Fintech & Investments: "Der Anteil der Frauen gewinnt mehr Aufmerksamkeit, aber es dauert, bis sich der Status quo ändert"

Elma Saric, Strategic Partnerships & Ecosystems Manager bei Raiffeisen Bank International AG, verrät im Interview wie sie das größte Fintech- und Startup-Partnerschaftsprogramm in CEE aufgebaut hat, was Wien als Startup-Hub ausmacht und spricht über die männerdominierte Banken- und Fintech-Branche.

LEADERSNET: Sie sind Strategic Partnerships and Ecosystems Manager bei der Raiffeisen Bank International. Was waren die größten Herausforderungen und Meilensteine am Weg in diese Position?

Saric: Wie in jeder anderen Position auch, würde ich sagen, dass die größten Meilensteine mit der Lernerfahrung zusammenhängen – den Zweck der Arbeit und das übergeordnete Ziel zu verstehen und seine Fähigkeiten anzupassen, um dieses Ziel bestmöglich zu erreichen. Die Herausforderung besteht darin, ständig neugierig und lernbereit zu bleiben sowie offen für konstruktive Kritik und Ideen zu sein.

LEADERSNET: Wie sind Sie überhaupt zu Raiffeisen Bank International gekommen?

Saric: Als ich auf der Suche nach einem neuen Arbeitsumfeld war, schien die RBI eine naheliegende Wahl zu sein – der Fokus der Bank auf Kunden, deren Bedürfnissen sie durch Agilität und Innovation gerecht wird, sowie Chancengleichheit für Mitarbeiter:innen waren ein klarer Grund, sie als neuen Arbeitgeber zu wählen.

LEADERSNET: Sie konnten sich rasch in der noch immer männerdominierten Banken- und Fintech-Branche einen Namen machen. Wie ist Ihnen das gelungen?

Saric: Ich würde nicht sagen, dass ich mir schon einen Namen gemacht habe, denn es ist eine ständige Entwicklung und ein permanenter Lernprozess. Aber der Versuch, Projekte und Ideen objektiv zu bewerten und dabei Fairness sowie Gleichberechtigung walten zu lassen, ermöglicht mir Fortschritte und Verbesserungen.

LEADERSNET: Was raten Sie Frauen, die in diesem Bereich an die Spitze wollen?

Saric: Ich würde auch nicht sagen, dass ich spezielle Ratschläge habe – das Erfolgsrezept ist für jede anders und ich versuche auch selbst noch, das zu verstehen. Was mir bisher geholfen hat, ist, mich mit Kolleg:innen zu umgeben, die offen für einen Meinungsaustausch sind, die zuhören und gute Ideen unterstützen. Außerdem ist es wichtig, auf dem Weg dorthin Mentor:innen und Ratgeber:innen zu haben.

LEADERSNET: Was machen Frauen anders als Männer?

Saric: Eine pauschale Unterscheidung zwischen Männern und Frauen in einer beruflichen Funktion wäre meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt: Unabhängig vom Geschlecht tragen beide zum allgemeinen Arbeitsumfeld und zum Erfolg des Unternehmens bei. Initiativen für Vielfalt und Gleichstellung sind wichtig, weil sie unterschiedliche Perspektiven aufzeigen lassen und auch Frauen den Raum geben, einen Beitrag zum Unternehmen zu leisten – und dafür sorgen, dass dieser Beitrag richtig zugeordnet und anerkannt wird.

LEADERSNET: Sie haben das Elevator Lab Programm maßgeblich ausgebaut und zu einem der größten Fintech-Netzwerke gemacht. Wie ist das gelungen?

Saric:  Elevator Lab wurde 2017 als ein globales Programm gegründet, um geeignete Start-ups für eine Zusammenarbeit zu finden. Seitdem hat es sich weiterentwickelt und ist zu drei unterschiedlich strukturierten Programmen geworden. Der Hauptgrund für diese Veränderung und dieses Wachstum ist die genaue Beobachtung der drei Programme, die entsprechend dem Feedback der Teilnehmer:innen und Tochterbanken nach Abschluss jedes Programmzyklus angepasst werden. So können wir immer den besten Nutzen bieten und die Bedürfnisse sowohl unserer Tochterbanken als auch der Fintech-Start-ups bestmöglich berücksichtigen.
Neben dem Programm selbst zielt Elevator Lab darauf ab, der Organisation Einblicke in die Entwicklungen der Startup-Community und des Ökosystems zu geben, um Innovation und Kooperation zu fördern.

LEADERSNET: Haben Sie sich gedacht, dass das Projekt so eine Kraft haben wird?

Saric:  Ein solcher Erfolg ist von einem Projekt dieser Art zu erwarten, wenn man bedenkt, wie viel Mühe und Liebe zum Detail das Elevator-Lab-Team, aber vor allem auch die Tochterbanken, die das Programm durchführen, in dieses Projekt investieren. Es handelt sich um ein seit Jahren laufendes Projekt, das sich auf Kooperation und Co-Innovation konzentriert und nun die Früchte seiner Arbeit zeigt. Natürlich geht die Arbeit an diesem Thema weiter. Wir bemühen uns weiterhin, die in den vergangenen Jahren geschaffenen Grundlagen zu verbessern und auszubauen.

