bei spontanen Feiern, zum Beispiel nach einem Verkaufserfolg, Geburtstagsumtrunk, oder wenn die Belegschaft zum Mittagessen in ein Restaurant geht, bleiben diese immer außen vor.
Remote-Arbeit bleibt bei großen Firmen ohnehin wie gehabt bestehen. Qualysoft hat beispielsweise acht internationale Standorte. Da sind Videokonferenzen an der Tagesordnung.
LEADERSNET: Moderne Kommunikationsformen wie Videokonferenzen erfordern auch eine entsprechende technische Ausstattung. Haben Firmen, die Sie betreuen, diesbezüglich ordentlich aufgerüstet?
Werksnies: Hier gibt es drei Punkte, die man klar trennen muss.
- Einfache Kommunikationstools wie Videokonferenzprogramme waren natürlich schnell installiert sowie freigeschaltet und stellten keine allzu große Herausforderung für die meisten Firmen dar.
- Bei der Frage "Wie kommuniziere ich mit meinen Kund:innen" sieht es da schon anders aus. Hier geht es um den eigenen Webauftritt, die Nutzerfreundlichkeit im Webshop, die Erstellung von Verträgen mittels Remote Desktopsteuerung. Dafür sind schon professionelle Enterprise-Programme notwendig. Viele unserer Kund:innen haben im Bereich der digitalen Kundenkommunikation gewaltig aufgeholt und Investiert.
- Beim dritten Punkt trennt sich dann endgültig die Spreu vom Weizen. Hier sind die digitalen Champions zu Hause. Jene Unternehmen die auf Customer Relationship Management (CRM) Programme gesetzt haben, konnten sich rasch vom Mitbewerber absetzen. Laut den neuesten Marktforscher-Studien ist das mittlerweile der größte Markt bei IT-Systemen weltweit und stetig wachsend. Für die Unternehmen geht es dabei um die strukturelle Erfassung von Informationen, die ihnen letztendlich einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Gleichzeitig muss hier aber auch am meisten investiert werden.
LEADERSNET: Von welchen Tools und Programmen profitieren Abteilungen wie Sales und Marketing am meisten?
Werksnies: Eindeutig von CRM und Webtools, wobei CRM-Programme den essentiellsten Wert liefern, da sie den Vertrieb und das Marketing steuern. Doch viele Firmen nutzen nicht das volle Potenzial der Möglichkeiten aus. Dabei kann man genau hier die gewünschte Customer Experience, von der immer alle sprechen, erreichen. Wenn die Verknüpfung der Datenerfassung und den eigenen Webtools gelingt, wird man zum digitalen Champion. Die Firmen bekommen dabei eine 360-Grad-Sicht auf ihre Kund:innen. Damit lässt sich auch eine ideale Customer Journey (inklusive dem After Sales-Bereich) aufbauen. CRM ermöglicht genau das. Dank der Datenerfassung erfährt das Unternehmen genau, was die Kund:innen von ihm wollen bzw. brauchen. Wer hingegen auf das Gießkannenprinzip setzt, macht weder sich noch die Kund:innen glücklich.
LEADERSNET: Kann auch die Geschäftsführung mittels technischen Innovationen unterstützt werden?
Werksnies: Ja! Das ist in der heutigen Zeit sogar ein absolutes Muss. Früher wurden viele Entscheidungen nur über das Bauchgefühl getroffen. Doch das funktioniert in einer schnelllebigen, datengetriebenen Zeit wie heute nicht mehr. Wer Erfolg haben will, muss datengestützt agieren – oder viel Glück haben. Denn aus den Daten lässt sich schließen, wie man künftig Erfolg haben kann. Wenn ein Unternehmen für ein Produkt beispielsweise 8.000 Verkaufschancen hat, ist es natürlich ein klarer Vorteil, wenn es bereits im Voraus weiß, wie viele es davon tatsächlich erreichen kann. Hier sind Leadscoring-Systeme das Um und Auf. Diese werden immer intelligenter. Ihr Erfolg hängt aber von zwei Faktoren ab: Zum einen von der Vollständigkeit des Kund:innenprofils - je mehr Informationen man von ihnen hat, umso leichter ist es, ihnen die passenden Produkte anzubieten. Zum anderen von der Reaktion der Kund:innen auf meine Kommunikation. Letztere lässt sich heutzutage ziemlich einfach überprüfen. Ein Beispiel sind etwa Croupons. Werden diese ausgedruckt bzw. per App heruntergeladen und eingelöst, weiß das Unternehmen, dass es den Kunden erreicht hat.
LEADERSNET: Gibt es nach wie vor Bedenken gegenüber Cloud- und Online-Lösungen? Viele Unternehmen waren da vor der Pandemie ja noch skeptisch.
Werksnies: Da muss ich sagen, dass diese Bedenken auf der einen Seite durchaus berechtigt sind, auf der anderen Seite viel zu heiß gekocht werden. Für die meisten Unternehmen stellt es kein Problem mehr dar, Anwendungen in die Cloud auszulagern oder die Daten in dieser zu speichern. Hier kommt es sogar zu Vorteilen, da von den Entwicklungen einzelner Firmen alle anderen, die diese Systeme ebenfalls nutzen, partizipieren können.
Wenn es jedoch um die Kernprozesse eines Unternehmens geht, gilt es immer zu prüfen, ob ich diese Informationen tatsächlich auslagern möchte. Existenzielle Bereiche und/oder die eigene Firmen-DNA bleiben besser in den eigenen Händen. Dafür muss ein Unternehmen aber genau wissen, wo es seine geschäftsrelevanten Bereiche hat. Ein Bäcker sollte das Familienrezept bei sich aufbewahren. Wie viele Brötchen Kunde A im Durchschnitt pro Woche kauft, kann für andere interessant sein, für den Bäcker jedoch selten Existenz gefährdend.
Darüber hinaus kommt es hier auch häufig zu einem Paradoxon. Viele Firmen bezeichnen sich zwar als digitales Unternehmen, in Wahrheit lagern sie jedoch alles an IT-Spezialisten aus. Ein echtes digitales Unternehmen macht jedoch das Gegenteil und entwickelt seine IT-Programme im eigenen Haus.
LEADERSNET: Daten sind das neue Gold. Worauf kommt es an, um von den gesammelten Informationen auch wirtschaftlich zu profitieren?
Werksnies: Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren damit begonnen, die entscheidenden Daten zu sammeln, bereiten diese aber immer nur zum vierteljährlichen Geschäftsbericht auf. In einer schnelllebigen Zeit wie heute, ist das ein klarer Wettbewerbsnachteil. Das sorgt für eine gewisse Trägheit und man hinkt dem Ist-Zustand ständig hinterher.
Es ist wichtig, dass man auf (unvorhersehbare) Entwicklungen unmittelbar reagieren kann. Von den gesammelten Daten kann man nur dann wirklich profitieren, wenn man diese tagesaktuell nutzt. Nur das ermöglicht sofortige Reaktionen. Dabei geht es um den ständigen Abgleich des Ist- und Soll-Zustandes. Durch ein derartiges Vorcasting können Unternehmensprozesse digitalisiert angestoßen werden. Expert:innen sprechen dabei von einer Active Intelligence. Unternehmen die auf tagesaktuelle Datenauswertung setzen, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil, was natürlich auch zu wirtschaftlichem Erfolg führt.
LEADERSNET: In der IT-Branche ist der Fachkräftemangel besonders eklatant. Wie kann man dem erfolgreich entgegenwirken? Hätten Sie konkrete Vorschläge für die Politik, oder wurden hier mittlerweile ohnehin richtige Maßnahmen in den Weg geleitet?