LEADERSNET:  Was soll man sich unter dem "Elevator Lab Programm" eigentlich genau vorstellen? Wieviele Fintechs wurden bereits evaluiert? Welche Länder sind dabei besonders präsent?

Saric:  Elevator Lab ist das größte Fintech- und Startup-Partnerschaftsprogramm für Unternehmen in CEE. Das Programm konzentriert sich darauf, die innovativsten Fintech- und Startup-Lösungen zu finden, um für beide Seiten - die RBI und die Fintechs bzw. Start-ups - vorteilhafte Partnerschaften aufzubauen. Das geschieht mit der Vision einer langfristigen strategischen Zusammenarbeit und der Beteiligung an Fintech-Startup-Ökosystemen in CEE und Österreich. Seit seiner Gründung im Jahr 2017 wurden mehr als 1.500 Startup-Bewerbungen aus über 55 Ländern geprüft, über 25 Proof of Concepts (PoC) abgeschlossen und 15 langfristige Partnerschaften eingegangen. 8 der 13 RBI-Tochterbanken waren 2021 Gastgeber von Elevator-Lab-Initiativen.

LEADERSNET:  Welche Lösungen sind derzeit besonders gefragt?

Saric: Da wir derzeit mit den Gewinnern unseres Programms 2021 an PoCs arbeiten, kann ich als Themen Finanzkompetenz, digitale Kundenakquise, Mini-Apps und ESG in der Landwirtschaft nennen. Diese Bereiche haben wir als aktuell interessant für unsere Geschäftsbereiche und Tochterbanken erkannt, wenn es um das Potenzial der Zusammenarbeit mit Start-ups geht.

LEADERSNET: In welchen Themenkreisen orten Sie das meiste Potenzial für die kommenden Jahre?

Saric: Wir gehen davon aus, dass eines der Hauptthemen für uns weiterhin ESG sein wird - in der Agrarwirtschaft oder in anderen Geschäftsbereichen, da dies auch mit unserem Engagement übereinstimmt. Andere Themen, bei denen wir mehr und mehr Potenzial und Interesse sehen, sind KI/AA und Cybersecurity.

LEADERSNET: Inwiefern sind die Tochterbanken involviert?

Saric: Die Wege des Elevator-Lab-Programms sind eng mit den Tochterbanken der RBI abgestimmt und werden von diesen ausgerichtet. Für sie dient das Programm dazu, Startup-Partner zu finden, mit denen sie eng zusammenarbeiten können. Das Ziel ist dabei, das aktuelle Angebot für ihre Kunden zu verbessern und neue innovative Produkte in Bereichen zu entwickeln, die sie als wichtig für die unmittelbare Zukunft erachten.

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Saric: Der Anteil der Frauen in vielen Bereichen hat in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit gewonnen, aber es dauert, bis sich der Status quo ändert. Wir sehen täglich, dass sich wichtige Veränderungen vollziehen. Mehr Investmentgesellschaften beziehen Frauen in den Entscheidungsprozess ein und immer mehr Start-ups werden auf Basis sozialer Werte des Unternehmens bewertet.

LEADERSNET: Wie steht es um die Beziehung zwischen Banken und Fintechs: Freunde oder Feinde?

Saric: Es ist schon eine ganze Weile her, dass Banken erkannt haben, dass sie sich mit Fintech-Startups zusammenschließen müssen, um ihren Kunden den größtmöglichen Nutzen zu bieten. In der Raiffeisen Bank International arbeiten wir aktiv mit potenziellen Startup-Partnern zusammen und der Aufbau eines entsprechenden Ökosystems ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie. Durch diese Partnerschaften und Verbindungen haben wir etwas, das uns antreibt: das gemeinsame Streben nach Kundenzufriedenheit.

LEADERSNET:  Wie präsent ist Wien aktuell als Startup-Hub? Wie liegt Österreich im internationalen Vergleich?

Saric: Zieht man die Daten des Austrian Startup Monitors heran, so wurden seit 2009 mehr als 2.600 Start-ups in Österreich gegründet. Aus unserer Erfahrung wird die Szene durch Organisationen, die die Arbeit von Start-ups fördern, unterstützt. AustrianStartups, einer der Partner unseres Programms, ist eine dieser Organisationen, die Unternehmer:innen unterstützen und den Aufbau und die Entwicklung der Start-up-Szene fördern. Vor kurzem haben wir uns auch mit Fintech Innovators zusammengetan, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Jahresberichte zu veröffentlichen und die Start-up-Szene in Deutschland und Österreich sichtbar zu machen. Natürlich gibt es auch Initiativen wie Veranstaltungen, an denen wir in der Vergangenheit teilgenommen haben, um die Sichtbarkeit des Ökosystems zu steigern und Start-ups die Möglichkeit zur Präsentation zu bieten. Als Programm konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die CEE-Region und die Start-ups, die dort tätig sind oder tätig werden wollen. Jeder Markt in der Region hat seine Stärken. (jw)

www.rbinternational.com

www.elevator-lab.com

 

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