Werksnies: In diesem Bereich gibt es aus meiner persönlichen Sicht massive Mängel. Das fängt schon in der Volksschule an. Hier geht es nicht um die schnell zu lösende technische Ausstattung in den Klassenzimmern, sondern um die Inhalte. Das Bildungsproblem hat ein derartiges Ausmaß angenommen, dass es zu einem extremen Umbruch kommen muss. Hier braucht es ein zukunftsorientiertes System und eine neue Wertevermittlung. Das sehe ich am eigenen Beispiel. Ich bin Leiter einer großen IT-Firma - und was will meine Tochter werden?: Lehrerin. Und damit meine ich keinesfalls, dass wir nicht sehr motivierte Lehrer:innen brauchen, doch es ist das Einzige, was sie kennt und sich vorstellen kann. Bei Jungs stehen nach wie vor Berufe wie Feuerwehrmann oder Sportler ganz oben auf der Wunschliste. Die Corona-Pandemie hat die Lage noch verschärft. Zuletzt sind aufgrund von Personalmangel immer wieder Stunden ausgefallen. Das erste Fach das bei meinen Kindern gestrichen wurde, war Englisch. So verlieren heimische Schüler international komplett den Anschluss.
Und Schulen, die sich als digital fortschrittlich sehen, setzen ebenfalls aufs falsche Pferd. Hier arbeiten die Kinder zwar mit Apps, doch allein anhand der Nutzung lernt man noch lange nicht diese zu programmieren. Autofahrer:innen können auch in den seltensten Fällen Autos bauen. Wir glauben noch immer, dass der Umgang mit Apps dazu führt, digitale Werkzeuge zu entwickeln bzw. einzusetzen. Da lohnt sich ein Blick zu den viel zitierten digitalen Vorreitern. So gibt es etwa im Silicon Valley die weltweit höchste Dichte an Waldorfschulen. Bei diesen sind Smartphones tabu. Stattdessen erlernen die Kinder mithilfe von Bauklötzen Lösungsansätze und wichtige Gedankenschritte. Dadurch tun sie sich später auch beim Programmieren von Apps deutlich leichter. Denn auch hier kommt es aufs logische Denken an.
Bezüglich des Fachkräftemangels muss die Politik auch völlig neu denken. Hier gehören die Hürden für ausländische Arbeiter:innen sofort aus dem Weg geräumt. Die aktuelle Abschottung des heimischen Arbeitsmarktes für gut gebildete Ausländer:innen verschärft das Problem. Wir brauchen diese Leute. Darum muss für sie der Zugang ganz einfach werden. Das würde auch den aktuellen Mangel deutlich abfedern und sich auf ganz Österreich letztendlich positiv auswirken. Denn dann würden die Firmen auch Auslagerungen in andere Länder hinterfragen und in den heimischen Standort investieren. So könnten sogar Strukturen, die in den letzten Jahren komplett ausgelagert wurden, zurück nach Österreich gebracht werden.
LEADERSNET: Hat eigentlich der Krieg in der Ukraine direkte Auswirkungen auf die heimischen IT-Abteilungen? Russland und Weißrussland sind ja dafür bekannt, dass sie gut ausgebildete IT-Expert:innen haben. Deshalb nutzen ja auch internationale Firmen diese Länder für Zweigniederlassungen.
Werksnies: Zunächst muss klargestellt werden, dass sich in der Ukraine eine unglaubliche menschliche Tragödie abspielt. Und ja es stimmt, der Krieg hat auch Auswirkungen auf die heimische IT-Branche. Die Ukraine als auch der russische Raum war eines der wichtigsten IT-Länder für Österreich. Qualysoft hat eine Partnerfirma mit 600 Mitarbeiter:innen vor Ort. Doch die IT-Betriebe waren auf den Einmarsch bestens vorbereitet. Die meisten Firmen hatten minutiös geplante Exit-Pläne, die blitzschnell in die Tat umgesetzt wurden und konnten so die Services aufrecht halten. Der Großteil arbeitet nun von anderen Ländern aus. Dabei wurden neben den Mitarbeiter:innen auch deren Familien außer Landes gebracht.
In Russland und Belarus ereignet sich ebenfalls eine Tragödie, die seitens der Staatsführung auf dem Rücken der Menschen ausgetragen wird. Die einzigen, die dagegen etwas machen können, ist die gut ausgebildete Mittelschicht. Sie sprechen Englisch und kennen die wahren Gründe, die zum russischen Einmarsch geführt haben. Nur sie können eine Änderung des Systems herbeiführen. Deshalb sind die harten Sanktionen des Westens auch absolut notwendig. (ts)
www.qualysoft.com
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